Newsblog zum Abgas-Skandal bei Volkswagen: Wer wird neuer VW-Chef?
Martin Winterkorn tritt als Konzernchef von Volkswagen zurück. Der 68-Jährige zeigte sich in einer Stellungnahme "fassungslos". Die Entwicklungen im Newsblog.
Wer folgt auf Winterkorn: Den Machtkampf mit Firmenpatriarch Ferdinand Piech hatte VW-Chef Martin Winterkorn überstanden - doch für den Betrug mit Diesel-Abgaswerten übernahm er jetzt die Verantwortung und trat zurück. Am Freitag soll womöglich bereits ein Nachfolger an der Spitze des Volkswagen -Konzerns auf den Schild gehoben werden. In der engen Auswahl für den Posten des best bezahlten Dax-Konzernchefs sind Insidern zufolge Porsche-Chef Matthias Müller, VW-Markenchef Herbert Diess und Audi-Chef Rupert Stadler. Müller gilt wegen seiner langjährigen Konzernerfahrung als Favorit.
Gabriel hat Respekt vor Winterkorns Entscheidung: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich zuversichtlich gezeigt, dass Volkswagen die Abgas-Affäre nach dem Rücktritt von Konzernchef Martin Winterkorn rasch aufarbeiten wird. "Ich bin mir sicher, dass VW den Fall schnell und restlos aufklären wird", sagte Gabriel während einer Rede am Rande der Automobilmesse IAA. Er habe persönlich großen Respekt vor der Entscheidung Winterkorns, im Zuge des Skandals zurückzutreten. "Ich finde, die Leistung von Herrn Winterkorn für das Unternehmen ist nach wie vor unbestritten."
Juristische Konsequenzen? Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, das Präsidium habe beschlossen, durch das Unternehmen Strafanzeige zu erstatten. Das Gremium habe "den Eindruck, dass strafrechtlich relevante Handlungen eine Rolle" gespielt hätten. Das Unternehmen werde dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für die Abgas-Affäre "hart belangt werden". Zudem werde Volkswagen einen Sonderausschuss gründen, der die Aufklärung konsequent vorantreiben werde. Dabei solle auch auf externe Berater zurückgegriffen werden.
Winterkorn ist fassungslos: „Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist“, sagte der zurückgetretene VW-Chef Martin Winterkorn in einer auf der Webseite des Konzerns veröffentlichten Stellungnahme. „Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren.“ Als Vorstandschef übernehme er jetzt die Verantwortung für die bekanntgewordenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren. Er habe daher den Aufsichtsrat gebeten, mit ihm „eine Vereinbarung zur Beendigung meiner Funktion“ als Vorstandsvorsitzender zu treffen. „Ich tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin“, erklärte Winterkorn. "Volkswagen braucht einen Neuanfang - auch personell", sagte Winterkorn nach einer Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums in Wolfsburg.
Das fünfköpfige Präsidium des VW-Aufsichtsrats hatte zuvor nach einem Weg aus der tiefen Vertrauenskrise gesucht. Im Mittelpunkt standen dabei personelle Konsequenzen aus der Affäre um manipulierte Messungen beim Schadstoffausstoß von Dieselmotoren in den USA.
Winterkorn stand infolge des Skandals, der nach Konzernangaben rund elf Millionen Fahrzeuge betrifft, massiv unter Druck. Ursprünglich hatte an diesem Freitag der Vertrag des Managers bis Ende 2018 verlängert werden sollen. Einige Kritiker hatten VW vorgeworfen, durch die Manipulationen den Ruf der gesamten deutschen Exportindustrie aufs Spiel zu setzen.
Am Dienstagabend hatte sich Winterkorn noch für die Manipulationen entschuldigt und eine umfassende Aufklärung angekündigt. Nun wolle er mit seinem Rücktritt den Weg für einen Neustart freimachen. „Volkswagen braucht einen Neuanfang - auch personell“, sagte Winterkorn. „Ich bin überzeugt, dass der Volkswagen-Konzern und seine Mannschaft diese schwere Krise bewältigen werden.“ Ein Nachfolger an der Vorstandsspitze soll nicht vor Freitag bekanntgegeben werden.
