Börsengang von Vapiano: Wie sich Fast Food weiterentwickelt
Restaurantketten wie Vapiano sind die nächste Evolutionsstufe des Fast Food – und immer beliebter. Der Vorreiter geht heute an die Börse.
Das futuristischste Restaurant Deutschlands versteckt sich in einem Hinterhof am Hackeschen Markt. Früher war hier das Pan Asia, vor einem halben Jahr hat der bekannte Berliner Clubmacher und Gastronom Heinz Gindullis, den eigentlich alle nur Cookie nennen, das Data Kitchen eröffnet. Neben der Bar befindet sich eine große Wand mit verglasten Boxen, deren Scheiben sehen aus wie schwarze Bildschirme, auf denen helle Linienmuster tanzen. Darin stecken gebeizter Lachs mit Kimchisalat oder ein Salatteller mit alten Sorten, die Teufelspitzen oder Mäuseohren heißen. Bestellen kann man die Gerichte allerdings nur vorab per App oder im Internet. Kunden wählen dabei gleich die gewünschte Zeit aus, dann ploppt auf dem Smartphone eine kurze Nachricht auf, wenn das Essen abholbereit ist. Die Scheibe der entsprechenden Box wird transparent und zeigt den Namen des Bestellers, ein Fingerdruck auf der App öffnet die Tür.
„Das Konzept geht auf“, sagt Cookie, „man muss nicht auf den Kellner und die Rechnung warten und hat mehr Zeit für sich“. Gerade in der Mittagszeit sei die Auslastung gut. Und genau auf diese Kundschaft ist das Restaurant ausgelegt, daher ist auch nur bis 17 Uhr geöffnet. Der Chef des Data Kitchen ist überzeugt davon, dass man solche Technologien künftig öfter sehen wird. „Das wird sich durchsetzen“, sagt Cookie. Gerade für eilige Mittagskunden. In den Niederlanden und Japan sind verschiedene Typen von Automatenrestaurants schon jetzt verbreitet. Und in den USA sorgt das Unternehmen Eatsa für Aufsehen. Die Kette betreibt bereits sieben ähnliche Restaurants, unter anderem in San Francisco, New York und Washington D.C. Auch dort gibt es eine Wand mit Abholboxen statt Kellnern, man kann jedoch auch an Terminals vor Ort ordern.
Das Fast-Food-Restaurant entwickelt sich weiter
Solche digitalen Bestellstationen führt sogar McDonald’s seit Kurzem in großem Stil ein und auch andere Anbieter ersetzen Speisekarten mit Tablets und Displays, auf denen direkt bestellt und bezahlt werden kann. Es ist die nächste Evolutionsstufe von Fast-Food-Restaurants, die in den letzten Jahren ohnehin schon eine enorme Entwicklung durchlaufen haben.
Das beste Beispiel dafür ist Vapiano, die 2002 in Hamburg gestartete Pizza- und Pastakette, die am Dienstag an die Börse gehen will. 200 Millionen Euro soll der Börsengang einbringen. Für Gründer Gregor Gerlach und frühere Geldgeber wie die Wella-Erben Hans-Joachim und Gisa Sander ist Zahltag, zudem kommt so neues Kapital ins Unternehmen, um noch mehr Vapiano-Läden zu eröffnen. 185 gibt es bereits, davon 74 in Deutschland. Doch selbst in Kiew, Kairo und Kuwait findet man die deutschen Italiener. Bis Ende 2020 will Firmenchef Jochen Halfmann die Zahl auf 330 steigern, allein hierzulande sollen noch einmal fast 50 Filialen hinzukommen.
Der Erfolg von Vapiano ist erstaunlich, Pizzerien und Nudelläden gibt es schließlich auch in Deutschland seit Jahrzehnten. Doch die Gründer erfanden eine moderne Variante: Statt auf Italosouvenirs und Höhlenoptik setzten sie auf Designermöbel. Dadurch und mit moderner Technik gelingt es Vapiano auch, selbst Besserverdienern das Selbstbedienungskonzept schmackhaft zu machen.
Denn auch Vapiano kommt ohne Kellner aus. Der Kunde bekommt eine Chipkarte, auf der die Bestellungen gespeichert sind und ein kleines Kästchen, das vibriert, wenn die Pizza abholbereit ist. Für Pasta müssen Vapiano-Kunden sogar Schlange stehen, dafür können sie zuschauen, wie die Nudeln am Kochtresen zubereitet werden. Das Konzept polarisiert. „Die pseudomediterrane Sättigungsfabrik ist sehr beliebt bei Menschen, die sich zu fein für McDonald’s, aber zu geizig für anständige Restaurants sind“, ätzte beispielsweise der Dschungelcamp-Autor Micky Beisenherz über die „Pastavorhölle“, prompt protestierten unzählige empörte Vapiano-Fans.
