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Serbiens Präsident Vucic will sich nicht auf einen klaren EU-Kurs festlegen.
© REUTERS

Abkommen mit Eurasischer Wirtschaftszone: Wie EU-Beitrittskandidat Serbien Brüssel triezt

Seit Jahren will Serbien der EU beitreten. Gleichzeitig nähert sich das Land nun einer Zollunion mit Russland an. Brüssel reagiert verschnupft.

Russlands Emissär in Serbien verbreitete Ende August als erster die frohe Kunde: Die für den 25. Oktober in Sotchi erwartete Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens Serbiens mit der Eurasischen Wirtschaftszone (EAWU) sei „erst der Anfang“, verkündete Botschafter Alexander Bozan-Chartschenko per Twitter und in Interviews: „Die Zusammenarbeit wird sich in Zukunft noch verstärken.“ Die Tatsache, dass Serbien seit 2014 offizielle Beitrittsverhandlungen mit der EU führt, sieht er keineswegs als Hindernis: Serbien könne zum „Bindeglied“ zwischen der EU und EAWU werden.

Nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich versucht sich der EU-Anwärter Serbien im Drahtseilakt zwischen Ost und West. Das Abkommen mit der 2015 in Kraft getretenen EAWU, der außer Russland bisher Armenien, Kasachstan, Kirgisien und Weißrussland angehören, soll Serbiens Exporteuren die zollfreie Ausfuhr für 99,5 Prozent der heimischen Produkte auf einen Markt von 182 Millionen Konsumenten sichern. Doch auf Begeisterung trifft das Vorhaben in Brüssel keineswegs. Im Gegenteil: Bei den EU-Partnern stößt Belgrads intensivierter Schmusekurs mit Moskau auf vermehrte Kritik.

Spätestens am Tag eines EU-Beitritts müsse Serbien alle anderen Handelsabkommen aufkündigen, so die Botschaft der EU-Kommission. Eindringlich mahnte David McAllister, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, bei seiner jüngsten Visite in Belgrad, dass Serbiens Abkommen mit der EAWU auch eine Ausstiegsklausel beinhalten müsse: Es müsse garantiert sein, dass Serbien bei EU-Beitritt das Freihandelsabkommen mit der EAWU auch wieder beenden könne.

Russland als Beziehungs-Hindernis

Noch deutlicher wurde vergangene Woche der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak: Das angekündigte Abkommen trage nicht zur Annäherung Serbiens an die EU bei. „Das irritiert. Sie können nicht in mehrere Richtungen zugleich gehen“, so Lajcak bei einer Pressekonferenz am Rande des EU-Außenministertreffens in Helsinki: „Wenn Sie Ihre europäische Wahl ernst nehmen, sollten Sie selbstverständlich Entscheidungen treffen, die Sie der EU näherbringen. Dieser Schritt zählt nicht dazu.“

Russland sei das „Hauptproblem in den Beziehungen Serbiens und der EU“, konstatierte zu Wochenbeginn die Belgrader Zeitung „Blic“. Schon in den vergangenen drei Jahren sei die von den Beitrittskandidaten eigentlich geforderte Übereinstimmung zwischen der Außenpolitik Serbiens und der EU von 67 auf 54 Prozent gesunken: „Mit der Unterzeichnung des Abkommens ist zu erwarten, dass dieser Wert noch weiter fällt.“

Blick auf Belgrad, die Hauptstadt Serbiens.
Blick auf Belgrad, die Hauptstadt Serbiens.
© imago/Westend61

Offiziell hat sich Serbiens allgewaltiger Staatschef Aleksandar Vucic und seine nationalpopulistische Regierung zwar der EU-Annäherung verschrieben. Doch nicht zuletzt Moskaus diplomatische Schützenhilfe beim Dauerringen um den von Serbien nicht anerkannten Kosovo lassen Belgrad und die offen EU-skeptische Regierungspresse die Nähe zu Russland, aber auch zu Peking suchen.

Serbien habe das Recht, Abkommen mit Drittstaaten abzuschließen und seine „nationalen und wirtschaftlichen Interessen zu schützen“, so Außenminister Ivica Dacic: „Unsere Verpflichtung ist, unsere Außenpolitik bis zum Beitritt mit der EU in Übereinstimmung zu bringen. Aber der ist noch nicht nahe.“

EU ist größter Handelspartner Serbiens

Tatsächlich quält sich Serbien sehr langsam durch den Beitrittsmarathon. Von 2025 als Zieldatum eines etwaigen Beitritts ist inzwischen weder in Brüssel noch in Belgrad noch die Rede. Selbst serbische Ökonomen fragen sich, ob der vermeintliche wirtschaftliche Vorteil eines EAWU-Abkommens den politischen Schaden im Verhältnis zur EU aufwiegt. Obwohl Serbien mit Russland, Weißrussland und Kasachstan schon jetzt über Freihandelsabkommen für 95 Prozent der heimischen Exportgüter verfügt, nimmt sich der Außenhandel mit den Partnern im Osten bisher eher bescheiden aus.

Während die Ein- und Ausfuhren in die EU-Staaten 63,2 Prozent des serbischen Außenhandels ausmachen, gehen bisher nur 7,5 Prozent auf das Konto der EAWU-Länder. Zwar steigt das Volumen des serbischen Außenhandels mit Russland schon seit Jahren, doch die Exporte nach Russland – vor allem Obst, Fleisch, Käse, Textilien, Medikamente, Autoreifen und Kupferrohre – erlebten im ersten Halbjahr 2019 einen Rückgang: Noch immer führt Serbien beispielsweise deutlich mehr seiner Güter ins benachbarte Bosnien und Herzegowina (7,4 Prozent) als in den gerne verklärten Bruderstaat Russland (5,2 Prozent) aus.

Auch künftig bleibt der in Kragujevac montierte Fiat 500L wegen des zu geringen Anteils von in Serbien gefertigten Teilen vom zollfreien Handel mit Russland ausgenommen. Dennoch hofft Serbien die Exporte auf die EAWU-Märkte in den nächsten Jahren um 50Prozent steigern zu können. Skeptiker verweisen auf das begrenzte Sortiment, die fehlende Transportlogistik und Kapazitäten der serbischen Exporteure, die drastische Absatzerhöhungen auf den Ostmärkten eher unwahrscheinlich machten. „Selbst die bestehenden Abkommen haben wir nicht ausgenutzt“, ätzt der „Blic“.

In einer früheren Fassung des Textes hieß es, Serbien wolle der Eurasischen Wirtschaftszone beitreten. Tatsächlich strebt Serbien ein Freihandelsabkommen mit der EAWU an. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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