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Frische Ideen für die Verwaltung. Das neue Rathaus von Seoul des Architekturbüros iArc ist nicht nur außen, sondern sogar innen begrünt.
© imago/Arcaid Images

Creative Bureaucracy Festival 2018: Wie Verwaltung gelingt

Bürokratie - ein unterschätztes Wort. Denn sie kann das Schicksal der Menschheit verändern. Wer jetzt bei ihrer Erneuerung hilft, hilft darum uns allen.

So was hat die Welt bestimmt noch nicht gesehen: Bürokratie nicht nur leicht gemacht, sondern kreativ gedacht! Und das an einem, vielleicht dem Genius loci: in der Humboldt-Universität zu Berlin, wo von den Preußen angefangene Reformen seit je zu Hause sind.

Sie glauben es nicht? Sollten Sie aber, können sie auch. „Creative Bureaucracy“ als Festival des Geistvollen: Es sind – gemeinsam mit 78 Partnern – nahezu 100 Programmstunden für zwei Tage geworden (7./.8. September 2018), es locken herausragende Sprecher aus aller Welt (165, um genau zu sein) und ein dickes Programm von 60 eng bedruckten Seiten.

Vorreiter der Verwaltungsinnovation aus Dänemark, Australien, Österreich, den USA und weiteren Ländern sind zu Gast, bei der sogenannten Fuck-up-Night reden Manfred Rettig und Engelbert Lütke Daldrup miteinander über Lehren aus dem Großstadtflughafen BER. Und die wissen, wovon sie reden, auch worüber. Geehrt werden überdies drei Persönlichkeiten aus Mexiko, Dänemark und Berlin für innovative Ansätze. Will heißen: Reform ist möglich. Und der Regierende Bürgermeister lädt ein zu „Berlins größtem Bewerbungsgespräch“.

Wo doch schon vom Genius loci die Rede war: Georg Friedrich Hegel, der Philosoph und Professor an der Humboldt-Universität, bewunderte den preußischen Staat und seine Beamten für ihre Effizienz. Und Max Weber, der Soziologe. Er wird oft herangezogen wegen der von ihm gesehenen Notwendigkeit, allzumal in der Politik beharrlich dicke Bretter zu bohren. Er nun hat die Bürokratie als die „rationale“ Form der „legalen Herrschaft“ gewürdigt. Übrigens auch für Unternehmen.

Kreativität braucht ein Mindestmaß an Organisation

Darum an dieser Stelle schon eine kurze Zwischenbilanz: Als gewissermaßen politischer Deckungsbeitrag ist die Bereitschaft zur weiteren, an die Moderne angepassten Effizienzsteigerung möglich – durch das Freisetzen der ja vorhandenen Kreativität. Wie das Festival zeigen kann, besser: wird. Zumal auch hier der philosophische Satz gilt: Kreativität erfordert ein Mindestmaß an Organisation – nicht mehr aber auch nicht weniger.

Gelingt dieser Ausgleich der Interessen, ist in Summe Bürokratie kein schmutziges Wort. Im Gegenteil, Max Weber bekäme einmal mehr Recht, was die Vorteile angeht: Bürokratische Strukturen schützen vor willkürlicher Ausübung von Staatsgewalt, weil sie an allgemeine Gesetze gebunden ist; wer die verletzt, wird zur Verantwortung gezogen. Das Handeln nach vorgegebenen Regeln erleichtert dem einzelnen Bürokraten seine Verantwortung; nur müssen die Regeln immer mal wieder neu verhandelt werden.

Dass Bürokratie in aller Regel alle gleich behandelt und somit neutral ist – das mag der eine oder andere auf dem Festival im einen oder anderen Forum vielleicht anders formulieren, aber einzelne Fälle dienen auch der Regelüberprüfung. Weil es auch im staatlichen Interesse liegen muss, sich der Risiken eines Übermaßes an Verrechtlichung und der damit verbundenen „Bürokratisierung“ des Lebens bewusst zu sein.

Berlin als Innovationszentrum für die Bürokratien der Welt

Oder durch das Festival erst recht bewusst zu werden. Denn das, was wir Verwaltung nennen, ist oft auch vorurteilsbehaftet. Nicht nur, aber auch. Zugegeben, wer hat nicht schon Erfahrungen im Gang der Dinge, im Verwaltungsgang, „erlitten“. Sodass die Begriffe Bürokrat, bürokratisch und Bürokratie vielerorts als Herabwürdigung benutzt werden. Wer will schon Bürokrat genannt werden?

Dabei ist andererseits kluge Verwaltung, ist gute Bürokratie „wirkmächtigste Kraft, um das Schicksal der Menschheit zu verbessern. Mehr als hunderttausend Menschen in Berlin, ein paar Millionen Bürokraten im Land und Hunderte von Millionen von Menschen weltweit, die vieles, wenn nicht fast alles bewirken könnten, mehr als jede andere Gruppe“. Das schrieb Sebastian Turner, Spiritus rector der Veranstaltung in der Humboldt-Universität, so wertschätzend wie enthusiastisch schon im Vorfeld. Mit dem Ort vor Augen, dem Genius loci, in der Stadt Berlin, die ein Entwicklungspotenzial hat, das dann doch gar nicht zu überschätzen ist „als Innovationszentrum für die Bürokratien der Welt“, die nebenbei größte Branche der Erde.

Wenn das kein Anreiz zu frischem Enthusiasmus ist! Also weg vom Ursprung des Wortes Büro, „Bureau“ (Französisch), hoch vom Schreibtisch, raus aus dem Arbeitszimmer, der Amtsstube, wie es früher hieß – Bürokratie steht längst nicht mehr für grobgewirkten, undurchsichtigen Stoff, mit dem Schreibtische bezogen werden. Das war einmal, lange her.

Das Potenzial der eigenen Mitarbeiter erkennen

Nehmen wir als gutes Beispiel nur mal eines von im Übrigen etlichen aus – Berlin!

Die Verwaltungsakademie Berlin – dem Vernehmern nach die größte in Deutschland, obwohl Berlin ja nun nicht das größte Bundesland ist – ist dennoch Vorreiter. Auf vielen Gebieten: Sie treibt als E-Learning, E-Abschlüsse und Konzepte des sogenannten Blended Learning voran. Vielfach tastet sie sich damit in eine Grauzone vor, weil es eben bisher weder gesetzlich noch untergesetzlich wirklich geregelt ist. Ohne solche Vorreiter wird aber die Digitalisierung der Verwaltung nicht gelingen. Und jetzt wird auch noch ein eigenes Zentrum für „E-Examination“ gebaut, im kommenden Jahr. Der Finanzsenator hat gutes Recht, sich darüber zu freuen, nicht?

Auch kritische Liberale wie Ralf Dahrendorf erkannten an, dass es der Verwaltung, der Bürokratie bedarf, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Aber richtig, jetzt, da Verwaltungen von den rasanten Entwicklungen in der Welt enorm herausgefordert sind, benötigen sie selbst Unterstützung, um die zu meistern. In unser aller Sinn, dem der Gesellschaft – und in ihrem eigenen, weil es das Potenzial zur Veränderung innerhalb der Bürokratie selbst stärkt.

Neues zulassen, sich nicht vom Alten, und sei es über Jahrzehnte bewährt, gefangen nehmen lassen – diesem Begriff würde wohl auch Charles Landry nicht widersprechen, der Meister der Revitalisierung von Stadtgesellschaft und kreativer Kopf hinter unkonventionellen Lösungen, die später Konventionen prägen. Er steht hinter „Creative Bureaucracy“. Sie werden schon sehen!

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