Digitale Wissenslücken: Wie Deutschland bei der Weiterbildung aufholen soll
Um die Arbeit von Morgen zu bewältigen ist Weiterbildung nötig. Arbeitsminister Heil plant Fortbildungen während der Kurzarbeit – und eine höhere Förderung.
Die Digitalisierung soll viele Berufsbilder verändern. „Der wirtschaftliche und berufliche Strukturwandel lässt nach Berechnungen des Fachkräftemonitorings des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bis zum Jahr 2035 insgesamt fast 3,3 Millionen Arbeitsplätze entstehen, gleichzeitig werden aber auch rund vier Millionen Arbeitsplätze wegfallen“, heißt es in einem Gesetzentwurf des BMAS, mit dem das Ministerium auf diesen Wandel der Arbeitswelt reagieren will. Die Menschen in Deutschland sollen so „rechtzeitig auf die Arbeit von morgen“ vorbereitet werden. Die Stichworte heißen lebensbegleitendes Lernen und Weiterbildung.
Einen entsprechenden Referentenentwurf für ein Gesetz „zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“ hat das BMAS vergangene Woche veröffentlicht. Es sieht unter anderem höhere Zuschüsse für berufliche Weiterbildungen, einen Ausbau von Qualifizierungsmöglichkeiten und eine Vereinfachung der Antrags- und Bewilligungsverfahren zur Förderung der Weiterbildung für Arbeitgeber und Beschäftigte vor.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ im August 2019 angekündigt. Im November kursierte ein erster Entwurf. Der aktuelle Referentenentwurf ist derzeit in der Länder- und Verbändeanhörung. Einen konkreten Kabinettstermin gebe es noch nicht, wie das BMAS mitteilte.
Man soll sich auch online arbeitslos melden können
Die Arbeitssuchend- und Arbeitslosmeldung soll „erleichtert und vereinfacht“ werden. In Zukunft soll es ausreichen, sich online bei der Arbeitsagentur zu melden. Dies diene der „zeitgemäßen und bürgerfreundlichen Weiterentwicklung von digitalen Verwaltungsleistungen“. Arbeitslose sollen zwischen einer elektronischen Meldung im Portal der BA oder einer persönlichen Meldung vor Ort wählen können. Beides gilt „gleichrangig und rechtssicher“. Damit wird eine Verpflichtung des Onlinezugangsgesetz (OZG) umgesetzt, das vorsieht, diese Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 online zu ermöglichen.
Bei der Arbeitssuchendmeldung will das BMAS Alternativen zum formalen persönlichen Erscheinen anbieten. Dafür sollen die „Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden“. Denkbar sind hier Beratungsgespräche „per Videotelefonie“, damit der Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Neuvermittlung genutzt werden kann.
Der Entwurf sieht zudem vor, dass Unternehmen Arbeitsausfälle bei längerer Kurzarbeit „verstärkt für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten“ nutzen sollen. In diesem Fall soll eine längere Zahlung des Kurzarbeitergeldes für bis zu 24 Monate ermöglicht werden. Den Betrieben werden außerdem die von ihnen allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte erstattet.
Die Grünen fordern einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Besonders dringlich ist dem Entwurf nach die Weiterbildung für Geringqualifizierte. Denn diese arbeiten häufig in Berufen, die automatisiert und von Computern übernommen werden. Durch das neue Gesetz sollen sie einen Rechtsanspruch darauf erhalten, beim Nachholen eines Berufsabschlusses gefördert zu werden. Damit will das BMAS ein „Signal für eine berufliche Nachqualifizierung“ setzen. Außerdem werden junge Menschen finanziell unterstützt, wenn sie lange Fahrten zu einer „Einstiegsqualifizierung“ auf sich nehmen müssen. Fahrtkosten zu solchen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen werden künftig bezuschusst.
Für Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Grünen- Bundestagsfraktion, reichen die geplanten Maßnahmen „bei weitem nicht aus“. „Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung, der mit einer besseren sozialen Absicherung verbunden sein muss“, fordert er. Die Grünen schlagen außerdem ein Weiterbildungsgeld vor, dass 200 Euro höher ist als Arbeitslosengeld. Nur so könne es auch Menschen mit geringem Einkommen ermöglicht werden, sich weiterzubilden.
Dem Gesetzentwurf fehle „jede Idee zu einer zukunftsweisenden Arbeitszeitpolitik“, kritisiert Johannes Vogel, Sprecher für Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik der FDP-Bundestagsfraktion. Zu orts- und zeitflexiblem Arbeiten gebe der Entwurf „einfach gar nichts her“. „Wie die Bundesrepublik Deutschland damit im internationalen Wettbewerb digitaler Arbeitsmärkte bestehen soll, weiß nur der liebe Gott“, sagte Vogel. Die FDP habe vor zwei Jahren einen eigenen Gesetzentwurf zum Arbeitszeitgesetz vorgelegt.
Elena Metz