Berliner Osram-Werk in Gefahr: Wie geht es bei dem Lichtkonzern weiter?
Osram steckt mitten im Übernahmepoker. Das hat auch Folgen für Berlin, wo der Konzern einst gegründet worden ist. An diesem Montag ist eine Kundgebung geplant.
Was macht das für einen Sinn, um fünf nach zwölf auf die Straße zu gehen? Vielleicht beruhigt es die Nerven, denn den Beschäftigten der Osram Licht AG geht die Geduld aus: Der technologische Wandel hin zur halbleiterbasierten Beleuchtung macht dem Unternehmen, das weltweit noch 23.000 Mitarbeiter beschäftigt, zu schaffen. Dazu kommt ein unendlicher Übernahmepoker; seit gut einem Jahr befasst sich das Management fast nur noch mit der Bewertung von Kaufangeboten diverser Interessenten. Derweil werden die Geschäftszahlen immer schlechter, so dass der Vorstand um den Vorsitzenden Olaf Berlien soeben den Abbau von 800 Arbeitsplätzen angekündigt hat. Kurzum: Nach Einschätzung der Arbeitnehmervertreter ist es fünf nach zwölf.
In Berlin, wo Osram 1906 gegründet wurde, trifft man sich an diesem Monat um 12.05 Uhr an der Nonnendammallee vor dem Werkstor. 670 Beschäftigte gibt es noch auf dem riesigen Osram-Gelände; vor gut zehn Jahren, damals gehörte Osram noch zu Siemens, zählte die Belegschaft 2200 Köpfe. Ende 2021 werden es noch 500 sein. Und dann? IG Metall und Betriebsrat sprechen von einer kritischen Größenordnung, bei der eine Fertigung keinen Sinn mehr mache. Schon gar nicht auf der Riesenfläche am Nonnendamm, wo auf der anderen Straßenseite der Siemens Innovationscampus entsteht.
Die Erzeugnisse mit traditioneller Lampentechnik reichen nicht für die Zukunft.
Hochleistungslampen zur Produktion von LCD-Panels, für die Filmbranche und Krankenhäuser werden in Spandau gebaut. Dazu Beamer-Lampen und Xenon-Scheinwerfer für Autos – Jahr für Jahr weniger. „Die Zukunftsprodukte wurden alle wieder eingestellt“, sagt Betriebsratschef Thomas Wetzel. Etwa beleuchtete Textilien. Da das Licht neuer Autoscheinwerfer nicht mehr reflektiert wird, müssen Sicherheitswesten beleuchtet werden. Ein „riesiger Markt“, meint Wetzel, doch das Osram-Management habe den erforderlichen sechsstelligen Betrag an Investitionsmitteln nicht zur Verfügung gestellt. Die Textilien, die bislang in Berlin mit 30 Mitarbeitern in einer Art Manufaktur produziert wurden, lässt Osram künftig in Litauen machen.
Den Innovationhub in Berlin hat der Konzern geschlossen
Ein anderes Nischenprodukt ist das Lasermodul für Frontscheinwerfer von Premium-Automobilen. Die Technologie wird nicht weiterentwickelt, ein koreanischer Wettbewerber hat Osram überholt. Am Potsdamer Platz unterhielt Osram bislang einen Innovation Hub mit einem guten Dutzend Software-Entwickler; das Labor wird geschlossen. „Zukunft ist nicht mehr“, sagt Wetzel.
Der Betriebsrat hat sich inzwischen mit den Arbeitnehmervertretern der österreichischen AMS getroffen. Der Sensorikspezialist will für 41 Euro die Aktie Osram übernehmen und hat inzwischen auch den Osram-Vorstand überzeugt. Bis Ende 2022 sollen die Osram-Mitarbeiter in Deutschland „vor fusionsbedingten Kündigungen“ geschützt sein.
AMS ist deutlich kleiner als Osram und muss sich für die Übernahme erheblich verschulden. Nach Einschätzung von IG Metall und deutschen Betriebsräten geht das Geschäft für die Österreicher nur auf, wenn Osram nach der Übernahme zerschlagen und teilweise verkauft wird. AMS, so die Einschätzung von Wetzel, habe vor allem Interessen an Tausenden Osram-Patenten sowie am Osram-Halbleiterwerk in Regensburg. Dass AMS bis zum 5. Dezember die erforderlichen 55 Prozent der Aktien bekommt, glaubt inzwischen auch Wetzel. An deren Zusagen glaubt er nicht. „Schaumschlägerei“ sei das, meint der Betriebsrat und sieht keine Zukunft.
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