Die Folgen der Corona-Pandemie: Wie die Wirtschaftskrise die Welt spaltet
Die Pandemie belastet die Wirtschaft in fast allen Ländern. Doch manche kommen besser durch als andere. Das spaltet die Staatengemeinschaft – und Europa.
Wenn alles gut geht, könnte die Welt nach dieser Krise eine bessere sein. So sieht es Christine Lagarde, die sich als Optimistin beschreibt. Investieren die Länder der Eurozone jetzt an den richtigen Stellen, argumentierte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) diese Woche, könne die Wirtschaft durch Corona grüner und digitaler werden. Lagarde warnt allerdings auch: Regierungen dürfen ihre Rettungsprogramme nicht zu früh herunterfahren. Zu groß ist die Gefahr, dass die Wirtschaft mit steigenden Coronazahlen erneut einbricht. Zu fragil ist die derzeitige Erholung.
Das zeigen auch die Prognosen, die Ökonomen in diesen Tagen reihenweise vorlegen. Mit Ausnahme von China wird die Wirtschaft in diesem Jahr in keinem der großen Staaten wachsen, sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) voraus. Ausgerechnet das Land, in dem die Krise ihren Ursprung nahm, lässt sie besonders schnell hinter sich. Um fast zwei Prozent könnte die Wirtschaft in China in diesem Jahr wachsen, meinen die Experten aus Washington (siehe Kasten unten). In den großen Industriestaaten hingegen wird sie um fast sechs Prozent einbrechen.
Deutschland kommt noch vergleichsweise gut weg
Das zeigt, wie unterschiedlich hart die Coronapandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen die einzelnen Länder schon jetzt treffen. So teilt sich die Welt langsam in Staaten, die diese Wirtschaftskrise einigermaßen wegstecken und solche, die mit ihr noch Jahre zu kämpfen haben werden. Selbst innerhalb von Europa gibt es große Unterschiede.
Während der IWF für Deutschland in diesem Jahr von einem Wirtschaftseinbruch von sechs Prozent ausgeht, fällt die Krise in Spanien mehr als doppelt so schlimm aus. Auch in Frankreich und Italien bricht die Wirtschaft den Prognosen zufolge sehr viel stärker ein als hierzulande.
Europa droht damit wirtschaftlich weiter auseinanderzudriften. Zum einen hängt das mit der Zahl der Infektionen zusammen. Länder mit besonders vielen Coronafällen mussten bereits im Frühjahr härtere Maßnahmen ergreifen. So hat der erste Lockdown in Frankreich zum Beispiel nicht nur länger gedauert, er hat auch mehr Branchen erfasst. Während hierzulande etwa auf dem Bau selbst im April und Mai weiter gewerkelt wurde, standen im Nachbarland zwei Drittel der Arbeiten still.
Zum anderen ist in dieser Krise aber auch die Wirtschaftsstruktur eines Landes entscheidend. Je mehr es von personennahen Dienstleistungen wie dem Tourismus abhängig ist, desto stärker fällt der Einbruch aus. Das gilt zum Beispiel für Griechenland, für das der IWF in diesem Jahr mit einem Minus von 9,5 Prozent rechnet.
Spanien trifft die Krise gleich doppelt
Besonders schlimm dran sind Länder, die sowohl unter einem langen Lockdown gelitten haben, als auch stark vom Tourismus abhängen – wie Spanien. Mit einem Wirtschaftseinbruch von fast 13 Prozent trifft die Krise das Land so hart wie kein anderes im Euroraum. Erschwert wird die Lage dort zusätzlich dadurch, dass das Land viele Kleinunternehmer hat, von denen die meisten kaum oder keine Rücklagen besitzen. Gerade für junge Spanier sind das keine guten Aussichten: Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie lag die Jugendarbeitslosigkeit bei über 40 Prozent.
Und: Während die Erholung in Deutschland vergleichsweise schnell gehen könnte, zieht sie sich in Spanien hin. Die Bundesrepublik könnte Ende 2021 das Vorkrisenniveau erreichen, in Spanien soll das frühestens 2023 der Fall sein. Das hat Folgen. Denn je mehr und je länger Menschen arbeitslos sind, desto größer ist der langfristige Schaden für ein Land. Zwar kehren die Jobs in der Regel irgendwann zurück – doch dauert das zu lange. Zu viele Arbeitslose büßen ihre Fähigkeiten ein, verlieren den Anschluss in ihren früheren Berufen. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass sie selbst dann arbeitslos bleiben, wenn die Wirtschaft wieder anspringt.
„Die Pandemie hat die strukturellen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden der Eurozone vergrößert“, sagte Lena Komileva, Chefvolkswirtin der Beratungsfirma G+ Economics, kürzlich der „Financial Times“. Sie betonte vor allem die Folgen, die das für die Geldpolitik hat. Denn je stärker sich die Länder der Eurozone auseinanderentwickeln, desto schwieriger wird es für die EZB, eine Geldpolitik zu finden, die zu allen passt. Aktuell ist das zwar noch kein Thema – die Zentralbank verharrt im Krisenmodus. Doch den zum richtigen Zeitpunkt zu beenden, ist in einer so diversen Eurozone heikel.
Vielen Ländern fehlt der finanzielle Spielraum
Dazu kommen die Spuren, die eine solche Krise in den Staatsfinanzen hinterlässt. Je größer der Wirtschaftseinbruch ausfällt und je länger die Erholung dauert, desto mehr belastet das den Staat: Ihm fehlen die Steuereinnahmen, während er dringend mehr Geld ausgeben müsste, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ein Problem bekommen werden damit in Europa vor allem Italien und Griechenland, wo die Staatsverschuldung in diesem Jahr bereits auf 160 beziehungsweise 196 Prozent der Wirtschaftskraft steigen könnte. Zum Vergleich: Deutschland steht mit einem Anstieg auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einigermaßen gut da. Entsprechend viel Spielraum hat die Bundesrepublik – und entsprechend eingeschränkt ist die Handlungsfähigkeit von Ländern wie Italien oder Griechenland.
Und ihre Lage könnte sich weiter verschlimmern, wenn zu der Wirtschaftskrise auch noch eine Finanzkrise kommen sollte. Diese Gefahr besteht zum einen, wenn viele Unternehmen pleitegehen und die Banken die Kreditausfälle nicht mehr verkraften können. Zum anderen kann es dazu aber auch kommen, wenn die Geldhäuser besonders viele Staatsanleihen ihres eigenen Landes halten und die auf einmal nichts mehr wert sind. In Deutschland oder Frankreich ist das kein Problem, hier halten die Banken nur eingeschränkt Bundespapiere. Anders sieht das in Spanien oder Portugal aus, wo die Banken an die 20 Prozent der Staatsanleihen halten. Im Osten Europas soll der Anteil laut Daten der Ratingagentur Standard & Poors sogar bei an die 50 Prozent liegen. Müssen die Banken dann einen großen Teil der Staatsanleihen abschreiben, kann das die Institute in die Krise stürzen. Das belastet dann wiederum die Unternehmen, die keine Kredite mehr bekommen. Die Krise verstärkt sich so selbst. Einen „Doom Loop“ nennen das die Experten.
Noch wollen Entscheider wie EZB-Chefin Lagarde solch ein Szenario nicht an die Wand malen. Sie versucht es lieber mit Ratschlägen: Start-ups fördern, öffentliche Gelder in Bereiche wie Klima und Digitalisierung stecken und in Weiterbildung der Arbeitskräfte investieren. Lagarde ist überzeugt: „Dann entstehen neue Unternehmen und neue Jobs.“
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