Kreuzfahrtreisen: Bequem um die Welt
Das Kreuzfahrtgeschäft brummt wie keine andere Tourismus-Sparte. Das hat inzwischen auch die Golfregion erkannt.
Berlin - Es ist eine Zeitenwende: Mit der „Aida Nova“ geht am 2. Dezember das erste Kreuzfahrtschiff in Betrieb, das umweltschonend komplett mit Flüssiggas fahren kann. Die giftigen Schweröl- und Diesel-Emissionen werden so vermieden. Der fast eine Milliarde Euro teure Hightech-Megaliner für mehr als 5000 Passagiere soll künftig weltweit doppelt für deutsche Qualitätsprodukte werben – als neues Flaggschiff der Rostocker Reederei Aida und für den innovativen Hersteller, die Meyer-Werft in Papenburg.
Das Kreuzfahrtgeschäft brummt wie keine andere Sparte im Tourismus. Bis 2027 soll die Passagierzahl auf hoher See weltweit von zuletzt knapp 27 auf 40 Millionen wachsen. In Deutschland, dem größten Quellmarkt in Europa, werden 2019 mindestens 2,5 Millionen Buchungen und somit das 14. Rekordjahr in Folge erwartet. Voriges Jahr gingen 2,2 Millionen Bundesbürger auf große Fahrt, ein Plus von acht Prozent.
Mit schwimmenden Hotels die Welt entdecken – diese Urlaubsform lockt immer mehr Gäste an Bord. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist günstig, außerhalb der Hauptsaison gibt es schon für wenige Hundert Euro einwöchige Touren über das Mittelmeer. Die Ausgaben sind kalkulierbar, an Bord der Spaßschiffe sind zumindest Essen und Shows meist inklusive. Bei Landgängen können die Gäste je nach Lust und Budget organisiert oder auf eigene Faust Städte und Regionen entdecken. Das Zimmer reist derweil mit, ständiges Ein- und Auspacken wie bei anderen Rundreisen entfällt.
Es gibt derzeit mehr als 700 Kreuzfahrthäfen weltweit, rund 260 allein in Europa. Allerdings konzentriert sich das Massengeschäft auf wenige beliebte Regionen mit Sonnengarantie – allen voran die Inselwelt der Karibik, Hotspot vieler Amerikaner. Die Deutschen sind am liebsten auf dem Mittelmeer und in Nordeuropa unterwegs. Drei von vier Schiffstouristen treffen diese Wahl und fahren zum Beispiel in die Ägäis, auf der Ostsee oder zu den Fjorden Norwegens.
Manchen Städten werden die Touristen zu viel
Mancherorts wächst jedoch der Unmut über die Touristenflut. In Palma de Mallorca, Venedig, Dubrovnik oder Barcelona strömen schon jetzt zur Hochsaison Zehntausende Tagesgäste zum Sightseeing von den Schiffen. In Museen, an Aussichtspunkten oder in Einkaufszonen gibt es dann kaum noch ein Durchkommen. Zudem geben viele Besucher an Land nur wenig für Essen und Trinken aus, weil sie an Bord ja alles ohne Aufpreis bekommen.
Trotzdem buhlen Städte und Häfen weltweit weiter um Besuche der prestigeträchtigen Megaliner, zum Beispiel in der Golfregion, wo das Öl-Emirat Katar gerade eine Kooperation mit Aida und Costa geschlossen hat. Die Reedereien sind an neuen Zielen, die ihre Infrastruktur für Kreuzfahrtgäste aufrüsten, immer interessiert. Zudem werden teure Luxus- und Expeditionsreisen mit kleineren Schiffen ausgebaut, die mehr Rendite versprechen. Wer Geld und Zeit hat, bekommt inzwischen fast jeden Wunsch erfüllt und kann das Nordpolarmeer, die Antarktis, Alaska, Asiens Inselwelt, Australien und die Südsee erkunden. Oder er bucht gleich eine komplette Weltreise.