Gäste gaben in Vapiano-Restaurants 2016 eine halbe Milliarde Euro aus
Wirtschaftlich sind die neuen Schnellrestaurants jedenfalls ein enormer Erfolg. Knapp 250 Millionen Euro Umsatz erzielte Vapiano 2016 in den eigenen Läden. Rechnet man die Einnahmen der Franchisenehmer dazu, gaben die Gäste in Vapiano-Restaurants fast eine halbe Milliarde Euro aus. Das lockt auch andere Unternehmer. So investierte Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in einen Vapiano-Klon, der Vialino heißen sollte. Nach Protesten änderten die Macher den Namen in Tialini. Mit vier Standorten in Süddeutschland ist die Präsenz jedoch noch überschaubar.
Anders als bei L’Osteria, einer weiteren Italo-Kette, hinter der frühere Vapiano-Manager stecken. 64 Filialen betreiben sie bereits, neun weitere sollen in nächster Zeit eröffnen, darunter drei in Berlin. Doch es gibt auch ganz neue Ansätze, wie die Kette Dean & David. Mit Salaten oder Wraps wächst das 2007 gestartete Unternehmen rasant: „Wir peilen zum Jahreswechsel 100 Stores an“, erklären die Münchner.
Insgesamt wächst die Systemgastronomie seit Jahren stärker als der Gesamtmarkt. Fast 13 Milliarden Euro setzten die 100 größten Restaurantketten im Vorjahr in Deutschland um. „Jeder dritte Euro in der Gastronomie landet heute in einem Betrieb der Systemgastronomie“, heißt es im Jahresbericht des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. Einen großen Anteil daran haben die gehobenen Schnellrestaurants, die das Grundkonzept des Pioniers McDonald’s übernommen und in feineres Ambiente übertragen haben.
Auf das Ambiente kommt es an
Das beste Beispiel ist die Burgerkette Hans im Glück, wo die Restaurants mit Birkenstämmen dekoriert werden. Auf der Speisekarte stehen auch verschiedene vegetarische und vegane Burger, als weitere Belege gibt es neben Salat und Tomate auch gebratene Birne oder Ziegenkäse mit Feigenmarmelade. Gründer Thomas Hirschberger hat damit den Burgerboom der letzten Jahre geschickt aufgegriffen. In allen Metropolen haben viele kleine Burgerbrater eröffnet, manche wie Schillerburger oder Kreuzburger aus Berlin haben auch lokale Ableger.
Doch in so großem Stil wie Hirschberger hat keiner auf Expansion gesetzt. Hans im Glück betreibt bald 50 Filialen in Deutschland. Dabei setzte die Kette wie eigentlich alle Systemgastronomen auf ein Franchisemodell: Dabei können Partner eigene Läden im gleichen Erscheinungsbild öffnen und zahlen dafür Gebühren an die Zentrale. Mit einem der Franchisepartner gab es allerdings Anfang vorigen Jahres Streit, dadurch wurden auch die Berliner Filialen geschlossen. Der frühere Partner gründete daraufhin eine neue Burgerkette namens Peter Pane. Die kommt inzwischen auch schon wieder auf 17 Filialen und erzielte im Vorjahr immerhin 31 Millionen Euro Umsatz.
Die neue Konkurrenz bekommt auch McDonald’s zu spüren. Der ewige Zweikampf mit Burger King hat sich zu einem veritablen Mehrkampf entwickelt. Der Fast-Food-Erfinder reagiert mit zahlreichen Neuerungen. Zum einen wurden die sogenannten Signature-Burger eingeführt, um die gestiegenen Ansprüche der Kunden zu befriedigen. Zudem werden die Restaurants umgebaut, bis Jahresende soll es ein Drittel der 1500 Läden sein. Sie bekommen Bestellterminals, das Essen wird dann an den Tisch gebracht.
Die Qualität des Essens muss stimmen
Ob das Data Kitchen auch an anderen Orten Ableger eröffnet, ist noch offen. „Das ist durchaus eine Option“, sagt Cookie. Eine Entscheidung stehe aber noch aus und müsse zudem gemeinsam mit SAP getroffen werden. Denn das Konzept hat er gemeinsam mit dem Softwarekonzern entwickelt, der es als Teil seiner Hauptstadtrepräsentanz nutzt. Und noch aus anderen Gründen ist es nicht so leicht zu klonen wie andere Gastronomiekonzepte. Der Küchenchef hat zuvor in der Sterneküche gearbeitet, Zutaten wie die ausgefallenen Salate kommen von einem speziellen Bauern aus der Umgebung. „Wenn man aus einem kleinen Laden eine Kette macht, gibt es immer Qualitätsverluste“, sagt Cookie. Daran kann auch die neueste Technologie nichts ändern.
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