Berthold Huber zollt Winterkorn Respekt: Der Vorsitzende des VW-Aufsichtsrats, Berthold Huber, hat Martin Winterkorn Respekt gezollt. "Er hat größte Verdienste und überragende Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten geleistet." Winterkorn habe seinen Rücktritt angeboten und dieses Angebot habe der Aufsichtsrat mit "großem Respekt" entgegengenommen. Gleichzeitig stellte Huber fest, dass Winterkorn keine Kenntnisse über den Betrug gehabt habe. „Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist“, sagte Winterkorn. „Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren.“
Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen und Mitglied im Aufsichtsrat betonte, dass der Vorgang schnell und umfänglich aufgeklärt werde. "Das Vertrauen in das Unternehmen muss schnell wieder hergestellt werden, wenngleich diese Aufgabe viel Zeit in Anspruch nehmen wird." Über einen Nachfolger soll am Freitag entschieden werden. Bereits gestern erfuhr der Tagesspiegel aus Aufsichtsratskreisen, dass Porsche-Chef Matthias Müller (59) im Gespräch sei. Fragen wollten die Aufsichtsräte nicht beantworten.
Martin Winterkorn tritt zurück: Martin Winterkorn tritt als Vorstandschef von Europas größtem Autobauer Volkswagen zurück. Das gab der Konzern am Mittwoch nach einer Krisensitzung der obersten Aufseher in Wolfsburg bekannt. Der 68-Jährige war durch den Abgas-Skandal in den USA in Bedrängnis gekommen.
Gabriel nennt Abgas-Manipulationen "völlig inakzeptabel": Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Abgas-Manipulationen des Volkswagen-Konzerns in den USA als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. „Der Schaden, den einige Leute für das Unternehmen und die Mitarbeiter verursacht haben, ist riesig“, sagte Gabriel auf der IAA in Frankfurt. Insgesamt werde bei Volkswagen mit großer Qualität und hoch innovativ gearbeitet. „Die Mitarbeiter bei VW dürfen nicht unter dem Fehler leiden, den andere gemacht haben“, betonte Gabriel. Der Minister forderte eine schnelle vollständige Aufklärung und Konsequenzen. Aber man dürfe nicht das Unternehmen insgesamt oder gar die deutsche Autoindustrie schlechtreden.
VW-Skandal könnte die gesamte deutsche Konjunktur belasten: Der Volkswagen-Konzern ist nicht nur Europas größter Autobauer, sondern ein Symbol für die gesamte Branche in Deutschland. "Die Autoindustrie ist technologisch eine der Schlüsselbranchen, es ist die Leitindustrie schlechthin in Deutschland", sagt Industrieexperte Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Wenn es zu Absatzeinbußen kommt, könnte es auch Zulieferer treffen und damit die gesamte Wirtschaft."
Wie wichtig die Autobranche für die heimische Wirtschaft ist, zeigt der Blick auf nackte Zahlen. Im vergangenen Jahr beschäftigte der Industriezweig rund 775.000 Männer und Frauen. Dies sind knapp zwei Prozent der 42,7 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland. Rund ein Drittel aller Ausgaben für Forschung und Entwicklung entfällt auf die Autoindustrie. Ihr Umsatz im In- und Ausland stieg 2014 um fast zwei Prozent auf knapp 370 Milliarden Euro. Zudem sind Fahrzeuge und Autoteile der beste Exportschlager, den Deutschland zu bieten hat. Hier lieferte die Branche im Vorjahr Waren im Wert von 203 Milliarden Euro ins Ausland. Dies ist mit großem Abstand vor Maschinen und Chemieprodukten der Löwenanteil aller Exporte. Der Anteil der Autoindustrie an den gesamten Ausfuhren lag bei rund 18 Prozent.
