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Oliver Samwer, Chef des Unternehmens Rocket Internet, trimmt seine Beteiligungen auf Profitabilität.
© dpa

Rocket Internet: Samwers Firmen machen nur 356 Millionen Verlust

Rocket Internet reduziert die Verluste der wichtigsten Beteiligungen. Das Minus der Firma selbst steigt dagegen drastisch.

Lange galt Oliver Samwer als der König Midas der deutschen Gründer. Vom Ebay-Klon Alando über den Klingeltonanbieter Jamba bis zu Zalando: Reihenweise vergoldete Samwer seine Gründungen. Doch ausgerechnet seit seinem größten Coup, dem Börsengang von Rocket Internet, sind die Zweifel an Samwers Geschick gewachsen. Während die Börsen weltweit neue Rekordhöhen erklimmen, ist die Rocket-Aktie von einst 55 Euro auf 16 Euro abgestürzt. Im Februar hatte der langjährige Partner und Großaktionär Kinnevik überraschend angekündigt, die Hälfte seiner Anteile zu verkaufen.

Rocket macht Rekordverlust von 742 Millionen Euro

Mit der Präsentation der Jahreszahlen am Dienstag wollten die Berliner beweisen, dass es bei Rocket wieder aufwärts geht. „Das letzte Jahr war von großem Wachstum geprägt“, eröffnete Peter Kimpel, Chief Financial Officer von Rocket Internet, selbstsicher die telefonische Pressekonferenz. Tatsächlich, der gemeinsame Umsatz der größten Rocket-Beteiligungen stieg um eine halbe Milliarde auf 2,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig fuhr die Firma selbst allerdings einen Rekordverlust von 742 Millionen Euro ein.

Entscheidend ist jedoch, dass Rocket dem Ziel näher gekommen ist, bei den wichtigsten Beteiligungen die Verluste zurückzufahren. So konnte das operative Minus (EBITDA) der wichtigsten Unternehmen im Jahresvergleich von 590 auf 356 Millionen Euro reduziert werden.

Lieferheld & Co. verkaufen 2,3 Milliarden Gerichte

„Auf dem Weg zu schwarzen Zahlen zeigen viele Portfolio-Unternehmen sehr gute Fortschritte“, sagt auch Lucas Boventer, Analyst bei Warburg Research. Nachdem es bei manchen Unternehmen schon Zweifel am Geschäftsmodell gab, habe beispielsweise Westwing, ein Online-Versender von Einrichtungsgegenständen, gezeigt, dass das Geschäft profitabel betrieben werden könne.

Die positive Entwicklung der Rocket-Bilanz wurde vor allem durch Delivery Hero, Hello Fresh und die Global Fashion Group angetrieben. Delivery Hero, in Deutschland vor allem bekannt für ihre Tochterunternehmen Pizza.de, Foodora und Lieferheld, konnte seinen Umsatz auf 300 Millionen Euro steigern. Insgesamt 2,3 Milliarden Gerichte wurden 2016 über die verschiedenen Lieferplattformen der Gruppe verkauft.

Das stärkste Wachstum verzeichnete Hello Fresh, ein Lieferant für Kochboxen inklusive Rezepten, dessen Umsatz sich auf 597 Millionen Euro fast verdoppelte.

Den höchsten Erlös erzielte die Global Fashion Group mit einer guten Milliarde Euro, knapp 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Holding bringt das Zalando-Modell in Schwellenländer. Obwohl die Global Fashion Group das Umsatzwachstum von Rocket antrieb, war sie zugleich der Grund für den laut Rocket „insgesamt eindeutig enttäuschenden“ Verlust des Rocket-Mutterschiffs. Das Minus stieg von knapp 200 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 741 Millionen. Die Verluste kamen vor allem durch Abschreibungen zustande, weil der Firmenwert der Global Fashion Group in einer neuen Investorenrunde letztes Jahr überraschend von 2,8 Milliarden Euro auf eine Milliarde abgewertet wurde.

Rocket stehen 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung

Dennoch habe Rocket derzeit keinerlei Kapitalprobleme, versicherte Samwer. Rocket stünden 1,5 Milliarden Euro Wachstumskapital zur Verfügung. Die Firma hat angekündigt, noch dieses Jahr drei ihrer Firmen in den profitablen Bereich zu bekommen und eine an die Börse zu bringen. Welche das sein sollen, ließ Samwer weiterhin offen. Nachdem Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg am Montag gesagt hatte, man prüfe „verschiedene Finanzierungsoptionen, einschließlich eines potenziellen Börsengangs“, gilt die Liefergruppe derzeit als heißester Kandidat. „Ich gehe fest davon aus, dass Delivery Hero 2017 an die Börse geht“, sagt ein Branchenkenner.

Rocket räumte in ihrem Jahresbericht auch ein, dass die Zahl der Mitarbeiter in der Zentrale von 425 auf 276 gesunken ist. Ende 2016 hatte das Unternehmen entsprechende Berichte noch dementiert. Die Rocket-Firmen hätten einen niedrigeren Supportbedarf. Zudem haben einige Mitarbeiter zu bereits existierenden oder neu gegründeten Rocket-Unternehmen gewechselt. Es sei für die Firma aber generell nicht bedeutsam, wie die Zahl der Mitarbeiter zwischen 150 und 400 in der Zentrale schwankt. Wichtig sei, sie an der richtigen Stelle einzusetzen.

Rocket hat 2016 acht Firmen neu gegründet. „Dieses Jahr gründen wir vielleicht fünf“, sagte Samwer. Auf die Rückfrage, ob das bedeute, man schaffe nicht mehr so viele Neugründungen, antwortete er, dass die Qualität der Geschäftsmodelle das Wichtigste sei, nicht die Zahl der Gründungen.

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