Das Ende steigender Mieten und Kaufpreise?: Wie das Coronavirus den Immobilienmarkt beeinflussen könnte
Auch auf dem Wohnungsmarkt macht sich die Corona-Krise bemerkbar. Mieter und Immobilienkäufer könnten davon langfristig sogar profitieren.
Die Corona-Krise dürfte nach Einschätzung von Ökonomen den Anstieg der Mieten und Immobilienpreise dämpfen. Selbst ein Ende des zehnjährigen Immobilienbooms in Deutschland sei denkbar, wenn sich die Krise noch Monate hinziehe und der Alltag der Menschen stark eingeschränkt bleibe. Das würde Mietern und Immobilienkäufern nach den rasanten Aufschlägen der vergangenen Jahre Luft verschaffen. Angekommen ist die Krise bereits beim größten digitalen Vermittler von Objekten "Scout24": Deren Chef Tobias Hartmann sprachen von einem "Rückgang der Besichtigungen" und heruntergeladener Wohnungs-Exposés - und kassierte die Jahresprognose für das börsennotierte Unternehmen.
"Wie schnell der Motor wieder anspringen wird und wie stark, können wir heute nicht sagen", sagte Hartmann. Um die Anbieter von Wohnungen und Gewerbeimmobilien aus der Corona-bedingten Schockstarre zu holen, können private Vermieter ihre Objekte sogar vier Wochen kostenlos auf der größten Marktbörse online stellen. Rabatte und Stundungen von Rechnungen gibt es auch für Makler.
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"Einzelne möblierte Wohnungen, die zuvor vielleicht Touristen angeboten wurden, sind bei Immoscout dazu gekommen", sagte ein Sprecher weiter. Ein Trend sei das aber nicht. Anders als in den USA beispielsweise: Aus Nashville, New Orleans oder Honolulu werden die regulären Mietwohnungsmärkte regelrecht geflutet mit Angeboten von zuvor als Ferienwohnungen auf Zeit vergebene Objekte, melden Daten-Analysten aus den USA.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Berlin bisher nicht festzustellen. Dabei bietet Airbnb eine kostenlose Stornierung aller Buchungen an, die bis 14. April erfolgt waren.
Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), schätzt, dass der Wohnungsmarkt in den nächsten beiden Monaten zum Erliegen kommt. „Besichtigungen finden kaum statt, und viele Käufer halten sich zurück, weil sie um ihre Jobs bangen oder schrumpfende Einkommen erwarten.“
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Bei Google-Suchen zu Kaufen, Mieten oder Wohnen seien schon Rückgänge zu beobachten, was Voigtländer als Indikator wertet. Auch Vermittler von Baufinanzierungen wie Hüttig & Rompf verzeichneten zuletzt einen Rückgang bei den Kundenanfragen.
Er erwarte eine Stagnation der Immobilienpreise oder leichte Rückgänge, sagte Voigtländer. „Ich bezweifle, dass etwa die ambitionierten Preise bei Neubauten derzeit noch durchzusetzen sind.“ Der Immobilienmarkt könne sich einem Einbruch der Wirtschaft, wie ihn Ökonomen vorhersagen, nicht entziehen.
In Berlin waren die Kaufpreise von Wohnimmobilien nach dem am Mittwoch veröffentlichten Marktbericht der landeseigenen Förderbank IBB noch einmal kräftig gestiegen: Für ein Eigenheim zahlten Käufer im Jahr 2019 im Durchschnitt 550000 Euro - zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch die Preise von Eigentumswohnungen stiegen von 4360 auf 4770 Euro je Quadratmeter. Bei den Mieten war aber bereits vor Beginn der Corona-Krise eine Stagnation zu erkennen: Mit 10,45 je Quadratmeter für eine freie Wohnung im Durchschnitt ist gemessen an den im Metropolen-Vergleich geringen Berliner Einkommen offenbar eine Grenze erreicht.
Volkswirte der Landesbank Helaba zufolge sind alle Immobilienzyklen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten mit einer Rezession geendet. Das Potenzial für Mietsteigerungen sei ebenfalls beschränkt, sagte Voigtländer, denn die Einkommen dürften weniger stark steigen als vor der Krise.
