Rohstoffabbau: Wie schmutzig ist das Geschäft mit den Smartphones?
In jedem Gerät stecken seltene Metalle. Häufig werden die Rohstoffe unter unwürdigen Bedingungen abgebaut. Apple schmeißt jetzt fünf Lieferanten raus.
Ohne ostafrikanische Arbeiter würde hierzulande Funkstille herrschen. In den Minen im Kongo schürfen sie Gold, Kobalt und Coltan. Allesamt sind Rohstoffe, die in jedem Smartphone stecken. Doch häufig werden die Erze und Metalle unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut, beklagen Hilfswerke vor Ort. Raubüberfälle und Kinderarbeit stünden auf der Tagesordnung. Apple hat deshalb jetzt fünf Raffinerien und Schmelzwerke aus seiner Lieferkette verbannt. Der US-amerikanische Techkonzern hat seine Zulieferer angewiesen, keine Produkte mehr von diesen Verarbeitern zu beziehen. Das hat der Konzern in seinem jährlichen Rohstoff-Bericht mitgeteilt. Ob Menschenrechtsverstöße der Grund waren, ließ Apple offen. Die fünf Produzenten hätten sich aber unabhängigen Kontrollen verweigert.
Mit den sogenannten „Third Party Audits“ verfolgt Apple ein klares Ziel: Der Smartphone-Hersteller will nur noch konfliktfreie Metalle für seine Geräte verwenden. Das bedeutet, dass die Erlöse aus dem ostafrikanischen Bergbau nicht an bewaffnete Gruppen oder Schutzgelderpresser gehen. Apple nimmt dabei seine Schmelzwerke in die Verantwortung. Woher diese ihre Rohstoffe beziehen, müssen sie lückenlos dokumentieren – und dabei regelmäßigen Kontrollen standhalten.
Lob und Skepsis von Vereinen
Das Südwind-Institut, ein gemeinnütziger Verein für wirtschaftliche Gerechtigkeit, hält Apples Entscheidung für konsequent. Schließlich würde das Unternehmen damit die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte befolgen. Diese besagen, dass Geschäftsbeziehungen abgebrochen werden sollten, wenn Partner sich Maßnahmen für bessere Menschenrechtsbedingungen verweigern. „Fraglich bleibt aber, ob bei den übrigen Minen tatsächlich über die angewendeten Kontrollverfahren die Einhaltung menschenrechtlicher Standards gesichert werden kann“, sagt Eva-Maria Reinwald, Fachreferentin beim Südwind-Institut. Neben den externen Kontrollen müssten Unternehmen wie Apple selbst auch mit der örtlichen Zivilgesellschaft zusammenarbeiten oder Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene schaffen. Und ob der Smartphone-Produzent das tut, gehe aus den veröffentlichten Informationen nicht hervor.
Ein Großteil der Erze stammt aus Ostafrika. Allein die Minen im Kongo tragen schätzungsweise 60 Prozent zur weltweiten Coltan-Produktion bei, ihr Anteil am Weltmarkt für Kobalt beträgt 50 Prozent. Die Metalle stecken in den Kondensatoren und Akkus der Geräte. Der rohstoffreiche Osten des Landes ist allerdings nach wie vor Schauplatz von bewaffneten Auseinandersetzungen: Der Bergbau werde teilweise von Milizen kontrolliert und von Kindern unter schlimmsten Bedingungen geleistet, berichten Hilfswerke wie Amnesty International. Mehr als 40 000 Minderjährige sollen ohne Schutzkleidung in den Minen arbeiten, manche von ihnen seien erst sieben Jahre alt. Hinzu kommt, dass die Kontrollen schwierig sind. Schätzungen der Berkeley University zufolge arbeiten nämlich 90 Prozent der Coltan-Schürfer in kleinen Minen – und nicht im industriellen Großbergbau.
Vaterschaftstest für das Erz
Eine deutsche Technologie könnte bald dabei helfen, konfliktfreies Coltan zu erkennen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat ein Verfahren zur Herkunftsbestimmung entwickelt – eine Art Vaterschaftstest für das Erz. Die Forscher haben Mineralien aus ausgewählten Minen mit einer eigenen Signatur versehen. Ähnlich wie der Fingerabdruck des Menschen hat Coltan je nach Abbaugebiet nämlich eine einzigartige Struktur. Die Signaturen hat die BGR in eine Datenbank übertragen, sie enthält 25 000 Datensätze aus 200 verschiedenen Lagerstätten. Damit ließe sich stichprobenartig abgleichen, ob die Rohstoffe aus Minen stammen, die von Vereinen vor Ort zertifiziert worden sind.
„Das Verfahren ist entwickelt, momentan aber noch nicht im Einsatz“, erklärt Hans-Eike Gäbler von der BGR. Aufgrund der instabilen politischen Lage vor Ort sei es schwierig, das Verfahren dort unter staatlicher Aufsicht einzuführen. Die Bundesanstalt befinde sich aber in Gesprächen mit Unternehmen, die den Herkunftstest selbst anwenden könnten. Ob es dazu kommt, sei am Ende aber eine Frage des Marktes. Und die lautet: Ist der Kunde bereit, für mehr Transparenz und faire Abbaubedingungen zu zahlen? Gäbler hält es für möglich: „Als wir Firmen den Preis für die Anwendung des Verfahrens genannt haben, sind sie jedenfalls nicht vom Stuhl gefallen.“
Start-ups wollen es besser machen
Unwürdige Arbeitsbedingung in der Smartphone-Produktion haben auch einige Start-ups auf den Plan gerufen. Das Familienunternehmen Shiftphone etwa aus dem hessischen Dorf Falkenberg will es von Vornherein besser machen. Gemeinsam mit ihrem Vater bauen die beiden Brüder Carsten und Samuel Waldeck eigene Smartphones. Ihr Ziel war es, zunächst die Endfertigung vollständig kontrollieren zu können. Dafür hat das Start-up eine eigene Fertigung in China aufgebaut. Langfristig will Shiftphone aber auch als Händler auftreten und Rohstoffe aus zertifizierten Minen in Umlauf bringen. Und zwar mindestens so viel, wie in den eigenen Smartphones verbaut wird. Gut 30 000 Geräte hat das Familienunternehmen im vergangenen Jahr schon verkauft. Im laufenden sollen es doppelt so viele werden.