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Rückgang. In Berlin werden von Jahr zu Jahr weniger Bauanträge genehmigt. Gegen den Trend: Bundesweit wächst die Zahl wegen der hohen Nachfrage.
© dpa

Ämter genehmigen weniger Wohnungen: Berlins Baukonjunktur kämpft gegen Engpässe wegen Corona

Bundesweit werden immer mehr Wohnungen genehmigt – nur in Berlin weniger. Durch Corona drohen Bau- und Wohnungswirtschaft weitere Engpässe.

Berlins Wohnungsbau ist schon vor der Pandemie in die Krise gerutscht: Im vergangenen Jahr genehmigten die Bauämter der Bezirke trotz des erneuten Anstiegs der Bevölkerung den Bau von weniger neuen Wohnungen als ein Jahr zuvor. Das meldet das Amt für Statistik. Bundesweit dagegen steigen die Genehmigungszahlen im Wohnungsbau, was Marktexperten begrüßten, weil dies zu einer Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes führe. Den Abschwung des Berliner Wohnungsbaus beschleunigt nun die Corona-Epidemie.

„Wir rechnen für die nächste Zeit mit einem erheblichen Einbruch des Umsatzes in unserer Branche“, sagt Manja Schreiber. Der Chefin der Fachgemeinschaft Bau, des größten Verbandes inhabergeführter Firmen in der Berliner und Brandenburgischen Bauwirtschaft, liegen zahlreiche Anfragen von Mitgliedern vor, die Kurzarbeit beantragen. Hinzu komme, dass arbeitsfähige Firmen teilweise nicht vorankommen, weil Genehmigungen der Bau- und Straßenverkehrsämter fehlen, weil auch diese Corona-bedingt ausgedünnt sind. Hilfreich ist, dass der Bund seine Baustellen planmäßig weiter laufen lässt. Auch an Berliner Schulen wird saniert, aus- und neu gebaut.

Private Bauherren stiegen vorher wegen der Baupolitik aus

Im privaten Wohnungsbau dagegen beschleunigt die Epidemie die ohnedies zurückgefahrene Investitionstätigkeit. Denn deren finanzieller Spielraum ist gedeckelt, seit der Senat im Februar staatliche Mieten eingeführt hat.

Minus sieben Prozent stand im vergangenen Jahr unter dem Strich beim amtlich genehmigten Bau von Wohnungen in Berlin gegenüber dem Vorjahr: Um 22.524 wuchs der Bestand. Und Politik und Experten bewerten diese Genehmigungszahlen als „Frühindikator“ dafür, ob und wie stark die Summe und damit das Angebot an Wohnungen wächst. Etwa zwei Jahre braucht es, von der Erteilung der Genehmigung bis zur Fertigstellung der Wohnung. Im besten Fall, denn nicht alle genehmigten Projekte werden umgesetzt: Fertiggestellt wurden zuletzt im Jahr 2018 „nur“ rund 16.700 Wohnungen. Viel zu wenig, denn in Berlin fehlen laut Senat rund 130.000 Wohnungen.

Seit 2017 geht es abwärts - da übernahm die Linke die Stadtentwicklung

„Damit sinken Zahlen seit dem Berichtsjahr 2017“, heißt es beim Amt für Statistik – zunächst geringfügig, 2019 mit erhöhtem Tempo. Im Jahr 2017 übernahm die Linke mit Katrin Lompscher die Baupolitik in Berlin. Zuvor hatte Andreas Geisel (SPD) schnell neue Baugebiete ausgewiesen und Genehmigungsverfahren vereinfacht. Lompscher setzt auf mehr Beteiligung und stärkt den Bau kommunaler Wohnungen mit Sozialbindung. 

Die sechs landeseigenen Unternehmen investieren massiv in den Neubau. Dennoch war fast jede fünfte neu genehmigte Wohnung im Jahr 2019 ein Eigentumsobjekt. Private Entwickler hatten wiederholt angekündigt, sich wegen des Mietendeckels auf dieses Geschäft zurückzuziehen.

Engpässe bei Lieferungen von Beton

Zusätzliche Entschleunigung droht wegen der Coronakrise. „Die Bauwirtschaft ist momentan noch nicht komplett gefährdet“, sagt Schreiner. Ihr Appell: „Zahlt Rechnungen und gebt Aufträge raus, damit die Liquidität nicht abbricht!“ Einige Firmen beklagten Engpässe bei der Lieferung von Beton für den Rohbau. Ob das Einzelfälle seien, sei noch unklar. Möglicherweise seien diese Engpässe verursacht von der Schließung der Grenzen und den daher stockenden Warenlieferungen. Dasselbe gelte für überlastete Bauschuttdeponien, die viele Arbeiter aus dem Ausland beschäftigen, die nun zum Teil nicht nach Deutschland kommen. Engpässe gebe es auch bei Atemschutzmasken. Bauleute müssen sie tragen bei Abriss oder Sanierung von Altbauten. Das fordert der Arbeitsschutz.

„Wir überstehen das die nächsten zwei bis drei Wochen“, sagt Schreiner. Danach werde es für die Baubranche eng, wenn sich die Lage nicht stabilisiere. „Wir müssen gemeinsam wenigstens den Motor in der Bauwirtschaft am Laufen halten.“ Und dafür sei die Arbeitsfähigkeit der Ämter existenziell: Um einsatzbereite Firmen nicht zu stoppen, müssten Genehmigungen zur Einrichtung von Baustellen erleichtert werden. Gespräche mit dem Senat liefen dazu. Auch sollten öffentliche Auftraggeber Abschlagszahlungen „großzügig“ handhaben, um die Branche nicht weiter zu belasten.

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