Daneben belasten auch neue Vorschriften zum Mieterschutz bei Zahlungsverzug die Vermieter: Sie dürfen Mietern nicht mehr kündigen, weil diese wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Gelten soll dies zunächst für Mietschulden von April bis Ende Juni, wie das Bundeskabinett am Montag beschloss.
Große Wohnungskonzerne haben Mietern bereits Zugeständnisse gemacht: So verzichtet LEG Immobilien im Zusammenhang mit der Corona-Krise vorerst auf Mietsteigerungen oder Kündigungen. Auch Vonovia sieht wegen der Pandemie bis auf Weiteres von höheren Mieten ab, und Deutsche Wohnen hat zugesagt, Zahlungen zu stunden.
Sogar die Deutsche Wohnen, mit 116000 Wohnungen Berlins größter privater Vermieter, hat einen 30 Millionen Euro großen Fonds aufgelegt zur Unterstützung von Mietern, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind.
„Die rosigen Zeiten für Vermieter sind vorbei, und der Verhandlungsspielraum für Mieter könnte wieder wachsen“, sagte Voigtländer. „Viele Vermieter dürften erst mal froh sein, wenn sie zuverlässige Mieter nicht verlieren.“
Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringert finanziellen Spielraum
Ähnlich sieht Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Bochumer EBZ Business School, die Lage. „Wer nicht muss, kauft in der Krise keine Immobilie oder verschiebt den Umzug in eine größere Wohnung“, sagte er. Ein Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringere den finanziellen Spielraum, den Haushalte für die Miete hätten. „Einige Verträge könnten für Mieter zu teuer werden.“
Bei Immobilienkäufern komme dazu, dass Menschen mit Aktienvermögen im jüngsten Börsencrash viel Geld verloren hätten – das fehle nun zum Wohnungskauf. Der Druck auf die Immobilienpreise wachse, so Vornholz. Für Großanleger blieben Immobilien zwar attraktiv.
Doch es sei unklar, ob sie die hohen Preise zahlten, wenn es Unsicherheit über die Mieteinnahmen gebe. Auch ein Ende des langen Immobilienbooms sei denkbar, meint Vornholz. „Wenn die Corona-Krise lange dauert und die Einschränkungen im Alltag bleiben, könnte das die Wende bedeuten.“
„Die Wohnungsknappheit in den Städten bleibt“
In Berlin ist damit allerdings nicht zu rechnen. Der Chef der landeseigenen Förderbank IBB sagte am Mittwoch, es fehlen in der Stadt rund 145000 Wohnungen. Immer mehr Haushalte haben nicht mal mehr ein Raum für jedes Familienmitglied. Der Berliner Mieterverein warnte am Mittwoch: "Der Bau von Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung kommt nicht voran".
Auch IW-Experte Voigtländer rechnet nicht mit einem Einbrechen der Mieten und Kaufpreise. Preisrückgänge um 30 Prozent, wie manche Beobachter schon prophezeiten, halte er für unwahrscheinlich. „Die Wohnungsknappheit in den Städten bleibt, die Zinsen für Finanzierungen sind niedrig, und viele Menschen haben hohe Vermögen.“ Mit ihren Zinssenkungen in der Corona-Krise haben Notenbanken zuletzt die Niedrigzinsen zementiert.
Auch an der Wohnungsknappheit in vielen Städten dürfte sich so schnell nichts ändern. Denn die Corona-Krise trifft auch die Baubranche. Die Chefin von Berlins mittelständisch organisierte "Fachgemeinschaft Bau" Manja Schreiber meldete Engpässe bei der Lieferung von Beton für den Rohbau und überlastete Bauschutt-Deponien. Möglicherweise hänge das mit der Corona-bedingten Schließung der Grenzen zusammen, die Baustoffe und Mitarbeiter der Branche aufhält. Auch „Große Baufirmen haben Probleme, da bei Subunternehmen ausländische Arbeitskräfte fehlen“, berichtet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Die Bauarbeiten im Land gingen weiter, wenn auch mit erhöhten Vorsichtsmaßnahmen. „Die Arbeiter müssen Abstand halten und notfalls in versetzten Schichten arbeiten.“
(mit dpa)
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