Elch weg, Logo weg: Wie Abercrombie wieder Kult werden will
Die Lieblingsmodemarke der amerikanischen High-School-Absolventen und deutschen Privatschüler kämpft gegen den Niedergang. Mit neuen Läden in Deutschland und dem Verzicht aufs Wappentier. Funktioniert der Elchtest? Die Fans sind skeptisch.
Leonie ist sauer. Seit Jahren ist die Berlinerin eine Freundin des Elchs und der hochpreisigen Klamotten mit dem Schriftzug Abercrombie & Fitch (A&F). Doch nun sollen sowohl der Elch als auch das Logo abgeschafft werden, haben die A&F-Manager im fernen Ohio entschieden. Sie wollen damit der Marke ihren einstigen Kultstatus zurückgeben. Leonie ist entsetzt. „Was soll denn der Mist?“, sagt die 13-jährige Gymnasiastin. Auch ihre Freundinnen verstehen die Welt nicht mehr und drohen, in den Käuferstreik zu treten. Wenn von außen nicht mehr ersichtlich ist, dass die Hoodies, Shorts oder Hemden von Abercrombie sind, taugen die Klamotten als Statussymbol nicht mehr.
Kostet der Elchtest A&F die Existenz? Jahrelang zierte das Tier die Klamotten von Abercrombie und verriet den Eingeweihten, welch weiten Weg die Ware hinter sich hatte. Bis 2011 gab es nämlich keinen einzigen A&F-Laden in Deutschland, was die Klamotten in Berlin, Hamburg und München umso begehrter machte. Wer ein Elch-Shirt wollte, musste sich das aus den USA, London oder anderen Metropolen mitbringen lassen.
Billigketten wie Primark werben Kunden ab
Doch nun schickt Abercrombie & Fitch den Elch in den Ruhestand, Schriftzug und Logo haben in der Frühjahrskollektion 2015 keinen Platz mehr. Künftig will A&F eine neue Linie fahren und sich im Modesektor neu platzieren. Es wird höchste Zeit, denn seit Jahren verzeichnet das Unternehmen rückläufige Umsätze. Für das laufende Jahr wird ein Umsatzeinbruch von mehr als zehn Prozent erwartet, der Gewinn soll um fast 30 Prozent einbrechen. An der Börse ist man längst in Ungnade gefallen: Die Aktie hat seit ihrem Allzeithoch vor drei Jahren fast die Hälfte ihres Wertes verloren.
Hinter den Kursverlusten steckt eine für Anleger beängstigende Tatsache: Die Kultmarke, die einst Pflicht an den High Schools von New York bis hin zu den Privatschulen in Zehlendorf war, hat bei den Kids an Strahlkraft verloren. Die jungen Kunden zieht es immer mehr zu den billigeren Konkurrenten: American Eagle, Aeropostale, Forever 21. Selbst die schwedische Kette H&M hat sich in den USA längst etabliert und verbucht steigende Umsätze. In Deutschland knöpfen Primark, Pull&Bear, Zara und H&M den Amerikanern die Kundschaft ab.
Dank Facebook verliert Markenkleidung an Bedeutung
Soziale Veränderungen haben der Konkurrenz geholfen. Im Zeitalter von Facebook und Instagram müssten sich Jugendliche nicht mehr explizit über Marken ausdrücken, sagt Steph Wissink, der als Analyst beim Brokerhaus Piper Jeffries das Konsumverhalten von Teenagern untersucht. Damit ist unklar, ob die Umsätze wieder steigen, wenn Elch und Logo verschwinden.
Wenn auch die Symbole heute weniger wichtig erscheinen, hat doch A&F in den letzten Jahrzehnten massiv in Marke und Logos investiert – sie gehören zur amerikanischen Kultur. Der Elch hat einen Wiedererkennungswert wie das Pony von Polo Ralph Lauren oder das Krokodil von Lacoste. Auf solche Werte zu verzichten, ist schwierig, weshalb man die Neuausrichtung zunächst auch nur bei den Klamotten versucht.
In den Läden bleiben die Symbole präsent, auch das Einkaufserlebnis soll das gleiche bleiben: Ob an der Fifth Avenue in New York oder der Alten Post in Hamburg – die Fenster sind von dunklem Holz verdeckt, drinnen ist es düster und laut, und Models mit Waschbrettbauch und nackter Brust bilden die menschliche Deko. Doch genauso wie der Elch scheint auch das nicht in Stein gemeißelt zu sein. In den USA hat man den meisten der 843 Filialen inzwischen einen neuen Anstrich verpasst. Die Holzlatten sind verschwunden, der abgeschottete und exklusive Look musste einladenden Schaufenstern weichen.
Skandal-T-Shirts trugen zum Erfolg bei
Die eigene Marke neu zu erfinden oder neu zu definieren, das hat bei Abercrombie & Fitch durchaus Tradition. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1892, damals als Ausstatter für Abenteurer. Besonders bekannt war die Marke für teure Schrotflinten sowie für Angelruten und Zelte. 1976 ging das Unternehmen pleite, und zwei Jahre später kaufte ein Sportartikler aus Texas den Namen, um die Marke im High-End-Segment zu platzieren, unter anderem mit einer Filiale im noblen Beverly Hills. Der Schritt in den Teenager-Sektor kam 1988, als das Modekonglomerat „The Limited“ die wiederbelebte Marke ins eigene Portfolio aufnahm, zu dem bereits der Dessous-Riese Victoria’s Secret gehörte.
Seit 1996 ist Abercrombie & Fitch als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert, zunächst mit ungeheurem Erfolg. Trotz zahlreicher Skandale – oder gerade deswegen – hatte man eine treue Fangemeinde. Die störte sich auch nicht an sexistischen Sprüchen. Ein Mädchen-Shirt mit dem Brust-Aufdruck „Wer braucht ein Hirn, wenn man diese Dinger hat“ fand reißenden Absatz, bis es nach dem Protest von Frauenrechtlerinnen aus den Regalen genommen wurde. Auch derbe Sprüche über Chinesen und angeblichen Inzest im ländlichen West Virginia nutzten A&F mehr als sie schadeten, denn das Unternehmen hielt sich stets in den Schlagzeilen.
In Berlin eröffnet ein zweiter Hollister-Laden
In New Albany, dem Unternehmenssitz, gibt man sich immer noch optimistisch und setzt auf Wachstum. Vor allem in China und Japan expandiere man erfolgreich, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Für Europa spricht man von einer Herausforderung. Dennoch will A&F auch in Deutschland weiter zulegen. Anfang September eröffnete die Kette nach Hamburg, München und Düsseldorf einen vierten Laden – dieses Mal im Oberhausener Shopping-Center Centro, in dem bereits die A&F-Tochter Hollister untergebracht ist. Und auch Hollister, die Marke mit der Möwe, will noch größer werden in Deutschland. In der neuen Shopping-Mall am Leipziger Platz, die am 25. September eröffnet werden soll, sollen die 19. deutsche Filiale und der – nach dem Hollister-Store im Steglitzer Boulevard – zweite Laden in Berlin aufmachen. Leonie ist das egal. „Ich bin mit dem Zeug fertig“, sagt sie.
Lars Halter, Heike Jahberg