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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält die Pläne für nicht zeitgemäß.
© Fabrizio Bensch/Reuters

Ethnische Trennungslinien: Merkel will Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo verhindern

Die EU-Außenbeauftragte Mogherini befürwortet einen Gebietstausch zwischen Serbien und dem Kosovo, Merkel ist dagegen. Jetzt naht ein Gipfel in Berlin.

Wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am 29. April in Berlin zu einem Westbalkan-Gipfel einladen, dann dürften sich die Diskussionen vor allem um eine Frage drehen: Ist ein Gebietstausch zwischen Staaten entlang ethnischer Trennungslinien im 21. Jahrhundert noch ein geeignetes Mittel zur Befriedung von Konflikten? Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Kosovos Staatschef Hashim Thaci befürworten einen solchen Gebietstausch zwischen ihren Ländern, während Merkel strikt dagegen ist.

2008 hatte die ehemalige serbische Provinz Kosovo gegen den Willen Belgrads die Unabhängigkeit erklärt. Von einer Normalisierung in ihren Beziehungen sind beide Länder nach wie vor weit entfernt. Im vergangenen Herbst machten Vucic und Thaci den Vorschlag, die bislang ergebnislosen Normalisierungs-Gespräche zwischen beiden Ländern durch einen Gebietstausch voranzubringen. Dem Plan zufolge soll Serbien Gebiete im Nordkosovo erhalten, die von Serben bewohnt sind. Im Gegenzug sollen vorwiegend von Albanern bewohnte Dörfer im Süden Serbiens dem Kosovo zugeschlagen werden.

Schon damals, als die Staatschefs Serbiens und des Kosovo den Vorschlag machten, sprach sich Merkel klar gegen einen Gebietstausch aus. Die bestehenden Grenzen seien „unantastbar“, erklärte die Kanzlerin seinerzeit. Merkel befürchtet, dass eine neue Grenzziehung zwischen Serbien und dem Kosovo andernorts auf dem Balkan gefährliche Neuordnungen entlang ethnischer Grenzen heraufbeschwören könnte. So befeuert beispielsweise in Tirana Regierungschef Edi Rama großalbanische Fantasien – unter Einschluss der Albaner im Kosovo, in Serbien, Mazedonien und Montenegro.

Albaniens Regierungschef gehört auch zu denen, die neben den Gebietstausch-Verfechtern Vucic und Thaci von Merkel und Macron zum Abendessen im Kanzleramt am 29. April eingeladen sind. Darüber hinaus werden auch die Staats- und Regierungschefs der drei übrigen Westbalkan-Staaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro bei dem informellen Treffen erwartet. Auf der Gästeliste stehen zudem Kroatiens Premier Andrej Plenkovic und der slowenische Regierungschef Marjan Sarec.

Mit der hochrangigen Konferenz zeigt die Bundesregierung, dass sie in der Westbalkan-Politik auch weiterhin ein gewichtiges Wort mitreden will. Zwischenzeitlich hatte es Gerüchte gegeben, dass sich Macron, US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin alleine der Zukunftsfragen der Region bemächtigen würden, die in die EU strebt, aber gleichzeitig auch unter dem Einfluss Russlands, der Türkei und Chinas steht.

Unionsfraktions-Vize Wadephul kritisiert Mogherini

Teilnehmen an dem Abendessen in Berlin wird auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die Rolle der Italienerin ist umstritten. Denn sie war es, die als EU-Koordinatorin des Normalisierungsprozesses zwischen Serbien und dem Kosovo einem Gebietstausch zwischen beiden Ländern offen das Wort redete. Damit erntet sie in Berlin heftigen Gegenwind.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wird bei der Westbalkan-Konferenz in Berlin dabeisein.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wird bei der Westbalkan-Konferenz in Berlin dabeisein.
© Kenzo Tribouillard/AFP

Mogherini habe „die gefährlichen Gebietstauschpläne forciert“, lautet die Kritik des stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionschefs Johann Wadephul. „Es gibt absolut keine Garantie, dass Grenzänderungen oder Gebietstausch nur auf Serbien und Kosovo zu begrenzen sind“, sagte Wadephul dem Tagesspiegel. Ein Gebietstausch würde ihm zufolge „auf dem Westlichen Balkan einen Flächenbrand mit neuen Instabilitäten, auch ethnischen Konflikten und möglicherweise sogar mit kriegerischen Auseinandersetzungen auslösen“. Auch der Grünen-Osteuropaexperte Manuel Sarrazin vertritt die Auffassung: „Die Grenzen auf dem Westbalkan sind unantastbar. Ein Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo ist tabu und muss es bleiben.“

Offen ist vor dem Treffen Macrons Position

Beobachter erwarten nun, dass von dem gemeinsamen Abendessen im Kanzleramt am 29. April das Signal ausgeht, dass mit der EU trotz der Haltung der Außenbeauftragten Mogherini neue Grenzziehungen mit dem Ziel „ethnisch reiner“ Gebiete auf dem westlichen Balkan nicht zu machen sind. „Ethnische Probleme lösen wir im Europa des 21. Jahrhunderts durch ein kluge Minderheitspolitik und einen integrativen Politikstil“, fordert Unionsfraktions-Vize Wadephul.

Offen ist, mit welcher Position Macron in die Diskussion um die serbisch-kosovarischen Gebietstauschpläne geht. In Frankreich gibt es durchaus Sympathien für eine neue Grenzziehung. So erklärte der frühere Außenminister Bernard Kouchner im vergangenen September, dass der Gebietstausch eine „gute Lösung“ sei. Die internationale Staatengemeinschaft habe kein Recht, Vucic und Thaci reinzureden, erklärte Kouchner, der als Vertrauter des kosovarischen Staatschefs gilt.

Experte Reljic: Der Westbalkan fällt wirtschaftlich zurück

Der Balkan-Experte Dušan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht das Versagen der EU darin, jahrelang das Ausbluten der Mittelschicht und die Überalterung der Bevölkerung in den Westbalkan-Staaten nicht wahrgenommen zu haben. „Es gibt keine Konvergenz, sondern eine wachsende Divergenz zwischen der EU und den Westbalkan-Staaten“, sagt er. Das Versprechen der EU, dass sich mit der Heranführungsperspektive auch automatisch die Lebensverhältnisse in den Ländern des westlichen Balkan verbessern würden, habe sich zerschlagen.

Unter den sechs Westbalkan-Staaten können Serbien und Montenegro noch am ehesten mit einem EU-Beitritt rechnen. Im vergangenen Jahr stellte die EU-Kommission für beide Länder einen Beitritt im Jahr 2025 in Aussicht. In diesem Jahr will die EU-Kommission ihre Fortschrittsberichte für die Westbalkan-Staaten nicht im April veröffentlichen, sondern erst unmittelbar nach der Europawahl. So möchte die Brüsseler Behörde unliebsame Diskussionen über die Länder im Wartestand vermeiden, die in die Gemeinschaft drängen.

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