Die Sorge kommt auf, dass deutsche Produkte im Ausland im Zuge des VW-Skandals einen Imageschaden erleiden. Dies dürfte die größte Volkswirtschaft Europas wegen der starken Exportorientierung besonders stark treffen. Der Exportverband BGA allerdings gibt sich zuversichtlich, dass die Geschäfte weiter gut laufen. "Es gibt keine Hinweise darauf, dass jetzt ein Generalverdacht gerechtfertigt ist für alles, wo 'Made in Germany' draufsteht", betont der stellvertretende BGA-Hauptgeschäftsführer Andre Schwarz. Die Wirtschaft habe sich über lange Jahre ein gutes Image im Ausland aufgebaut. "Wir sehen nicht die Gefahr, dass dieses Vertrauen durch einen - wenn auch schwerwiegenden - Fall grundsätzlich erschüttert wird."
Abgassoftware stammt aus dem Jahr 2005: Die Software, die Volkswagen zur Manipulation von Abgaswerten in seine Dieselmotoren einsetzt, stammt einem Bericht von faz.net zufolge aus dem Jahr 2005. Zur gleichen Zeit hätten deutsche Autohersteller wie VW, aber auch Mercedes-Benz, Audi und BMW mit Versuchen begonnen, den modernen Diesel in den USA hoffähig zu machen.
Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft Ermittlungen gegen VW: Wegen der Abgas-Manipulationen bei Dieselmotoren in den USA prüft die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen VW. Im Fokus der Vorermittlungen stünden mögliche rechtliche Schritte gegen dafür verantwortliche Mitarbeiter der Volkswagen AG, teilte die Behörde mit. Anlass dafür seien auch bereits bei der Staatsanwaltschaft eingegangene Strafanzeigen von Bürgern. Darüber hatte zuvor auch das niedersächsische Justizministerium informiert und betont, das weder zum Umfang noch zu den in den Anzeigen formulierten Vorwürfen Auskünfte möglich seien.
Alexander Dobrindt: Fordern keinen Winterkorn-Rücktritt: Die Bundesregierung erhebt angesichts der Abgasaffäre keine Rücktrittsforderungen gegen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn. Darüber habe die Regierung nicht zu entscheiden, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er forderte den Konzern dazu auf, seine Kunden über die Affäre um manipulierte Abgaswerte in vollem Umfang aufzuklären und so Vertrauen zurückzugewinnen. Er habe bei Gesprächen mit VW Unterstützung für der Aufklärung festgestellt. Die Bundesregierung wolle aktiv dafür sorgen, dass solche Manipulationen nicht mehr vorkommen.
Wie die Software feststellt, dass gerade eine Prüfung durchgeführt wird: Die Software stellt fest, dass sich nur zwei Räder drehen. Dann wird eine Flüssigkeit eingespritzt, die die Abgase auflöst. Einen ausführlichen Bericht darüber lesen Sie hier.
Spitze des Aufsichtsrats tagt: In Wolfsburg ist das Präsidium des VW-Aufsichtsrats zu Beratungen über den Abgas-Skandal zusammengekommen. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwochmorgen aus Teilnehmerkreisen. Der genaue Ort des Treffens blieb zunächst geheim. An der Krisensitzung nehmen der Interimsvorsitzende des Präsidiums, Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Großaktionärs-Vertreter Wolfgang Porsche sowie Betriebsratschef Bernd Osterloh und dessen Stellvertreter Stephan Wolf teil. Das Gremium will über Konsequenzen aus der Affäre um manipulierte Messungen beim Schadstoffausstoß von Dieselmotoren beraten. Dabei geht es auch um die berufliche Zukunft von VW-Chef Winterkorn.
