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Weniger Dünger, weniger Pestizide: Die Landwirte sollen künftig ökologischer arbeiten.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Milliardenschwere Einigung: Wie die EU-Agrarreform zu mehr Biolandbau führen soll

Die EU-Agrarminister einigen sich auf neue Förderregeln. Bauern sollen künftig mehr für die Umwelt tun. Doch nicht jeder ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Zumindest in einem Punkt hat Julia Klöckner Geschichte geschrieben: Die Agrarministerin landete am Mittwoch morgen um neun Uhr am Berliner Großflughafen BER. Damit nahm die CDU-Politikerin als erstes Regierungsmitglied das Regierungsterminal am neuen Airport in Betrieb. Klöckner kam aus Luxemburg, wo sie bis zum frühen Morgen mit ihren 26 Amtskollegen und -kolleginnen um einen Durchbruch in den Verhandlungen über die künftige europäische Agrarpolitik gerungen hatte.

Glaubt man der Ministerin, hat die deutsche Ratspräsidentschaft aber auch in Sachen Agrarförderung Geschichte geschrieben. Es werde „keinen Euro“ an Subventionen mehr geben, der nicht an höheren Umweltleistungen hänge. „Keine Leistung mehr ohne Gegenleistung“, sagte Klöckner nach ihrer Rückkehr in Berlin.

Umweltverbände und die Opposition sehen das anders: Sie hätten sich noch deutlich höhere Auflagen für Tier-, Klima- und Naturschutz gewünscht. „Noch immer wird der größte Teil der Agrarmilliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt“, kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Auch nach Meinung der SPD-Bundestagsfraktion greifen die Beschlüsse zu kurz, die Grünen fordern eine „Gemeinwohlprämie“, mit der Bauern für gesellschaftliche Leistungen belohnt werden.

Der Beschluss der Minister

Die neue Landwirtschaftspolitik der EU nimmt Gestalt an, nachdem sich nicht nur die 27 EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben, sondern auch ein Kompromiss im Europaparlament absehbar ist: Die Bauern werden künftig mehr für Klima- und Umweltschutz tun, um die Fördergelder der EU zu bekommen.

Die Summen, um die es geht

Zur Verfügung stehen 387 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Das ist etwas mehr als in der letzten Förderperiode 2014 bis 2020. Agrar ist immer noch einer der größten Posten im EU-Haushalt. Für die deutschen Bauern wird es aber vermutlich etwas weniger Geld geben, weil die Landwirte aus den neuen Mitgliedstaaten, die bisher bei den Direktzahlungen schlechter gestellt sind, einen wachsenden Anteil bekommen sollen.

Deutschland kann für die neue Sieben-Jahres-Periode mit 44 Milliarden Euro aus Brüssel rechnen, das ist ein leichter Rückgang um 0,7 Prozent. Die Gelder verteilen sich auf zwei Säulen: die Direktzahlungen, die für viele Landwirte die wichtigste Einnahmequelle sind, und die zweite Säule, mit der die Entwicklung des ländlichen Raums gefördert wird.

Grünere Agrarpolitik

Die Bauern müssen nun umweltschonender arbeiten. Direktzahlungen soll es nur noch geben, wenn die Bauern auch etwas für die Umwelt tun. Das betrifft etwa Fruchtfolgen, mit denen Böden entlastet werden sollen, Hecken, die Tieren Zuflucht bieten, oder mehr Abstand von Feldern zu Gewässern.

Allerdings sind diese Vorgaben nicht sehr ehrgeizig. Weitere 20 Prozent der Direktzahlungen sollen dagegen künftig an besondere Umweltleistungen geknüpft werden. Das Europaparlament will sogar, dass 30 Prozent für solche Öko-Maßnahmen ausgegeben werden.

Diese Öko-Maßnahmen sind denkbar

Mit diesen Umweltauflagen könnten etwa der Biolandbau, das Anpflanzen von Wäldern auf Feldern, der Aufbau von Humus, die Erhaltung von Mooren oder eine digital gesteuerte Präzisionslandwirtschaft gefördert werden, die weniger Pestizide oder Dünger braucht. Allerdings können die Mitgliedstaaten selbst festlegen, welche Maßnahmen sie als „Eco-Schemes“ einschätzen. Um Umweltdumping zu verhindern, müssen die EU-Staaten ihre Strategiepläne jedoch von Brüssel genehmigen lassen.

Die Regierungen bekommen zudem eine zweijährige „Lernphase“, während der sie die für Umweltprogramme reservierten Mittel auch anderweitig einsetzen dürfen. Dieser Kompromiss, so heißt es im Bundesagrarministerium, sei nötig gewesen, um die nötige Mehrheit der EU-Minister zu bekommen. Widerstand hatte es vor allem in den östlichen Mitgliedstaaten gegeben. Trotz des Entgegenkommens hatte Litauen am Ende mit Nein gestimmt, Lettland, Bulgarien und Rumänien hatten sich enthalten.

Kritik an der Einigung

Die Grünen, die den Kompromiss im Europaparlament nicht mittragen, sowie die Umweltverbände hätten sich viel mehr gewünscht. Sie wollen, dass Landwirte künftig nur noch dann Fördergelder bekommen, wenn sie ihre Felder umweltfreundlich bewirtschaften.

„Statt Hunderttausenden Agrarbetrieben bei der Umstellung auf eine klima- und naturverträgliche Zukunft zu helfen, zementieren die Landwirtschaftsminister mit Steuergeldern von morgen ein schädliches Subventionssystem von vorgestern“, kritisierte etwa Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, die Beschlüsse reichten „hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben“.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte, dass nun auf nationaler Ebene die „dringend notwendige Ausrichtung der Agrarförderung an Umwelt-, Naturschutz- und Tierschutzstandards“ stattfinden müsse. Dagegen begrüßte der Deutsche Bauernverband die Beschlüsse als tragfähigen Kompromiss. Klöckner habe „sehr gute Arbeit geleistet“, lobte Präsident Joachim Rukwied.

Die Folgen für die deutschen Bauern

Etwa eine Milliarde Euro zusätzlich werden allein an deutsche Bauern für die verpflichtenden Ökomaßnahmen bis 2027 ausgezahlt. Der Deutsche Bauernverband hält sogar eine Größenordnung von rund 1,8 Milliarden Euro für möglich. Bereits heute bekommen in Deutschland kleine bäuerliche Familienbetriebe überproportional mehr Geld als die großen Agrarunternehmen.

Künftig sollen Zahlungen noch stärker gekappt werden können. Ab 60.000 Euro im Jahr soll eine Degression möglich sein, Zahlungen über 100.000 Euro im Jahr sollen gekappt werden können. Ob das so kommt, liegt jedoch im Belieben der Mitgliedstaaten.

Was sind die nächsten Schritte?

Wie bei allen EU-Gesetzen müssen das Europaparlament, die EU-Kommission und die Minister der Mitgliedstaaten eine Einigung finden. Das europäische Parlament beschäftigt sich in dieser Woche mit der Agrarreform und will dazu am Freitag verbindliche Beschlüsse fällen.

Es wird davon ausgegangen, dass es noch bis zum Sommer dauert, bis dann eine Einigung in den so genannten Trilogen erreicht wird. Danach fängt die Umsetzung in jedem Mitgliedstaat an. Für die Jahre 2021 und 2022 bleibt es daher zunächst bei den alten Regelungen.

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