Delivery Hero geht an die Börse: Wie erfolgreich ist Berlins neues Milliardenunternehmen?
Delivery Hero krönt seinen Aufstieg durch den Börsengang. Doch ausgerechnet im deutschen Heimatmarkt kämpft der Lieferdienst mit Problemen.
Es ist eine illustre Reisegruppe, mit der Niklas Östberg unterwegs ist. Etwa 80 Leute hat der Chef von Delivery Hero mit nach Frankfurt am Main gebracht, um am Freitag den Börsengang des Lieferdienstes zu feiern. Zu Östbergs Begleitern gehören die Gründer zahlreicher Essenslieferplattformen, die das Berliner Start-up in den letzten Jahren zusammengekauft hat. Neben der eigenen Marke Lieferheld kam so beispielsweise der deutsche Marktführer Pizza.de aus Braunschweig hinzu. Für den führenden türkischen Lieferdienst Yemeksepeti zahlte die Gruppe gar eine halbe Milliarde Euro. So ist ein Unternehmen entstanden, das inzwischen in 40 Ländern weltweit auf Knopfdruck Pizza, Sushi oder Burger bringt. Fast 200 Millionen Bestellungen waren es im vergangenen Jahr, pro Minute schickt Delivery Hero 380 Pizzaboten auf den Weg. „Wir sind weltweit führend auf dem Markt für Online-Essensbestellungen“, sagt Östberg.
Lange auf Erfolg eines Berliner Start-ups gewartet
Nun will der gebürtige Schwede den Aufstieg des Unternehmens krönen. Es ist nicht nur der größte deutsche Börsengang des Jahres, sondern ein Ereignis, auf das Gründer und Investoren in Berlin schon seit Langem warten. Schließlich liegt es nun schon fast drei Jahre zurück, seit mit Zalando ein junges Internetunternehmen diesen Schritt gegangen ist. Delivery Hero gibt Aktien für fast eine Milliarde Euro aus. Die Nachfrage war sehr hoch,
der Preis liegt mit 25,50 Euro am oberen Ende der Spanne. Dadurch werden die Berliner mit 4,4 Milliarden Euro bewertet – immerhin etwa halb so viel wie die Dax-Konzerne Lufthansa oder ProSiebenSat1.
Doch ob das gerechtfertigt ist, muss Östberg erst noch beweisen. Denn während die ebenfalls börsennotierten Konkurrenten aus den USA und Großbritannien ansehnliche Gewinne erzielen, lag der Verlust von Delivery Hero 2016 bei 115 Millionen Euro. So mussten die Investoren mit immer neuen Finanzspritzen aushelfen, im Vorjahr lieh sich Östberg von Hauptaktionär Rocket Internet zudem Geld zu happigen Konditionen. Den Großteil der Einnahmen aus dem Börsengang nutzt das Start-up denn auch, um Schulden zurückzuzahlen.
Zahltag für Oliver Samwer
Für Rocket Internet ist dagegen endlich wieder Zahltag. Die Start-up-Schmiede der Samwer-Brüder hält inzwischen 35 Prozent an dem Lieferdienst und hat dafür unter anderem seine eigenen Bringdienste, die unter dem Namen Foodpanda in vielen Schwellenländern aufgebaut wurden, an Delivery Hero abgegeben. Nachdem sich der Börsenkurs von Rocket Internet seit Monaten im Tiefflug befindet, brauchen die Berliner dringend positive Nachrichten. Oliver Samwer hatte daher schon früher auf einen Börsengang gedrängt, doch Östberg ließ sich nicht unter Druck setzen.
Denn unter dem Dach von Delivery Hero baut er ein Gebilde, das in seiner Komplexität mit anderen Berliner Großbaustellen locker mithalten kann. Das zeigt sich schon am Eingang der Zentrale in der Oranienburger Straße, schräg gegenüber von der Synagoge. Die kann man schnell für den Sitz dubioser Briefkastenfirmen halten: Die Namen von gleich 50 Unternehmen sind mit kleinen weißen Zettelchen an den silbernen Briefkasten geklebt. Neben der Foodora GmbH oder dem britischen Ableger Hungryhouse, der an den dortigen Platzhirsch Just Eat abgegeben werden soll, gehören auch obskure Firmen wie Juwel 212 oder Jade 1343 dazu. Bevor Östberg Aktionäre in die Karten seines Firmengeflechts schauen lässt, mussten zumindest einige Grundmauern stehen. So gelang es über fast zwei Jahre nicht, die IT-Systeme von Lieferheld und Pizza.de zu vereinheitlichen. Erst als der frühere Technikchef von Rocket Internet im Vorjahr zu Delivery wechselte, wurde das Problem gelöst. Doch jede der gekauften Töchter hatte ihre eigene Technik entwickelt, nun muss IT-Chef Hardenberg die ursprünglich fast 30 Bestellplattformen weiter reduzieren.
