London calling: Wie Berlin britische Gründer anlocken will
Politiker und Wirtschaftsförderer werben um britische Start-ups. Wirtschaftssenatorin Yzer war dafür nun London unterwegs. In Berlin spricht Wirtschaftsförderer Franzke mit Investoren.
Stefan Franzke muss derzeit noch mehr telefonieren als ohnehin schon. Immer wieder klingelt das Telefon des Geschäftsführers der Wirtschaftsförderung Berlin Partner. Am anderen Ende: britische Unternehmen, die nach dem Brexit-Votum einen Umzug in die Hauptstadt erwägen. Bereits mit zehn Fintechs, also Start-ups aus dem Bereich Finanzdienstleistungen, sei er inzwischen in konkreten Gesprächen, sagte Franzke am Montag. Doch nicht nur in Berlin selbst wird für die Hauptstadt als Standort geworben.
Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) war dafür in London unterwegs. Wie Franzke versucht sie, vor allem Gründer anzulocken. Für Berlin wirbt sie mit den drei T’s: „Talent, Tolerance, Tech“. Diese Schlagworte warf sie am Montag vor rund 200 Zuschauern auf der London Fintech Week an die Wand, eine Branchenmesse für Gründer aus der Finanzszene. Yzer appellierte vor allem an die jungen Leute, die gegen den Brexit gestimmt haben. „Wenn Sie Ihre Zukunft in Europa sehen, dann ist Berlin eine wunderbare Stadt“, rief sie ihnen vom Rednerpult aus zu. Gestaunt hätten manche Londoner Start-ups vor allem über die niedrigen Mieten in Berlin, erzählt Yzer später.
Bei vielen Londoner Start-ups sind die Umzugspläne bereits konkret
Unterstützung bekam sie von Chris Bartz von der Berliner Fintech-Schmiede Finleap. Er begleitete Yzer und sagt: „London war lange als Standort beliebt, weil es als so weltoffen gilt.“ Doch seit dem Referendum, bei dem die Angst vor Einwanderung eine große Rolle spielte, würde sich das wandeln – zum Nachteil der Gründer. Start-ups sind schließlich auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. „Die könnten künftig lieber nach Berlin statt nach London ziehen“, sagt Bartz. Ihn haben vor Ort gleich mehrere Gründer angesprochen, die über einen Umzug nach Berlin nachdenken. „Die Überlegungen sind zum Teil schon recht konkret“, sagt er. Manche waren bereits in Berlin, um sich umzuschauen. Das bestätigt auch Franzke. Der Chef der Berliner Wirtschaftsförderung hofft, dass so auch neue Jobs in der Stadt entstehen. Die Fintechs, die bei ihm angefragt haben, beschäftigen je zwischen zehn und 80 Mitarbeiter.
Und es sind längst nicht nur Gründer, die nach Berlin kommen könnten – sondern auch Investoren. „Gerade internationale Geldgeber könnten es in Zukunft noch stärker bevorzugen, in Berlin statt in London zu investieren“, sagt Bartz. Senatorin Yzer sagt: „Auch Fonds wollen wir davon überzeugen, nach Berlin zu ziehen.“ Erste Erfolge gibt es bereits. So ist Wirtschaftsförderer Franzke zum Beispiel in Kontakt mit zwei Wagniskapitalgebern aus Kuala Lumpur, die ursprünglich in London einen Fonds hatten errichten wollen – nach dem Brexit-Votum nun aber nach Alternativen suchen.
Selbst am Potsdamer Platz sind Büros billiger als in London
Die Fragen der Interessenten würden sich dabei oft ähneln, erzählt Franzke. Viele wollten etwa wissen, wie die Arbeitsmarktsituation in der Stadt ist, da auch mitziehende Partner der Angestellten einen Job finden müssten. Oder wie das Wohn- und Gewerbeflächenangebot ist. Franzke schwärmt von den vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten und Mietpreisen für Büroflächen. Der Potsdamer Platz als teuerste Immobilienfläche sei immer noch drei Mal günstiger als ähnlich zentral gelegene Flächen in London, betont er. Derweil stellen sich die britischen Firmen bereits auf härtere Zeiten ein. Die meisten Unternehmen haben ihre Investitionspläne zurückgefahren: 82 Prozent wollen im kommenden Jahr weniger ausgeben. Das zeigt eine Umfrage, deren Ergebnisse die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte am Montag veröffentlicht hat. Dennoch glaubt Franzke: Dass internationale Firmen ihre Europa-Zentralen von London nach Berlin verlegen, „wird nicht so schnell passieren“. Alleine deshalb, weil diese mit 200 bis 500 Mitarbeitern deutlich weniger flexibel seien als Start-ups.
„In dem Bereich wird in den nächsten drei bis vier Jahren nichts nennenswertes passieren“, sagt Franzke. Dennoch sei es wichtig, dass Berlin auch als Standort bei den multinationalen Konzernen vorstellig werde. „Deren Berlin-Bild ist oft zehn Jahre alt. Deshalb bedarf es einer Auffrischung darüber, wie dynamisch die Hauptstadt inzwischen geworden ist.“ Als Konkurrenz zu Berlin im Wettbewerb um britische Unternehmen sieht Franzke weniger Paris oder Frankfurt am Main, sondern vielmehr Amsterdam, das ebenfalls als dynamische, internationale Stadt bekannt sei.
Umso mehr will Berlin deshalb für seine Vorzüge als Standort werben: Im November wird Berlin Partner für eine Woche mit seinem Pop-Up-Lab, einem temporären Kreativlabor, in London Unternehmen ansprechen. Dazu soll bereits im September ein Berliner Wirtschaftsbüro in der britischen Hauptstadt eröffnet werden.