Tee-Start-up Fitvia: Wie dieser Gründer aus 500 Euro eine 50-Millionen-Firma machte
Sebastian Merkhoffer gründete Fitvia im Wohnzimmer seiner Eltern. Er baute seinen Tee-Versand mit einer Marketing-Strategie auf, die damals noch niemand kannte.
Am Anfang hatte Sebastian Merkhoffer nicht mehr als eine Idee. Und 500 Euro. Und auch die waren nur geliehen, von seinen Eltern. Das war 2014. Fünf Jahre später hat der 29-Jährige aus diesem violetten Geldschein ein Unternehmen gemacht, dessen Wert mit 50 Millionen Euro taxiert wird. Und einige dieser Millionen sind in der vergangenen Woche in seine Tasche geflossen, denn Merkhoffer hat sein Unternehmen namens Fitvia gerade an Dermapharm verkauft. 70 Prozent der Anteile gehören jetzt dem Pharmakonzern aus Grünwald bei München. Wie hat er das geschafft?
Die Geschichte von Fitvia beginnt im hessischen Taunusstein, im Wohnzimmer von Merkhoffers Eltern. Der studierte Wirtschaftsinformatiker und Betriebswirt hatte zu diesem Zeitpunkt keine eigene Wohnung – wegen der Studiengebühren – und suchte nach einer Geschäftsidee.
„Ich habe schon immer selbst viel Tee getrunken“, erzählt er. „Vor Klausuren, nach dem Sport.“ Und ihm fiel auf, dass alle Tee-Produkte auf dem Markt ein eher altes, verstaubtes Image pflegten. Von Innovationen oder neue Produktideen keine Spur. Da hatte er seine Geschäftsidee: Tee in cool. „Ich wollte bei meinem Produkt zwei Aspekte des Tees in den Vordergrund rücken: Die gesundheitliche Wirkung und ein junges, trendiges Image“, erklärt er.
"Es hat im ganzen Haus nach Tee gerochen"
Doch wie fängt man an, wenn man Tee im Internet verkaufen will? In Merkhoffers Fall mit der ganzen Familie. „Meine Schwester hat das Design entworfen, meine Mutter hat im Wohnzimmer mit mir den Tee abgefüllt“, blickt er zurück. Er habe verschiedene Teesorten vom Großmarkt geholt, nach seinen Vorstellungen gemischt und in die eigene Verpackung gefüllt. „Es hat im ganzen Haus nach Tee gerochen“, erzählt er. „Wir haben die Pakete dann jeden Tag zu Fuß zur Post gebracht, bis wir irgendwann ein Auto dafür brauchten.“
Denn die Nachfrage stieg schnell an. Nach eigenen Angaben war Fitvia schon nach vier Wochen profitabel. Tatsächlich hat Merkhoffer mit dem Tee-Markt ein wachsendes Geschäftsfeld zum genau richtigen Zeitpunkt entdeckt. Lag der Jahresumsatz mit Tee in Deutschland in den Jahren vor 2014 immer im Bereich zwischen 530 und 550 Millionen Euro, stieg er seitdem deutlich an. 2018 lag er bei 649 Millionen Euro, in vier Jahren sollen es bereits 723 Millionen sein. Interessant ist, dass der Absatz dabei stets konstant bei 26 Millionen Tonnen Tee blieb und bleiben soll. Das bedeutet, die Deutschen sind bereit, immer mehr für ihren Tee auszugeben.
Diese Entwicklung geht genau auf den Trend zurück, den Merkhoffer 2014 erahnt hat. Tee wurde in den vergangenen Jahren jünger und hipper. „Getränke mit Tee präsentieren sich als ready-to-drink Tea aus der Flasche und passen perfekt zum urbanen Lebensstil junger Menschen“, sagte auch Maximilian Wittig, Geschäftsführer des Deutschen Teeverbandes angesichts der jüngsten Geschäftszahlen. Aus seiner Sicht ist Tee gefragter denn je „besonders in Form von Getränken mit Tee, die gerade der jungen Szene auf der Suche nach dem heißesten Trend Erfrischung bieten“.
Doch um von dieser Entwicklung profitieren zu können, musste Merkhoffer es zunächst schaffen, dass überhaupt irgendjemand davon erfährt, dass in einem Wohnzimmer in Taunusstein Tee abgefüllt wird. Und so entwickelte er eine Marketingstrategie, die damals noch relativ neu war.
Influencer-Marketing, als es noch neu war
„Ich brauchte Reichweite“, beschreibt er sein Vorgehen. Er resümierte: Anzeigen bei Google und Facebook kosten viel Geld. Doch auf Instagram gibt es viele Personen mit vielen Fans. Warum also nicht deren Reichweite nutzen? „Instagramern mit ein paar Tausend Followern reichte damals häufig ein paar Gratis-Exemplare als Bezahlung für die Platzierung in einem Post“, erzählt er.
Also bat er einige von Ihnen, doch seinen Tee auf ein Foto zu nehmen. Er setzte dabei auf Gesichter aus dem Fernsehen, etwa von „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Berlin Tag und Nach“. Mit Erfolg. Nach jedem Post merkte er, wie die Bestellungen bei ihm in die Höhe gingen. Merkhoffer hatte das Influencer-Marketing entdeckt, noch bevor es zu einem eigenen Geschäftszweig wurde.
Heute ist das ganze professionalisiert. Zwar sei Instagram noch immer der wichtigste Marketingkanal, sagt Merkhoffer. Daneben nutze er aber auch alle anderen Marketing-Aktivitäten von Facebook über Snapchat bis hin zur Bestandskundenpflege. Ob sein Vertriebsmodell weniger Anklang findet, seit Influencer ihre bezahlten Posts als Werbung kennzeichnen müssen? „Die Erfahrung zeigt nach rund einem Jahr, dass sich durch Kennzeichnung überhaupt nichts ändert“, meint der Gründer. „Ich denke, dass die Follower auch davor schon wussten, dass für solche Posts Geld gezahlt wird. Da ändert der Hinweis „Ad“ nichts mehr dran.“
Inzwischen hat Fitvia 65 Mitarbeiter und ist in sechs weiteren europäischen Ländern aktiv. Auch hier arbeitet Merkhoffer mit einheimischen Influencern zusammen. Über den Tee hinaus hat er andere Produkte, die zu einem gesundheitsbewussten Lifestyle passen, ins Sortiment genommen, wie Müsli oder Nahrungsergänzungsmittel. Damit will Fitvia 2019 rund 20 Millionen Euro umsetzen.
Der Verkauf an Dermapharm soll dabei die nächste Entwicklungsstufe einleiten. „Dermapharm hat eine eigene, große Entwicklungsabteilung, eigene Werke“, beschreibt Merkhoffer seine Beweggründe für den Deal. Hier könne Fitvia noch mehr eigene Produkte herstellen. „Auch in Bereichen wie Logistik oder Buchhaltung kann uns die Erfahrung von Dermapharm bei der Skalierung helfen.“
Das Familienunternehmen, das auf patentfreie Haut- und Allergiemedikamente spezialisiert ist, wiederum könne von Fitvias modernen Vertriebskanälen profitieren. Merkhoffer bleibt jedenfalls trotz des Verkaufs an Bord und möchte sein Unternehmen weiter wachsen sehen. „Zusammen mit Dermapharm könnten wir zum Beispiel den asiatischen Markt ins Visier nehmen“, meint er. Damit hätte es sein Tee dann endgültig aus dem elterlichen Wohnzimmer in die ganze Welt geschafft.