Übernahmekampf: Poker um Osram
AMS erhöht Übernahmeangebot von 38,5 auf 41 Euro je Aktie. IG Metall befürchtet Zerschlagung und präferiert US-Finanzinvestoren.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die IG Metall einen Finanzinvestor attraktiver findet als einen strategischen Investor mit industriepolitischen Ambitionen. Aber so ist es im Fall Osram: lieber die Bostoner Geldanleger Bain Capital und Advent als die österreichische AMS. Derzeit spielt sich der Übernahmepoker an der Börse ab, und am 1. Oktober gibt es eine Vorentscheidung, wo das traditionsreiche deutsche Lichtunternehmen landet. Im Hintergrund wird viel geredet und an Strippen gezogen, damit die Österreicher nicht zum Zuge kommen.
"Globalen Technologieführer" schaffen
Dem Osram-Management war die AMS-Offerte nicht geheuer, weshalb den eigenen Aktionären vor ein paar Wochen mit Bauchschmerzen die Annahme des AMS-Angebots von 38,50 Euro empfohlen worden war. Am Freitag dann legte AMS 2,50 Euro drauf und bietet nun 41 Euro je Aktie. Auch für dieses „endgültige Angebot“, wie die AMS mitteilte, läuft die Annahmefrist am 1. Oktober ab. Die für die Übernahme erforderliche Summe von 4,4 Milliarden Euro werde durch die Banken HSBC, UBS und BAML bereitgestellt. Man habe für Aktionäre wie Mitarbeiter und Kunden „ein überlegenes Angebot, das im Vergleich zum Indikativen Drittbieterangebot ein stärkeres Unternehmen schafft“, meinte AMS- Chef Alexander Everke. „Unsere strategische Vision ist es, einen globalen Technologieführer für Sensoriklösungen und Photonik zu schaffen“, sagte der frühere Siemens-Manager.
Das dritte Angebot fehlt noch
Mit dem Drittbieterangebot sind die US-Finanzinvestoren Bain Capital und Advent gemeint, die vor ein paar Tagen ihr Interesse mitgeteilt hatten – ohne indes einen Preis zu nennen. Vom „Drittanbieter“ ist deshalb die Rede, weil es bereits ein Angebot von Bain Capital zusammen mit dem Finanzpartner Carlyle gibt, allerdings nur zu 35 Euro je Aktie. Das reicht nicht. Mit dem neuen Partner Advent will Bain jetzt gegen AMS bestehen – und hat die IG Metall an der Seite. Am Freitag appellierte die Gewerkschaft an Advent/Bain, ihr Angebot „schnell zu konkretisieren“. Der sich zuspitzende Poker am Kapitalmarkt schade Osram und müsse bald beendet werden.
Die Politik ist auch im Spiel
Belegschaft und IG Metall sind strikt gegen AMS, weil sie die Zerschlagung von Osram und einen Arbeitsplatzabbau befürchten. AMS hat angekündigt, nach der Fusion rund 120 Millionen Euro sparen und einzelne Osram-Bereich verkaufen zu wollen. Beim Osram-Großaktionär Allianz ist die Gewerkschaft vorstellig geworden mit der Bitte, das Angebot nicht anzunehmen. Und das Bundeswirtschaftsministerium wurde um Hilfe gebeten. Die Befürchtung der Arbeitnehmervertreter: Die relativ kleine und verschuldete AMS könne den Kaufpreis nur aufbringen mit starken Partnern im Hintergrund. Und die sind womöglich in China ansässig und haben ein Interesse an den 17 000 Osram-Patenten. Man habe alle Bieter aufgefordert, „Informationen über Verlagerungsabsichten, die Finanzierung ihrer Angebote, auch von allen Hintermännern, und Zukunftspläne gegenüber dem Wirtschaftsministerium offenzulegen und sich um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu bemühen“, teilte die IG Metall mit. „Wir reden nicht mit Chinesen und vertreten auch keine Chinesen“, wies AMS-Chef Everke die Sorgen der Arbeitnehmervertreter zurück.
Osram ist 101 Jahre alt
Das 1918 in Berlin gegründete Unternehmen beschäftigt 26 000 Mitarbeiter, davon 700 in Berlin-Spandau mit der Produktion von Sensorik für die Autoindustrie sowie Software für autonomes Fahren. Osram steht zum Verkauf, weil der Konzern in schwieriges Fahrwasser geraten ist. In diesem Jahr könnte der Umsatz um gut zehn Prozent zurückgehen. Das Unternehmen produziert hauptsächlich LEDs und Optoelektronik für Auto- und Smartphone-Hersteller. Das Glühlampengeschäft wurde vor einigen Jahren nach China verkauft und firmiert jetzt unter dem Namen Ledvance. Der Name Osram darf gegen eine Lizenzgebühr noch bis 2026 genutzt werden.
Angebot nur eine PR-Kampagne?
Allein in Berlin befürchtet die IG Metall den Wegfall von rund der Hälfte der Arbeitsplätze, wenn AMS Osram übernimmt. Die am Freitag vorgestellten Standortversprechen der Österreicher hält die IG Metall für eine „PR-Kampagne“. Die Osram-Werke in Regensburg, Berlin, Schwabmünchen, Herbrechtingen, Traunreut und Eichstätt wolle man für „mindestens drei Jahre weiterbetreiben“, hatte AMS mitgeteilt. Das seien zwar Standortgarantien, aber keine Beschäftigungsgarantien, hieß es dazu bei der Gewerkschaft. Betriebsbedingte Kündigungen im Zuge der Übernahme wolle AMS nicht garantieren.
AMS will Münchener Zentrale aufwerten
Der Osram- Hauptsitz in München soll künftig als „Co-Hauptsitz des gemeinsamen Unternehmens mit einer bedeutenden Präsenz weltweiter Unternehmensfunktionen“ gestärkt werden, warb AMS für das eigene Angebot. Am 1. Oktober um Mitternacht müssen mindestens 62,5 Prozent der Aktionäre ihre Aktien an AMS verkaufen. Am Freitagvormittag notierte das Papier bei 38,60 Euro. Nach der Bekanntgabe des auf 41 Euro erhöhten AMS-Angebots stieg der Kurs um fast sechs Prozent auf knapp 41 Euro. Wenn bereits jetzt die Aktie zu fast 41 Euro gehandelt wird, könnte das Aktionäre vom Verkauf abhalten. Sie spekulieren möglicherweise auf weitere Kurssteigerungen, zumal das Angebot von Bain Capital/Advent noch aussteht.
Osram-Spitze behält ihre Aktien
Vorstand und Aufsichtsrat von Osram hatten zwar empfohlen, die AMS-Offerte anzunehmen – ihr Ja aber mit so vielen Bedenken und Einwänden versehen, dass dies vielfach als nur halb verstecktes Nein gewertet wurde. Ferner haben sich Osram-Vorstandschef Olaf Berlien und der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Bauer entschieden, ihre eigenen Aktien nicht an AMS zu verkaufen. Denn die Osram-Leitung sieht ein erhebliches Risiko, dass die wesentlich kleinere AMS sich beim Kauf von Osram finanziell und organisatorisch überheben könnte.
Zu großer Widerstand?
Industriepolitisch erscheint die Übernahme durch AMS sinnvoller als der Einstieg eines Finanzinvestors, der das Unternehmen so bald wie möglich mit Gewinn weiterverkaufen wird. Die Kombination von Lichterzeugung (Osram) und Sensorik (AMS) hat durchaus Sinn. Und könnte dennoch am Widerstand der Arbeitnehmervertreter und am Kalkül der Osram-Aktionäre scheitern.
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