Die deutschen Baustellen von Delivery Hero
Und ausgerechnet der deutsche Markt ist trotz einheitlicher Technik weiterhin die größte Baustelle. Mit einem Umsatz von 73 Millionen Euro ist es der größte und wichtigste Markt des Start-ups, vor Korea und der Türkei mit jeweils etwa 40 Millionen. Doch gerade hier im Heimatmarkt hat Erzrivale Lieferando die Nase vorn. Der Dauerkonkurrent hat sich das gerade sogar gerichtlich bestätigen lassen: Das Landgericht Hamburg untersagte den Berlinern am Dienstag per einstweiliger Verfügung, „zu behaupten, Delivery Hero nehme in Deutschland die Position Nr. 1 ein“. Man halte die Entscheidung für falsch und werde sich dagegen zur Wehr setzen, heißt es bei Delivery Hero. Das Unternehmen räumt auch ein, dass Lieferando in Deutschland vorn liegt, argumentiert aber Lieferheld und Pizza.de seien zusammen größer. Lieferando verweist dagegen beispielsweise auf Zahlen des Marktforschers GfK, nach denen 39 Prozent die eigene Marke kennen. Die beiden Verfolger kämen zusammen dagegen nur auf 17 Prozent.
Zudem liefern sich die Wettbewerber eine teure Marketingschlacht – mit begrenztem Nutzen. „Es ist schwer für uns, Kunden von unseren Konkurrenten abzuwerben“, räumt Jitse Groen, Chef der Lieferando-Mutter Takeaway ein. So streite man vor allem um Neukunden und da ist noch immer enormes Wachstumspotenzial. So bestellen 21 Prozent der Niederländer bei Takeaway, in Deutschland liege der Wert erst bei sechs Prozent.
Doch wenn ein Lieferdienst erst einmal einen Markt dominiert, ist das Geschäft enorm lukrativ. Es seien Gewinnmargen von bis zu 60 Prozent möglich, verspricht auch Delivery Hero seinen künftigen Aktionären. Das gilt jedoch für das klassische Geschäft mit der Vermittlung von Lieferungen, die die Restaurants selbst durchführen. Die Online-Plattformen kassieren dabei eine Gebühr von etwa 15 Prozent.
Foodora könnte es mit Amazon zu tun bekommen
Während die internationalen Konkurrenten sich darauf konzentrieren, baut Delivery Hero jedoch auch den eigenen Lieferdienst Foodora massiv aus. Dabei transportieren die pink gekleideten Fahrradkuriere das Essen für Restaurants, die sonst nicht liefern. Ob sich das auf Dauer rechnet, ist freilich die große Unbekannte. 5000 Fahrer beschäftigen die Berliner, doch ausgelastet sind die nur zu den Stoßzeiten Mittags und Abends. Zudem protestieren die Fahrer - wie am Mittwoch in Berlin - auch immer wieder über die Arbeitsbedingungen.
45 Millionen Euro betrug der Umsatz von Foodora im Vorjahr, doch mit einem Minus von 58 Millionen entfiel ein Großteil des Verlustes auf die Fahrradtruppe. Mit Deliveroo gibt es zudem einen mächtigen Konkurrenten, mit dem sich Foodora einen harten Kampf um die Kunden liefert. Zudem drängen auch Uber und Amazon in das Geschäft. Der Fahrdienst überlegt, seinen Service Uber Eats auch in Deutschland zu testen. Und auch der Online-Handelsriese bietet in allen großen US-Metropolen mit "Amazon Restaurants" schon einen Lieferservice für Lokale. Beide haben ungleich mehr Kapital zur Verfügung, zudem können sie die Essenslieferungen mit anderen Logistikdiensten kombinieren und so effizienter agieren. Ob Östberg da bestehen kann, muss er nun beweisen.