Überführung der „Global Dream“: Wie KI das Leben auf Deutschlands größtem Kreuzfahrtschiff erleichtert
Es bietet 9500 Passagieren Platz, es ist 342 Meter lang: Das Kreuzfahrtschiff „Global Dream“ ist fast fertig. Mit an Bord werden auch Roboter sein.
Es ist ein Seeungeheuer, das glänzt und glitzert. Bis zu 9500 Passagiere können auf der „Global Dream“ mitfahren, mehr als auf jedem anderen Ozeanriesen. Die Zielgruppe sind technikaffine Asiaten, das Schiff sticht mit viel Bling-Bling an Bord in See – und mit Künstlicher Intelligenz. Die erste Reise soll 2021 von China nach Australien führen. An diesem Freitag und am Samstag wird das XXL-Schiff aber erst einmal von Schleppern von Warnemünde ins knapp 80 Kilometer entfernte Wismar überführt.
Beide Werke gehören zu den MV Werften, dem mit 3000 Beschäftigten größten Industrie-Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern. Auf die Reise geht das mehr als 200 Meter lange Mittel-Segment des Schiffs in Schrittgeschwindigkeit. Rund 30 Stunden soll das Spektakel dauern. Bei der Endmontage in Wismar kommen dann Bug und Heck dazu.
Einer der größten Ozeanriesen
600 Zulieferer sind am Bau beteiligt, gut 340 Meter lang und 46 Meter breit wird das Schiff nach Fertigstellung sein. Damit gehört es zu den weltgrößten Ozeanriesen, ist aber eine Nummer kleiner als der Rekordhalter „Symphony of the Seas“ – auf dem haben allerdings rund 2600 Passagiere weniger Platz. Auf dem Schiff „Made in Meck-Pomm“ sind viele Kabinen für (Groß-)Familien ausgelegt, die in Asien gerne zusammen Urlaub machen, sagt die Reederei. Einzelkabinen dürften eher kleiner ausfallen als etwa auf Karibik-Kreuzern oder deutlich teurer sein. Weniger Platz an Bord, „das verbessert die persönliche Klima-Bilanz so einer Reise etwas, falls die Anreise zum Hafen nicht gerade mit dem Flugzeug erfolgt“, sagte Nabu-Kreuzfahrtexperte Malte Siegert dem Tagesspiegel Background.
Das Konzept zeigt, dass der Kreuzfahrt-Boom nicht zwangsläufig mit immer größeren Schiffen einhergehen muss, die entsprechend mehr Schadstoffe und Emissionen ausstoßen. Ob sich das asiatische Mehr-Leute-auf-engem-Raum- Konzept auf die Luxus-Kreuzfahrten im Mittelmeer übertragen ließe, ist freilich eine andere Frage.
Asiatisches Geld rettet deutsche Werften
Die Kosten für den Koloss belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Auch das zweite Schiff einer ganzen Flotte ist in Mecklenburg-Vorpommern bereits im Bau. Die lange Krise der MV Werften wurde damit abgelöst von einem Bauboom, der auf Jahre hinaus viele Arbeitsplätze sichern könnte. Das Geld dafür fließt aus China und Malaysia in den Nordosten. Der Bund sichert das Geschäft mit Exportgarantien ab. „Wir können im Schiffbau anders als die meisten anderen Industrien noch auf eine praktisch vollständig geschlossene Wertschöpfungskette in Europa setzen“, sagte Norbert Brackmann (CDU), Maritimer Koordinator der Bundesregierung.
Die asiatische Genting-Gruppe hat die Schiffe in Auftrag gegeben – und zwar bei sich selbst. Die MV Werften gehören seit 2016 zum Reich des Tourismus-Konzerns, der neben Vergnügungsparks auch mehrere Reedereien betreibt und das Kreuzfahrt-Geschäft ausbauen will. Um die Wartezeit für Neubauten abzukürzen, kaufte Genting kurzerhand die deutsche Werftengruppe für 230 Millionen Euro und nahm Geld für die Modernisierung in die Hand. Auch die 1857 gegründete Lloyd Werft in Bremerhaven übernahmen die Asiaten. Dort sollen die Schiffe der Global-Klasse den letzten Schliff erhalten.
Gesichtserkennung und Sprachsteuerung
„Diese Passagierschiffe sind nicht nur die größten, die in Deutschland gebaut werden, sie sind auch die technologisch fortschrittlichsten“, sagte Genting-Chef Tan Sri Lim Kok Thay, „sie greifen die Begeisterung der Asiaten für Künstliche Intelligenz im Alltag auf.“ Programme zur Gesichts- und Spracherkennung der Passagiere sollen etwa die Warteschlangen beim Check-in, vor dem Vergnügungspark an Deck, den Multiplex-Kinos und den Restaurants verkürzen. Die KI-Systeme sollen auch das Bezahlen an Bord vereinfachen und für eine gleichmäßige Auslastung der Einrichtungen sorgen, etwa indem Angebote den Reisenden individuell ausgespielt werden. „Kontextuelles Marketing“, heißt das. Licht und Klimaanlage in den Kabinen können die Passagiere per Sprachsteuerung oder via App an- und ausschalten.
"Global Dream" fährt noch mit Schweröl
„Zudem erkennen Sensoren, ob und wie viele Passagiere sich gerade in der Kabine befinden, um Beleuchtung und Temperatur für eine bessere Energieeffizienz automatisch anzupassen“, sagte eine MV-Werften-Sprecherin Tagesspiegel Background. Auch Roboter werden an Bord ihren Dienst verrichten und etwa die Böden reinigen oder andere Routineaufgaben erledigen, sagt Tan Sri Lim Kok Thay. Die 2200 Mann und Frau starke Crew könne sich dann „stärker auf andere Dienstleistungen konzentrieren“.
Die Motoren kommen auch aus Deutschland. Die Volkswagen-Tochter MAN Energy Solutions baut in ihrem Stammwerk in Augsburg sechs Großmotoren mit einer Leistung von zusammen 130.000 PS, die dann Binnenschiffe zur Werft an der Küste transportieren. Da die „Global Dream“ zunächst noch mit Schweröl fahren soll – eigentlich ein Auslaufmodell – liefern die Bayern gleich komplexe Abgasreinigungssysteme mit. Das dritte und das vierte Schiff der „Global“-Klasse sollen dann auch auf LNG-Antrieb ausgelegt sein. Flüssigerdgas ist für das Klima zwar kaum besser als Öl, dafür aber schwefelfrei und stickoxidarm.
Felix Wadewitz
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