Deutsche Bahn: DB Cargo soll aus der Krise fahren
Die Frachtsparte hat der Deutschen Bahn extrem hohe Verluste beschert. Nun will der Konzern den Güterverkehr auf der Schiene massiv ausbauen.
Weniger Staus und bessere Luft – das wünschen sich viele Menschen. Die Verlagerung von Fracht auf die umweltschonende Schiene ist dafür eine zentrale Maßnahme. Und es ist eines der wichtigsten Ziele der neuen Konzernstrategie „Starke Schiene“ der Deutschen Bahn AG. Der Marktanteil der Frachtbahnen soll demnach bis 2030 von derzeit nur noch 18 auf 25 Prozent wachsen. In der Realität würde das jedes Jahr 13 Millionen weniger Lkw-Fahrten bedeuten.
So steht es in dem vertraulichen 180-Seiten-Strategiepapier des größten Staatskonzerns, das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt und das am Dienstag und Mittwoch vom Aufsichtsrat beraten wurde. Die DB-Spitze um Bahnchef Richard Lutz wirbt in dem Papier mit vielen guten Argumenten und bunten Charts für den Ausbau und mehr Förderung des Schienengüterverkehrs.
Die Klimaziele sind demnach nur mit einer starken Schiene erreichbar: Ein Lkw stößt pro Tonne und Kilometer fünf Mal mehr schädliche Treibhausgase aus als ein Frachtzug. Zudem sei der Transport auf der Schiene 40 Mal sicherer als auf der Straße, und die Bahn könne umweltschonend Europas Wirtschaft noch stärker vernetzen – schon jetzt fährt fast die Hälfte der Transporte aller Güterbahnen über die Grenzen.
Das Problem: Im Wettbewerb mit dem Lkw wird die Schiene benachteiligt. Zudem steckt der größte Anbieter DB Cargo auch wegen Missmanagements tief in der Krise. Die größte Frachtbahn Europas mit Sitz in Mainz hat dem Mutterkonzern Deutsche Bahn seit 2013 fast eine Milliarde Euro Verlustübernahmen beschert, wie Bilanzanalysen ergeben, die dem Tagesspiegel vorliegen. Bis April steht ein weiteres Minus von 98 Millionen Euro zu Buche.
DB Cargo ist der größte und teuerste Problemfall des Staatskonzerns und beschäftigt den Aufsichtsrat und die Regierung regelmäßig. Seit der Bahnreform haben private Wettbewerber lukrative Aufträge und die Hälfte des deutschen Marktes erobert. Auch in Europa sank der Anteil der DB-Tochter seit 2013 von 25 auf 20 Prozent. Bisherige Sanierungs- und Rotstiftkonzepte der DB-Spitze führten zu heftigen Protesten der Belegschaft und Konflikten mit den Gewerkschaften, unter Ex-Chef Rüdiger Grube gab es massiven Streit und Blockaden auch im Aufsichtsrat.
Das will die Regierung nicht noch einmal erleben
Das will die Regierungskoalition nicht noch einmal erleben. Deshalb hat die DB-Spitze auf Wachstum statt Schrumpfung umgeschaltet. Mit der neuen Strategie soll DB Cargo durchstarten und 70 Prozent mehr Güter bis 2030 transportieren. ,,Die Basis für die Trendumkehr ist gelegt“, heißt es im Strategiepapier. Bis 2023 sollen 100 neue Multisystem-Loks angeschafft werden, fast jede dritte Zugmaschine dann für den internationalen Verkehr einsetzbar sein. Insgesamt soll die Flotte um 300 Loks erweitert werden.
Die Investitionen sind längst überfällig, denn die Frachtbahn wurde regelrecht kaputtgespart. Es fehlt an Zügen und Personal, aber auch an Kapazitäten beim lange vernachlässigten und überlasteten Schienennetz. Dessen mieser Zustand benachteiligt auch die privaten Frachtbahnen. Denn die Folgen treffen alle Anbieter: Lieferungen auf der Schiene sind unzuverlässig und haben oft riesige Verspätungen. Bei DB Cargo kommen aber hausgemachte Probleme dazu. Tausende Aufträge kann das bereits mehrfach umstrukturierte Unternehmen überhaupt nicht oder nur unzureichend erledigen, weshalb die Fracht über die Straße rollt. Insgesamt eine verheerende Bilanz auch für die Verkehrspolitik der Regierung.
Dabei sind die Chancen der Schiene gewaltig, wie erfolgreiche Frachtbahnen beweisen. Auch bei DB Cargo soll nun mit mehr Automatisierung und Digitalisierung der Transport künftig viel effizienter organisiert werden, wie es in der neuen Strategie heißt. So sollen alle Güterwagen bis 2023 mit intelligenter Sensorik ausgerüstet werden. Automatische Abfertigungen, bessere Steuerung und Vernetzung sollen die Produktivität und Pünktlichkeit erhöhen.
Auch der gefährdete Einzelwagenverkehr soll modernisiert und gestärkt werden. Das Netzwerk von mehr als 1000 verknüpften Verladestellen gilt als unersetzliches Rückgrat des Schienengüterverkehrs, weil es täglich 15 000 Lkw- Fahrten und so pro Jahr zwei Millionen Tonnen schädliche Treibstoffgase vermeidet. So steht es in den vertraulichen Unterlagen.
Über die Verladestellen können Kunden ihre Waren schnell umweltfreundlich von A nach B schicken. Dahinter steht ein extrem aufwändiger Steuerungs-, Rangier- und Umlade-Betrieb. Einst gehörten mehr als 13 000 Verladestellen zu diesem Netzwerk, doch ein Großteil wurde aufgegeben und der Lkw-Verkehr übernahm immer mehr Ladungen. Aber eine Aufgabe der Sparte gilt nicht mehr als Option. Denn dann würden weitere 15 000 Lkw-Fahrten täglich die Straßen, Umwelt und Klima belasten. Der Konzern hofft auf bessere finanzielle Förderung zum Erhalt und Ausbau des Einzelwagenverkehrs, der auch in anderen Ländern teils staatlich unterstützt wird.