Zwischen Glaube und Geld: Wie reich die großen deutschen Kirchen sind
Die katholische und die evangelische Kirche besitzen ein Milliardenvermögen. Kritiker stören sich daran, dass sie zusätzlich auch noch Leistungen vom Staat bekommen.
Die Badewanne des Bischofs von Limburg hat es den Besuchern angetan. Etliche Fotos von ihr tauchen derzeit im sozialen Netzwerk Instagram auf. Das Bistum hat im Mai gleich zwei Mal zu einem Rundgang der besonderen Art eingeladen. Interessierte konnten das Bischofshaus besuchen und wurden dabei aktiv aufgefordert, ihre Fotos bei Instagram hochzuladen. Eine mutige Entscheidung. Schließlich stehen Badewanne, Fitnessraum und Karpfenteich in Limburg für: Verschwendung und Protz. Der frühere Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat beim Bau des Komplexes so viele Sonderwünsche geäußert, dass die Kosten explodierten – statt sechs wurden 30 Millionen Euro fällig. Allein für die freistehende Badewanne sollen 15.000 Euro draufgegangen sein. Tebartz-van Elst hat das sein Amt gekostet. In Limburg wie in anderen Bistümern ist man seitdem sehr auf Transparenz bedacht. Und trotzdem ist das mit dem Geld und der Kirche bis heute immer noch so eine Sache.
Denn auch wenn viele Bistümer inzwischen Einblick in ihre Bilanzen gewähren und ihr Vermögen offenlegen – eine abschließende Antwort, wie reich die deutsche Kirche tatsächlich ist, wird es so schnell nicht geben. Der Politologe Carsten Frerk hat sich an einer Aufstellung versucht. Rechnet man alles zusammen, könnten die beiden großen Kirchen ein Vermögen von 435 Milliarden Euro besitzen. „Das ist aber nur eine grobe Schätzung“, sagt Frerk. Denn die Organisation der Kirchen ist weitverzweigt – ebenso wie die Verantwortung über die Finanzen. In der katholischen Kirche gibt es 27 (Erz-)Bistümer und 11500 Gemeinden, in der evangelischen Kirche sind es 20 Landeskirchen und 14500 Gemeinden. Sie sind alle eigenständig, können also selbst über ihre Haushalte entscheiden. Dazu kommen noch Ordensgemeinschaften, Diakonie und Caritas sowie andere kirchliche Einrichtungen vom Altenheim bis zum Krankenhaus.
Das Erzbistum Berlin besitzt ein Vermögen von 590 Millionen Euro
Legen nun Bistümer und Landeskirchen nach und nach ihre Zahlen vor, bildet das also gerade mal einen Bruchteil des Vermögens der Kirche ab. Trotzdem ist auch dieser Bruchteil durchaus aufschlussreich. Denn das Vermögen ist in der Kirche wie in der Gesellschaft ungleich verteilt. Die reichste Diözese Deutschlands ist das Erzbistum München-Freising mit einem Vermögen von 5,5 Milliarden Euro. Auch Paderborn (4,2 Milliarden Euro) und Köln (3,4 Milliarden Euro) gehören zu den reichen Bistümern. Berlin liegt mit 590 Millionen Euro im Mittelfeld – immerhin noch vor Osnabrück, Hamburg oder Speyer. Nun klingt ein Vermögen von einer halben Milliarde Euro für die katholische Kirche in Berlin nach ziemlich viel. Das relativiert sich aber, wenn man sich anschaut, was dahinter steckt. So hat das Erzbistum Berlin laut der Bilanz für 2015 fast die Hälfte seines Vermögens für Pensionszahlungen an Priester und verbeamtete Lehrer zur Seite gelegt – weil sie keine gesetzliche Rente bekommen, muss die Kirche für sie fürs Alter vorsorgen. Weitere 140 Millionen Euro stecken in Sachanlagen, vor allem in Immobilien wie Schulen, Bildungshäusern oder Verwaltungsgebäuden. 35 Millionen hat die Kirche zudem für die Instandhaltungen von Gotteshäusern zurückgestellt. Das heißt: Das Erzbistum Berlin besitzt durchaus ein großes Vermögen, kann über einen Großteil davon aber nicht verfügen.
