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Nicht für Berlin? Abercrombie & Fitch (hier ein Laden in New York) machen einen Bogen um die deutsche Hauptstadt. Das gilt aber bald nicht mehr für die Tochtermarke Hollister.
© Reuters

Abercrombie & Fitch: Hollister eröffnet Mode-Laden in Berlin

Die US-Modefirma Abercrombie & Fitch eröffnet 2012 in Berlin einen Laden für die Tochtermarke Hollister. Für den "entspannten Luxus" der Hauptmarke aber fehle in Berlin die Tradition.

Kopenhagen/Berlin - Die gediegene Fassade, das dezente Messingschild – beide täuschen. Denn hinter der Eingangstür, da fängt die Hölle an. Die Hölle ist dunkel, ohrenbetäubend laute Musik dröhnt durch die Gänge. Spiegel täuschen Räume vor, die sich als Illusion erweisen, wenn man sie betreten will. Ein Geruch von Parfüm liegt über allem – den Hemden, den T-Shirts und den dunklen Holzregalen, in denen alles fein säuberlich gestapelt ist. Das Parfüm tragen auch die jungen Frauen und Männer, die sich plötzlich wie Nachtgestalten aus dem Dämmerlicht herausschälen. „Hi, wie geht’s?“, fragen sie, das Lächeln fest gefroren in den ebenmäßigen Gesichtern. Als ob man auf einer Party wäre oder in einem Nachtclub. Doch hier, mitten im Zentrum Kopenhagens, in der Kobmagergade 11, kauft man keine Drinks, sondern Klamotten. Willkommen in der sonderbaren Welt von Abercrombie & Fitch.

Was Menschen jenseits der Dreißig in Migräneanfälle treibt, zieht Jüngere magisch an. Sie stehen Schlange, um die Läden von Abercrombie oder die Shops der Tochtermarken Hollister und Gilly Hicks zu betreten. Die Kapuzenpullis und T-Shirts mit dem „A&F“-Schriftzug und dem Elch sind schwer angesagt, vor allem bei gut situierten Jugendlichen. Das mag auch an den klassischen Schnitten liegen oder an den weichen Stoffen. Entscheidend ist aber etwas anderes: Die Klamotten sind schwer zu bekommen.

Während Hollister in Deutschland zumindest in zehn Einkaufszentren vertreten ist, betreibt die Stammmarke Abercrombie in ganz Europa gerade einmal vier Läden – in Paris, Mailand, London und Kopenhagen. Internetbestellungen sind wegen der horrenden Gebühren unattraktiv, viele Deutsche verbinden daher lieber einen Besuch bei der kleinen Meerjungfrau mit einer Shoppingtour bei Abercrombie. „Wir haben viele Kunden aus Deutschland“, bestätigt die blonde Verkäuferin, die eigentlich gar keine ist. Denn Abercrombie bezahlt seine Mitarbeiter in den Stores vor allem dafür, dass sie gut aussehen. Am Eingang der Läden stellen junge Männer auf Geheiß der Firma ihre Sixpacks oben ohne zur Schau. Bei Hollister transportieren die männlichen Models das West-Coast-Surfer-Gefühl, indem sie sich in Badeshorts vor den Laden stellen.

Doch bald wird alles anders. „Deutschland ist ein Schlüsselmarkt für uns“, sagt Richard Collyer, der bei Abercrombie für die Planung neuer Shops zuständig ist. Gleich drei Abercrombie-Läden will Collyer im Laufe der nächsten zwölf Monate in Deutschland eröffnen. Der erste soll Anfang Dezember an der Düsseldorfer Kö aufmachen. Schon jetzt werden in der Stadt am Rhein gut aussehende junge Leute in Bars und Cafés angesprochen und für einen Job als Model im neuen Flagshipstore gecastet. Im April folgt Hamburg und im Oktober München. Berlin ist derzeit kein Thema. Warum? Abercrombie verkörpere „entspannten Luxus“, sagt Collyer, in Düsseldorf oder Hamburg habe Luxus einfach mehr Tradition als in Berlin. So ganz will die US-Kette den Berliner Markt aber doch nicht links liegen lassen: „Sie werden nächstes Jahr in Berlin einen Hollister-Laden sehen“, kündigt der Manager an. Heute müssen Berliner Modefans nach Leipzig fahren, um bei Hollister einkaufen zu können.