Es existieren zwar mehr als 70 Kreuzfahrtmarken, aber der Markt ist dennoch hoch konzentriert. Fast 75 Prozent des Geschäfts beherrschen die drei US-Konzerne Carnival Corporation, Royal Caribbean (RC) und Norwegian Cruise Line (NCL) aus Miami mit ihren zahlreichen Ablegern, zu denen auch führende hiesige Anbieter wie Aida und Costa (beide Carnival) sowie Tui Cruises (50 Prozent bei RC) zählen. Allein zu Carnival (unter anderem Cunard, P & O, Princess, Holland America, Seabourn) gehören mehr als 100 Schiffe, der Fachdienst Cruise Industry News beziffert den Marktanteil auf fast 42 Prozent. RC (unter anderem Celebrity, Azamara) kommt mit gut 50 Dampfern auf 23 Prozent, NCL mit 26 Kreuzern auf gut neun Prozent. Erst dahinter folgt der größte Anbieter Europas: das italienische Familienunternehmen MSC mit 15 Schiffen und acht Prozent.
Die teuersten und größten Kreuzfahrtschiffe fassen inzwischen fast 7000 Gäste (plus Mannschaft) und kosten mehr als eine Milliarde Euro. Der aktuelle Rekordhalter ist die Symphony of the Seas, 361 Meter lang, 66 Meter breit und 1,3 Milliarden US-Dollar teuer, gebaut von STX France in Saint Nazaire. Der Megaliner ist bereits die vierte Einheit der riesigen Oasis-Klasse von RC und hat das Schwesterschiff Harmony of the Seas als Spitzenreiter abgelöst.
Vom Boom auf dem Wasser profitieren viele Branchen
Die Branche setzt weiter auf großes Wachstum und investiert gewaltige Summen. Weltweit sind derzeit rund 340 Schiffe auf hoher See unterwegs, bis 2027 sind weitere 100 Kreuzer für insgesamt fast 60 Milliarden US-Dollar bestellt. MSC will in nur zehn Jahren bis 2026 die Flotte fast verdoppeln und elf neue Schiffe in Dienst stellen, einige für mehr als 5000 Gäste. Costa lässt bis 2021 vier neue Kreuzer bauen und die Bettenzahl um fast 50 Prozent auf 52 000 erhöhen. Tui Cruises steigert 2019 mit dem siebten Megaliner das Angebot auf knapp 18 000 Plätze.
Vom Boom auf dem Wasser profitieren Städte, Häfen, Reeder, Veranstalter und Reisebüros, aber auch die Industrie. Führender Hersteller der Traumschiffe ist das Familienunternehmen Meyer in Papenburg, das seit mehreren Generationen alle schweren Zeiten im Schiffsbau überstanden hat. Neben dem italienischen Staatskonzern Fincantieri (Triest) ist Meyer mit seinem Ableger im finnischen Turku inzwischen wichtigster Produzent in Europa.
Die Auftragsbücher sind bis 2023 gut gefüllt, in diesem Jahr liefen in Papenburg vor der „Aida Nova“ bereits die mehr als eine Milliarde Dollar teure „Norwegian Bliss“ (NCL) aus und in Turku die „Mein Schiff 1“ von Tui. Im kommenden Jahr sollen fünf weitere Megaschiffe für RC, Tui und Carnival folgen, darunter mit der „Costa Smeralda“ ein weiteres LNG-Schiff für 5000 Gäste. Kaum ein Produkt „Made in Germany“ ist größer und teurer.
Erfreulich ist: Auch die lange arg gebeutelten und hoch subventionierten ostdeutschen Werfen in Rostock, Wismar, Stralsund sowie die Lloyd-Werft in Bremerhaven mischen nach der Übernahme durch den asiatischen Kreuzfahrtkonzern Genting nun im lukrativen Geschäft mit und bauen zehn große Schiffe für den boomenden Markt in Asien. Das sichert und schafft Jobs in strukturschwachen deutschen Regionen. Experten warnen allerdings, dass einige Anbieter Probleme bekommen könnten, wenn immer mehr neue Schiffe starten und die Gästezahlen nicht mitwachsen. Für Reisende bleiben die Zeiten aber erst mal rosig, denn das wachsende Angebot sorgt für noch mehr Vielfalt, stabile Preise und viele, viele Schnäppchen.
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