Aus eben diesem Grund könne man die Kirche auch nicht mit einem Aktienkonzern vergleichen, meint Heidrun Schnell, die die Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) leitet. „Wir schütten keine Gewinne an Aktionäre aus, auch bringen uns steuerrechtliche Abschreibungen nichts. Uns geht es darum, die Arbeit der Kirche für die Zukunft zu sichern.“ Wie bei den Katholiken haben die Protestanten bislang keinen vollständigen Überblick darüber, wie viel Landeskirchen und Gemeinden zusammen besitzen. Allerdings warnt Schnell davor, das Vermögen der Kirche überzubewerten. „Die Kirche ist steinreich, allerdings nur reich an Steinen“, sagt sie. „Die Gotteshäuser sind größtenteils nicht verkäuflich, ihr Unterhalt und ihre Instandhaltung kostet jedoch einiges.“
Der Berliner Dom kostet jährlich Millionen
Das beste Beispiel ist der Berliner Dom. Sechs Millionen Euro fallen dort jährlich an für Ausbesserungsarbeiten, Personal, Heizung, Musiker, Sicherheitskräfte und Rückstellungen. Aus Kirchensteuern und Zuwendungen werden dafür allerdings nur 200.000 Euro bereitgestellt. Der Rest muss erwirtschaftet werden, was auch der Grund ist, warum man im Berliner Dom Eintritt zahlt. „Wenn die Gemeinde den Dom alleine finanzieren müsste, könnten wir gerade einmal zehn Tage im Jahr öffnen“, sagt Sprecherin Svenja Pelzel.
Auch aufgrund dieser finanziellen Belastung werden die Kirchengebäude wertmäßig in den Büchern der Gemeinden möglichst niedrig angesetzt. Der Berliner Dom ist derzeit auf dem Papier 195 Millionen Euro wert. Anders als etwa der Kölner Dom, dem nur noch ein Erinnerungswert von 27 Euro beigemessen wird: ein Euro für das Gebäude und 26 Euro für die Grundstücksparzellen, auf denen er steht. Der Grund für diesen enormen Unterschied: Große Kirchengebäude werden über 200 Jahre abgeschrieben und der Kölner Dom ist sehr viel älter als das Berliner Pendant.
Die Kirchen nehmen mehr Kirchensteuern ein
Dabei ist das Vermögen der Kirche das eine. Das andere sind ihre Einnahmen. Den großen Kirchen fließen gleich aus mehreren Quellen regelmäßig Gelder zu. Christen leisten die Kirchensteuer. Fast 12 Milliarden Euro kassierten die Kirchen 2015 auf diese Weise – so viel wie noch nie. Weil die Höhe der Kirchensteuer vom Einkommen abhängt, profitierten die Kirchen von steigenden Löhnen und geringer Arbeitslosigkeit – und zwar so stark, dass das sogar Kirchenaustritte überkompensierte. Finanziert werden aus diesen Einnahmen die Gehälter der Pfarrer und die Gemeindearbeit. Für andere soziale Aufgaben wie das Betreiben von Kindergärten, Krankenhäusern oder Schulen bekommen die Kirchen staatliche Zuschüsse. Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen Leistungen des Staates an die Kirchen.
Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche erhalten zusätzlich immer noch eine jährliche Entschädigung für Enteignungen im 18. und 19. Jahrhundert. Damals gingen im Zuge der Säkularisierung kirchliche Grundstücke an den Staat. Im Gegenzug sagten die Fürsten zu, für die Kirchen zu sorgen. 1919 wurden diese Staatsleistungen in der Weimarer Reichsverfassung verankert, später fanden sie ihren Weg ins Grundgesetz. Allein in diesem Jahr fließen als Entschädigungszahlung 524 Millionen Euro vom Staat an die Kirchen. Aufkommen müssen dafür alle Steuerzahler – also nicht nur Kirchenmitglieder. Sven Lüders, Geschäftsführer der Humanistischen Union, hält das für nicht mehr zeitgemäß. „Das widerspricht dem Neutralitätsgebot des Staates“, sagt er.
Die Staatsleistungen sorgen für Streit
Dabei wären die Kirchen durchaus bereit, auf die Staatsleistungen zu verzichten. Ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz sagt: „Die Kirche wird sich einer weitgehenden Lösung nicht verschließen, wenn diese ausgewogen ist.“ Genau da liegt aber das Problem. Für den Fall, dass die Staatsleistungen eingestellt werden, verlangen die Kirchen eine Einmalzahlung – die Rede ist von 20 bis 40 Jahresraten. Angesichts dieser enormen Summe wollen die meisten Politiker lieber alles beim Alten lassen. Erst im März hat die Fraktion der Linken im Bundestag beantragt, eine Expertenkommission im Bundesfinanzministerium einzusetzen, um die staatlichen Zahlungen an die Kirchen zu prüfen. Union und SPD haben das abgelehnt.
- In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Berliner Dom koste jährlich 600 Millionen Euro. Tatsächlich sind es nur 6 Millionen Euro. Dem stehen Zuwendungen in Höhe von 200.000 Euro gegenüber - 97 Prozent des Finanzbedarfs müssen also erwirtschaftet werden.