Hollister ist die Marke für die Shopping Malls, Abercrombie steht nach eigenem Selbstverständnis für gediegene Eleganz, für die US-Ostküste, die Ivy League-Colleges. Obwohl die Klamotten preislich irgendwo zwischen H&M und Hilfiger liegen, schafft es Abercrombie, die Marke mit einem Hauch von Luxus zu umgeben. Dahinter stehen knallharte Standortentscheidungen. Die Kette zieht traditionell nur in die besten Häuser und in die besten Lagen. In Paris ist es die Champs Elysées, in London liegt der Abercrombie-Shop an der Savile Row. „Berlin hat aber nicht nur ein Zentrum“, sagt Jörg Nowicki vom Branchenmagazin Textilwirtschaft. Welche Lage ist richtig? Die Friedrichstraße oder doch lieber der Kudamm? Bis die Amerikaner das wissen, halten sie sich zurück.

Ohnehin lassen sich die Manager nicht gern in die Karten schauen. „Wir sind ein sehr verschwiegenes Unternehmen“, sagt Richard Collyer. Außer den Geschäftszahlen veröffentlicht das börsennotierte Unternehmen nur wenig. Und die sind nach einem vorübergehenden Absturz während der Finanzkrise jetzt wieder gut. Der Umsatz kletterte im ersten Halbjahr 2011 um 22 Prozent auf 1,75 Milliarden Dollar, der Nettogewinn erhöhte sich von sieben auf 57 Millionen Dollar. Das soll auch so bleiben. Dafür tun die Abercrombie-Manager alles. Bei der Verteidigung der Marke sei man „obsessiv“, gibt Collyer zu. Das musste auch Michael Sorrentino erfahren. Dem Schauspieler, der in den USA in der Reality-Show „Jersey Shore“ als muskelbepackter Macho in Badehose auftritt, bot Abercrombie Geld dafür, dass er die Marke nicht mehr trägt. Ein Prollimage will Abercrombie nicht haben. Dass sich auch Stefan Raab gern die T-Shirts mit dem Elch über den Leib zieht, scheint die Amerikaner dagegen nicht zu stören.

Die besten Werbeträger sind ohnedies die Abercrombie-Manager selbst. Als Richard Collyer kürzlich zum Jahrestreffen der deutschen Shopping-Center-Branche zum German Council nach Berlin reiste, saßen im Ballsaal des Adlon Hunderte Anzugträger mit blank polierten Schuhen. Collyer kam in der Geschäftskleidung seiner Firma: Jeans und Hemd von Abercrombie, an den Füßen Flip-Flops – den einzigen Schuhen, die es im Abercrombie-Laden gibt. Und im Winter? „Trage ich sie auch“, sagt der Manager.

Noch schwärmen alle von der Erfolgsmarke aus den USA. Christoph Röhr vom Immobilienentwickler Real Estate Management Assistance, der für Abercrombie das Projekt in Düsseldorf betreut, ist begeistert von der „unglaublich attraktiven Adresse“. Und Frank Pöstges-Pragal, Geschäftsführer des Oberhausener Einkaufszentrums CentrO, freut sich darauf, dass er mit Gilly Hicks nach Hollister demnächst schon die zweite Marke aus dem Imperium ins Revier holen kann.

Doch die, um die es eigentlich geht, werden zunehmend skeptisch. So wie Charlotte Prass aus Berlin. Die 15Jährige geht auf eine Privatschule in Zehlendorf. Ihr Abercrombie-Shirt hat ihr der Vater einer Freundin aus New York mitgebracht. Oder Ann-Charlott Strube. Ihr Abercrombie-Shirt kommt aus London, ein Mitbringsel der Schwester. Einen Store in Berlin wollen beide nicht. „Dann hat die Sachen bald jeder“, sagen sie.

Heike Jahberg

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