Der linksliberale britische „Guardian“ kommentiert: „Die Politik sollte eigentlich die Umwelt schützen, und nicht die Geschäfte der Industrie unterstützen. Es waren amerikanische, und nicht europäische Kontrolleure, die VW erwischt haben. Es ist vorstellbar, dass Behörden die Abgas-Werte, die von den Fahrzeugen wichtiger nationaler Unternehmen stammen, nicht zu streng prüfen wollen. Wenn die Messungen von Umweltverschmutzung so leicht arrangiert werden können, dann können auch politische und kommerzielle Vorgaben verzerrt werden. Wenn verantwortungslose Methoden von den Finanzmärkten auf die Prüfung von Umweltdaten und Produkten für Verbraucher übergreifen, dann sollte die Welt sehr besorgt sein.“
Warten auf den Aufsichtsrat: Nach der öffentlichen Entschuldigung von VW-Chef Martin Winterkorn für den Abgas-Skandal wird nun mit Spannung eine Reaktion des mächtigen Aufsichtsratspräsidiums erwartet. Das Gremium will sich heute erneut an einem geheimen Ort treffen und das weitere Vorgehen besprechen. Am Dienstagabend gab es bereits ein Vorgespräch, es drangen aber keine Meinungen an die Öffentlichkeit.
VW heuert offenbar bekannte US-Kanzlei an: Im Abgas-Skandal hat Volkswagen die bekannte US-Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis LLP angeheuert. Das berichtete die Agentur Bloomberg unter Berufung auf eine VW-Sprecherin. Die Kanzlei hatte den Ölkonzern BP nach der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Jahre 2010 mit elf Toten vertreten. Eine Sprecherin der Kanzlei lehnte eine Stellungnahme ab. Durch mögliche Klagen und Strafgelder drohen dem deutschen Autobauer Milliardenschäden.
Auch New York ermittelt gegen VW: Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen hat auch die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates New York Ermittlungen gegen den deutschen Autokonzern eingeleitet. "Keinem Unternehmen sollte es erlaubt werden, unsere Umweltgesetze zu umgehen" oder Verbraucher zu täuschen, sagte Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman. Daher habe er seine eigenen Ermittlungen zu den "beunruhigenden Berichten" über die massenhafte Manipulation bei VW-Dieselfahrzeugen eingeleitet. Schneiderman strebt nach eigener Aussage an, "in dieser Angelegenheit mit Generalstaatsanwälten im ganzen Land zusammenzuarbeiten".
Zuvor war bekannt geworden, dass die Umweltabteilung des US-Justizministeriums strafrechtliche Ermittlungen gegen VW eingeleitet hat. Die Vorwürfe gegen Volkswagen und die Tochter Audi waren am Freitag öffentlich geworden. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA entwickelte Volkswagen eine Software, mit der Vorgaben zur Luftreinhaltung zwar bei Tests, nicht aber beim normalen Betrieb der Autos erfüllt wurden. Die Dieselfahrzeuge stießen folglich im regulären Straßenverkehr mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus als erlaubt.
Betroffen von den Manipulationsvorwürfen in den USA sind fast eine halbe Million Fahrzeuge. Dem VW-Konzern drohen in den Vereinigten Staaten nun Milliardenstrafen sowie weitere Kosten durch eine Rückrufaktion und mögliche Schadenersatzzahlungen. Am Dienstag erklärte der Konzern in Wolfsburg, dass sich die Software zur Manipulation von Abgaswerten weltweit in elf Millionen Dieselfahrzeugen befindet.
VW-Chef Martin Winterkorn hatte am späten Dienstagnachmittag öffentlich um Entschuldigung für Manipulationen von Abgastests bei VW-Dieselautos gebeten und rasche Aufklärung versprochen.
Nissan-Chef sieht Vertrauensprobleme für Branche: Der Abgas-Skandal bei VW stellt nach Worten von Nissan -Chef Carlos Ghosn die Autoindustrie vor eine erhebliche Herausforderung. Der Vorfall bringe für die Hersteller neue Vertrauensprobleme, sagte Ghosn in New York. Zu den Vorgängen bei VW wollte er sich nicht äußern. Seiner Ansicht nach dürfte es allerdings schwierig sein, die Manipulation von Abgaswerten firmenintern geheim zu halten. "Ich glaube nicht, dass man so etwas verbergen kann", sagte Ghosn, der auch den Nissan-Partner Renault leitet. Er sei überrascht, dass die Offenlegung der Vorgänge bei VW nicht auf einen Informanten aus dem Unternehmen zurückgehe. (mit AFP, dpa, Reuters)
Die Ereignisse vom Dienstag können Sie hier nachlesen.