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Vegane Produkte an der Veganz-Kasse. Die Supermärkte in Frankfurt und München sind schon zu. Bei anderen ist die Zukunft ungewiss.
© picture alliance / dpa

Vegane Lebensmittel: Wie die Veganz-Supermärkte sich selbst abschafften

Nur die drei Läden in Berlin bleiben offen. Die Konkurrenz von Edeka und Co ist zu groß - jetzt, wo vegane Produkte überall zu kaufen sind.

Hämisch kommentierten bekennende Vegan-Kritiker die Meldungen der vergangenen Woche. „Veganz meldet Insolvenz an“, berichteten einige Medien. Das Unternehmen galt als Vorreiter für Produkte ohne tierische Inhaltsstoffe, ihr Gründer Jan Bredack als Pionier der Branche. 2013 hatte er angekündigt, bis 2016 20 Filialen im europäischen Ausland zu planen. Und nun Insolvenz?

„Bullshit“ und „Fake News“ hieß es auf der Facebook-Seite des Unternehmens. In einer offiziellen Stellungnahme erklärte Bredack, dass die Marke Veganz nicht betroffen sei, sondern nur die Supermärkte. „Unsere Filialen sind sowohl vom Umsatz als auch von der Bedeutung deutlich ins Hintertreffen geraten“, sagt der ehemalige Daimler-Manager, der quasi über Nacht zum Vegetarier wurde. 2008 erlitt Bredack ein Burn-out, danach veränderte er radikal sein Leben. Die Gründung von Veganz war Ausdruck dieses Wandels.

Fleischproduzenten steigen in die Branche ein

Doch nun schließen die Märkte. München und Frankfurt sind schon zu. Die Zukunft in Leipzig, Wien, Essen und Hamburg ist ungewiss. Sicher bleiben nur die Berliner Filialen in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg, die zu Flagshipstores umgebaut werden.

Tatsächlich war Bredacks Unternehmen im vergangenen Jahr sehr erfolgreich. In den letzten zwei Jahren hat Veganz seinen Schwerpunkt verlagert – weg von den eigenen Supermärkten hin zu eigenen Produkten. Damit reagierte Bredack auf einen Trend, den er selbst verstärkt hat. Vegane Produkte waren immer mehr im klassischen Handel zu finden. Spätestens mit dem Einstieg von Fleischproduzenten wie Rügenwalder Mühle und Wiesenhof in die fleischlose Produktwelt standen die Pioniere der Branche vor neuen Herausforderungen.

"Veganismus folgt keinem religiösen Reinheitsgebot"

Auch Sebastian Joy vom Vegetarierbund Deutschland (Vebu) beobachtet die Veränderungen in der Branche. „Die Kleinen sind von ihrem eigenen Erfolg überrascht worden“, erklärt er. Nicht allen gefiel die plötzliche Popularität. Als der Vebu begann, auch mit Fleischproduzenten zusammenzuarbeiten und deren Produkte auszuzeichnen, traten Mitglieder aus dem Bund aus. Joy findet das zu übereifrig. „Es macht keinen Sinn, die Produktpalette so weit zu verkleinern“, sagt er. „Veganismus folgt keinem religiösen Reinheitsgebot. Ein Produkt kann vegan sein, auch wenn in der gleichen Fabrik Fleisch verarbeitet wurde.“

Der Konsum von Fleischalternativen ist stetig gestiegen. Im Jahr 2015 wuchs der Markt der vegetarischen und veganen Lebensmittel auf 454 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahr war das mehr als eine Verdopplung der Umsätze. „Die Fleischalternativen sind oft Einstiegsprodukte“, sagt Joy. Laut einer aktuellen Befragung leben 1,3 Millionen Menschen in Deutschland vegan. Im vergangenen Jahr waren es eine Million. Trotzdem ist der Anteil der Veganer in der gesamten Bevölkerung relativ gering. Bei den 18- bis 39-Jährigen liegt er bei zwei Prozent, bei den Über-40-Jährigen bei unter einem Prozent. Insgesamt leben ein Prozent der Deutschen vegan, rund zwei Prozent ernähren sich vegetarisch.

Vitamin B12 gibt es auch in pflanzlichen Produkten

Im Jahr 2015 erwirtschaftete Veganz einen Umsatz von 23 Millionen Euro. Die Marke Veganz ist mittlerweile in 7000 Märkten in ganz Europa zu finden. Dabei sind seine beliebtesten Produkte nicht Fleischersatzprodukte, sondern vegane Kekse, Schokolade und Riegel.

Warnungen von Ernährungswissenschaftlern, dass ein veganer Lebensstil zu Mangelernährung, gerade bei Kindern führen könnte, tut er ab. „Zwei meiner Kinder haben schon vor ihrer Geburt vegan gelebt“, sagt er. Nur bei Vitamin B12 müsse man aufpassen. Das sei mittlerweile aber in vielen pflanzlichen Produkten mit verarbeitet. „Es gibt Veganer, die das mit dem Vitamin B12 locker nehmen“, gibt Joy zu. Die Warnungen vor Mangelernährung seien aber in neuen Studien widerlegt worden. Während in Deutschland die Ernährungsverbände vor allem bei Schwangeren und Kindern von einer veganen Ernährung abraten, hat die Amerikanische Gesellschaft für Diätetik und Ernährung im Dezember eine Stellungnahme veröffentlicht. Dort heißt es: Die vegane Ernährung ist für alle Lebenslagen geeignet.

Der neue vegane Trend: Hanf

Dabei zählen nicht die Veganer, sondern die sogenannten Flexitarier zur größten Veganz-Kundschaft. Und die kaufen ihre veganen Produkte jetzt einfach beim nächsten Edeka oder Rewe ein. Gleichzeitig entstand durch den fleischlosen Boom für die Hersteller veganer Produkte wie „Lord of Tofu“ oder „Wheaty“, ein neuer Wettbewerb. „Früher haben wir unsere Ware einfach so reinverkauft“, sagt Bredack. „Jetzt kämpft man um die Regalplätze.“ Angst vor der Zukunft hat er deshalb nicht. „Das ist ein Wandel, den wir begrüßen.“ Er sieht seine Marke als Innovationstreiber. „Viele Produkte, die wir bei dm hatten, haben die heute unter ihrer eigenen Marke“, meint er. Die Unternehmen schauen sich eben ab, was gut läuft, und produzieren dann selbst.

Deswegen sind neue Produkte schon in Arbeit. Hanf wird das Trendlebensmittel 2017, kündigt Bredack an. Mit der Schließung der Supermärkte endet ein Kapitel in der Veganz-Firmengeschichte. Der Gründer hat Ende des Jahres noch dafür gesorgt, dass es bald ein neues gibt. Veganz hat einige der Filialen des veganen, insolventen Bistros Goodies übernommen. Mit ihnen will er in die vegane Gastronomie einsteigen. Bei Goodies waren es laut Bredack falsche unternehmerische Entscheidungen, die zur Insolvenz geführt haben – und keinesfalls das Ende des Mega-Trends Veganismus.

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