Abercrombie & Fitch: Mehr Verkäufer als Kunden
Die Modefirma Abercrombie & Fitch sagt, die deutschen Läden seien profitabel. Aber die Probleme häufen sich.
Wo bitte geht’s zu Abercrombie? „Irgendwo am Ende der Mönckebergstraße“ müsse der Laden sein, sagt der junge, hippe Typ in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das klingt nicht so, als wäre er schon mal da gewesen – obwohl es den Shop in der Hamburger City nun schon seit mehr als einem Jahr gibt. Und auch das mit Einkaufstüten diverser Modelabels schwer bepackte Pärchen muss passen. Dabei steht es nur wenige Meter von dem Messingschild entfernt, das gut betuchten Teenies mitteilt, dass sie am Ziel ihrer Suche angekommen sind – bei Abercrombie & Fitch.
Mit großem Trara, langen Warteschlangen und muskelbepackten, halb nackten Boys hatte der US-Konzern im April vergangenen Jahres seinen Laden in der ehrwürdigen Alten Post in der Nähe des Hamburger Bahnhofs eröffnet, fünf Monate nach seinem Deutschland-Debüt in Düsseldorf. Drei Läden hat die Kultmarke, die Jeans, T-Shirts und Hemden im klassischen Ostküsten- College-Stil verkauft, in Deutschland. Seit Oktober vergangenen Jahres kann man auch in München die Markenklamotten mit dem A-&-F-Elch kaufen. Hinzu kommen zwei Abercrombie-Kids-, 18 Läden der Surfermarke Hollister – darunter einer in Berlin – sowie ein Gilly-Hicks-Mädchenunterwäscheladen.
Abercrombie hat auch mit der Gewerkschaft Verdi Ärger
Doch die Expansion nach Deutschland hat dem erfolgsverwöhnten Konzern und seinem exzentrischen Chef Mike Jeffries nicht nur gutgetan. Seit Monaten folgt ein Shitstorm auf den nächsten. Mal gibt es Ärger mit dem Bezirksamt Hamburg-Mitte, das gegen die Parfümausdünstungen vorgeht, die aus dem Laden kommen. Dann verschrecken die Redakteure von „Plusminus“ die Kundschaft, weil sie krebserregendes Benzidin in einem Damenoberteil und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in einem indischen Zulieferbetrieb finden.
Auch mit der Gewerkschaft Verdi gibt es Ärger, weil in der perfekten Konsumwelt von A & F Betriebsräte nun mal nicht gern gesehen werden und Hollister-Verkäufer nach Schichtende ihre Taschen vorzeigen müssen. Und dann auch noch das Interview, das Mike Jeffries zwar schon 2006 gegeben hat, das Kritiker aber jetzt, wo Abercrombie ohnehin unter Druck steht, wieder ausgegraben haben. „Wir wollen unsere Sachen an gut aussehende, coole Leute verkaufen“, hatte der heute 68-jährige braun gebrannte, blondierte, Flipflops tragende Konzernchef als Begründung dafür angegeben, warum seine Frauenmodelle bei Größe L enden. Aktivisten hatten daraufhin A-&-F-Klamotten an Obdachlose verteilt – allerdings mit zweifelhaftem Erfolg, weil sich diese unerwarteterweise gar nicht so gern vor den Protestkarren spannen lassen wollten.
"Wir sind für eine Kultur der Vielfalt und Teilhabe", erklärt Mike Jeffries
Bislang hat Abercrombie Skandale dieser Art einfach an sich abprallen lassen. Das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Ohio gilt als zugeknöpft. Doch jetzt scheint ein neuer Wind in der Konzernzentrale zu wehen. Man habe die von „Plusminus“ angeprangerten, angeblich kontaminierten Sachen sofort aus den Regalen geräumt, versichert A-&-F-Sprecherin Mackenzie Bruce. Laboruntersuchungen in den USA und in Europa hätten jedoch bewiesen, dass das Hemd gar keine Gesundheitsgefahr dargestellt habe, sagte sie dem Tagesspiegel.
Betriebsräte hält man bei A & F zwar weiterhin für unnötig, man werde aber mit jeder legal zustande gekommenen Arbeitnehmervertretung kooperieren, verspricht Bruce. Mobbingopfern will Jeffries jetzt sogar Stipendien fürs College zahlen. „Wir sind für eine Kultur der Vielfalt und Teilhabe“, erklärte der Chef kürzlich. Kein junger Mensch solle sich eingeschüchtert fühlen – auch nicht wegen der Kleidung, die er trägt, demonstrierte Jeffries späte Einsicht.
Der Umsatz geht zurück
Was dem börsennotierten Konzern schwerer zu schaffen macht als alle Kritik, sind die Zahlen. Im ersten Quartal dieses Jahres musste Jeffries einen Umsatzrückgang um neun Prozent auf 839 Millionen Dollar verkünden. Der operative Verlust lag bei 13,9 Millionen Dollar. Verliert A & F seinen Glanz?
Tatsächlich ist es an diesem Mittwochmittag auffallend leer im Laden an der Hamburger Poststraße. Es gibt mehr Verkäufer als Kunden. In ihren klein karierten Hemden, den Jeans und Flipflops sehen die jungen Männer wie geklont aus, makellose Körper, ebenmäßige Gesichter, kurze Haare. „What’s going on“, was geht, begrüßen sie jeden, der den Laden betritt. Unter der Woche sei es schon ziemlich leer, erzählt eine Verkäuferin, am Wochenende und in den Ferien sei der Laden aber voll. Schlangen vor dem Laden gibt es jedoch in München, wo der Markenhype ungebrochen ist. Auch in Düsseldorf haben die Kunden unter der Woche viel Raum zum Shoppen, wenn ihnen nicht gerade ein Verkäufer im Weg steht. Haben die deutschen Kids die Lust auf Abercrombie verloren, seitdem man die Klamotten nicht mehr in den USA oder London kaufen muss, sondern auch vor Ort shoppen kann oder online?
„Nein“, sagt Jörg Nowicki vom Branchenmagazin „Textilwirtschaft“. Zwar habe A & F in den USA einige Läden geschlossen, im Rest der Welt sei die Marke aber immer noch stark. „Die Fangemeinde ist treu“, meint der Branchenkenner. Hinzu kommt: Die Einzugsgebiete der Läden sind groß, und das Shoppingkonzept – dunkle Räume, laute Musik, jede Menge Parfüm – funktioniere noch immer. „Die Käufer suchen beim Shoppen das Erlebnis“, sagt Nowicki.
Auch in Ohio zeigt man sich zufrieden. Am Umsatzrückgang seien andere schuld: der lange Winter, die Euro-Krise. No problem, denn A & F mache seine Gewinne sowieso eher in der zweiten Jahreshälfte. Die deutschen Läden, beteuert Sprecherin Bruce, seien „sehr profitabel“. Wer weiß, vielleicht kommt A & F auch noch nach Berlin. Das sei zwar derzeit nicht geplant, „aber wir schauen immer nach neuen Gelegenheiten, unser Geschäft auszuweiten“, sagt Bruce.
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