zum Hauptinhalt
Ans Ziel. Die Perspektiven von DB Cargo sind trotz aktueller Milliardenverluste auf längere Sicht positiv.
© Holger Hollemann/dpa

Minusgeschäft Güterverkehr: Wie die Politik das Milliardenloch bei DB Cargo stopfen könnte

Europas größte Güterbahn fährt seit Jahren hohe Verluste eine. Die Sanierung der DB Cargo kann gelingen – wenn die Politik die Weichen richtig stellt.

Für Sigrid Nikutta wird es ein wichtiger Auftritt. In dieser Woche muss die Chefin der bundeseigenen DB Cargo AG ihrem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen. Die größte Güterbahn Europas mit Sitz in Mainz fährt wie der Mutterkonzern Deutsche Bahn in Berlin Rekordverluste ein. Zum Minus von 5,6 Milliarden Euro, das der größte Staatskonzern in diesem Jahr auch wegen der Corona-Einbußen erwartet, trägt die lange Zeit vernachlässigte Frachtsparte maßgeblich bei.

Das Treffen der 20 Cargo-Aufsichtsräte könnte spannend werden, schon wegen der speziellen personellen Konstellationen. Nikutta sitzt seit Jahresbeginn auch im DB-Konzernvorstand und gilt manchen schon als mögliche Nachfolgerin von DB-Chef Richard Lutz, der das Kontrollgremium der Cargo-Tochter leitet. Mit den konkurrierenden Gewerkschaften EVG und GDL im Aufsichtsrat gibt es weiteres Konfliktpotenzial, nachdem die Schlichtung zwischen DB und GDL über einen vorgezogenen Tarifvertrag gescheitert ist und ab März erste Warnstreiks der Lokführer drohen.

Immerhin kommt die schwierige Sanierung voran. Nikutta drückt aufs Tempo und will DB Cargo zu Europas wichtigstem Bahn-Logistiker machen. Künftig sollen mehr komplette Lieferketten in ganz Europa und bis nach China organisiert und die DB-Lkw-Spedition Schenker verstärkt eingebunden werden, damit Transporte vor allem über die Schiene statt weit umweltschädlicher über die Straße laufen. Der neue Kurs kommt bei den Arbeitnehmern gut an, die vor Jahren noch vor dem Kanzleramt und der DB-Zentrale in Berlin gegen weitere Rotstiftpläne von Ex-DB-Chef Rüdiger Grube demonstrierten.

Wachstum ist das neue Ziel

Inzwischen wurden die Weichen neu gestellt und DB Cargo soll wachsen statt schrumpfen. Erklärtes Ziel der Politik auch der Europäischen Union ist, viel mehr Fracht auf die Bahn zu bringen, um die Umwelt zu schonen und die Klimaziele zu erreichen. Davon profitiert besonders der klamme DB-Konzern an vielen Stellen, wie auch die jüngsten Beschlüsse des Bundestags zum Etat 2021 zeigen.

So können die geplanten Corona-Finanzhilfen von fünf Milliarden Euro an die DB, die Brüssel bisher nicht genehmigt hat, auch nächstes Jahr noch fließen. Ebenso die jährlich eine Milliarde Euro Kapitalspritzen aus dem Klimapaket 2019, die auch noch nicht von der EU freigegeben sind. Beide Vorhaben sind strittig, weil andere Bahnen durch einseitige Hilfen des Staates für den Marktführer schwere Nachteile im Wettbewerb befürchten.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das gilt besonders für den Güterverkehr, wo Konkurrenten der Deutschen Bahn auf der Schiene schon mehr als die Hälfte des Marktes erobert haben und DB Cargo wegen der hohen Verluste die nötigen Investitionen ohne Zuschüsse und Finanzhilfen kaum finanzieren könnte. So will Nikutta für den Wachstumskurs Hunderte neue umweltschonendere Lokomotiven anschaffen, die Digitalisierung unter anderem mit automatischen Kupplungen statt Handarbeit vorantreiben und pro Jahr tausend neue Mitarbeiter einstellen.

Rote Zahlen bis 2025

Gleichzeitig bittet die Managerin die Politik um Geduld: Vor 2025 wird die bundeseigene Güterbahn kaum aus den roten Zahlen kommen. Vor allem der Einzelwagenverkehr, bei dem Ladungen und Waggons auf Rangierbahnhöfen aufwändig zusammengestellt werden, schreibt mangels Auslastung hohe Verluste. Das grüne Netzwerk mit 12.000 Zügen pro Woche gilt aber als unverzichtbar, weil schon ein einziger Transport mehr als 50 Lkw ersetzt und so Straßen und Klima massiv entlastet.

Weitere Streichpläne sind inzwischen vom Tisch. Stattdessen wird die Regierung den Einzelwagenverkehr in den kommenden fünf Jahren finanziell mit dreistelligen Millionensummen fördern. Da die Nutzung von Rangier- und Zugbildungsanlagen wettbewerbsneutral bezuschusst werden soll, hat die EU-Kommission bis zu 600 Millionen Euro Hilfen genehmigt. Nikutta hofft, dass die Summe komplett ausgeschöpft wird.

Scheuer will mehr Geld in die Bahn stecken

Auch für alternative Antriebe im Schienenverkehr fließen hohe Fördersummen, gerade hat der Bundestag die Zusagen noch um knapp 200 Millionen Euro aufgestockt. Für die Digitalisierung von Stellwerken sowie Leit- und Sicherungstechnik gibt es allein in diesem und nächstem Jahr zusammen eine halbe Milliarde Euro.

Insgesamt wachsen laut Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Mittel für die Schiene im nächsten Jahr von 7,6 auf 8,5 Milliarden Euro – und 2022 will das Ministerium zum ersten Mal überhaupt mehr Geld aus seinem Haushalt in die Bahn als in den Straßenverkehr stecken.

Trotz der tiefroten Zahlen und drohender weiterer Abschreibungen sind die Perspektiven von DB Cargo also auf längere Sicht durchaus positiv. Noch allerdings sind viele Weichenstellungen nötig, damit die Verlagerung von Fracht auf die Schiene vorankommt. So gibt es noch immer üppige Hilfen für die Lkw-Konkurrenz, hohe Kostenbelastungen für Güterzüge zum Beispiel durch Stromsteuern, viele Engpässe bei der Bahninfrastruktur, zu wenige Kombiterminals – und zu viele Gewerbegebiete an Autobahnen ohne jeden Bahnanschluss.

Zur Startseite