EU-Kommission prüft Verbot von Pestiziden: Wer tötet die Bienen?
Die kleinen Flieger sind bedroht, im letzten Winter sind rund 22 Prozent der Bienenvölker in Deutschland gestorben. Nun sollen die Bürger helfen. Die Industrie streitet mit Naturschützern, ob Pestizide die Bienen töten.
Berlins Mitte ist gewöhnlich das Revier von Politikern und Geschäftsleuten. Dieser Tage mögen sie ein ungewohntes Summen vernommen haben: In der Wilhelmstraße, wo die Entscheider gern shoppen und lunchen, ist ein Bienenvolk zu Gast. Die Honigproduzenten residieren im Hof-Garten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Am Donnerstag gaben Vertreter des Ministeriums, des Deutschen Imkerbundes und des Branchenverbandes der Gartenbauer hier den Startschuss für eine bundesweite Informationskampagne zum Bienenschutz.
Da sollten die Betroffenen nicht fehlen, schließlich geht es auch um Symbolik. „Bienenschutz ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam angehen müssen: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und jeder Einzelne“, erklärte Staatssekretär Peter Bleser. Die Kampagne „Bienen füttern“ soll bundesweit für den Bienenschutz sensibilisieren. Bürger sollen mehr bienenfreundliche Blumen auf Balkonen und in Gärten pflanzen – und verantwortungsvoll mit Schädlingsmitteln umgehen.
Das klingt harmloser, als es ist. Zu Hunderttausenden sterben in den Industrieländern die Bienen. Woran das liegt und wer Schuld trägt, darüber wird mit großer Vehemenz gestritten. Umweltschützer bezichtigen große Chemiekonzerne des Bienen-Totschlags. Die Unternehmen wehren sich vor Gericht gegen die Vorwürfe. Und Bienen-Experten werfen sich gegenseitig Korruption und Verblendung vor. Nun ist es an der Politik, die Indizien zu prüfen. Die Spur führt aufs Land.
Sind die Pestizide auch für Bienen giftig?
Derzeit prüft die EU-Kommission das Verbot bestimmter Mittel zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft. Die sogenannten Neonicotinoide sollen Nutzpflanzen vor bestimmten Schädlingen schützen. Naturschützer allerdings sind überzeugt, dass das Präparat auch Bienen tötet, indem es ihr Nervensystem schädigt. In Deutschland und der EU sind Neonicotinoide weitgehend verboten, doch nicht alle Mittel stehen auf der schwarzen Liste. So kann man beispielsweise „Thiacloprid“ der Firma Bayer in jedem Baumarkt kaufen. Ein Verbot ohne Prinzip, kritisieren Naturschützer wie Konzerne. Die EU erwägt nun, das Verbot ganz zu kippen – oder es auf alle Mittel auszuweiten.
Rund um das Verfahren tobt ein Kampf um die Meinungs- und Erkenntnishoheit. Als der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) das Bayer-Mittel bezichtigte, Bienen zu „töten“, klagte Bayer umgehend. In zweiter Instanz bestätigten die Gerichte den BUND in seiner Kritik, der Chemiekonzern aber darf weiter damit werben, dass sein Produkt den Bienen nicht schade. Der BUND testete die Beratung in den Baumärkten und fand heraus, dass die Mitarbeiter nicht über alle Risiken des Präparats informieren. „Thiacloprid ist nicht nur für Bienen gefährlich, es schadet auch anderen Insekten wie Würmern und damit indirekt auch Vögeln“, sagt Tomas Brückmann vom BUND. Die Naturschützer würden das Produkt am liebsten aus den Regalen verbannen: „Thiacloprid steht im Verdacht Krebs zu erregen“, sagt Brückmann.
Bienen-Experten streiten über den Einfluss von Pestiziden
Viele Bienen-Experten geben dem BUND recht. Doch mindestens genauso viele Wissenschaftler schütteln zu den Vorwürfen nur mit dem Kopf. So zum Beispiel Klaus Wallner, der an der Universität Hohenheim zum Thema Bienen forscht. „Insektizide, also auch Neonicotinoide, töten Insekten“, sagt Wallner, der selbst auch Imker ist. Die Biene sei da nicht ausgeschlossen. Tatsächlich sei für die Bewertung von Schädlingsbekämpfungsmitteln wie Thiacloprid aber in erster Linie die Handhabung entscheidend.
„Die Versuchsanordnung im Labor entspricht nicht der Handhabung auf dem Feld“, erklärt Wallner. Beim sogenannten Beizen des Saatguts werden die Körner mit dem Pestizid bearbeitet, noch bevor sie in die Erde gesetzt werden. So komme das Gift bei korrektem Einsatz gar nicht an die Biene, so Wallner.
Naturschützer halten dagegen, dass das Gift vereinzelt im Blütentau wieder auftaucht. Forscher sollen nun herausfinden, wie und wo das Präparat von Bayer eingesetzt werden kann, ohne Bienenvölker zu vergiften. „Wenn Thiacloprid für Bienen giftig wäre, dürfte es in Deutschland schon längst keinen Rapshonig mehr geben“, sagt Wallner. Hier wird das Mittel nämlich häufig eingesetzt. Ganz auf Pestizide zu verzichten, ist aus Sicht des Forschers keine Option, schließlich wachse die Weltbevölkerung und damit die Nachfrage nach Lebensmitteln.
Eine tödliche Milbe
Jedes Jahr erscheinen rund ein Dutzend neue Studien zum Thema Bienensterben, in Auftrag gegeben mal von der Industrie, mal von ihren Kritikern. Die Ergebnisse unterscheiden sich teils drastisch. Beim Streit um die Neonicotinoide ist daher hinter vorgehaltener Hand immer wieder von „persönlichen Konflikten“ zwischen Forschern, Unternehmensvertretern und Naturschützern die Rede.
Fest steht: Schlagzeilen, nach denen die Biene in Europa aussterbe, sind nicht seriös. Doch gut steht es nicht um die nützlichen Insekten. „Die meisten Bienen sterben wegen der Varroamilbe, nicht wegen den Neonicotinoiden“, erklärt Christoph Otten vom Fachzentrum Bienen und Imkerei (FBI) in Montabaur im Westerwald. Seine Mission: Das Bienensterben dokumentieren und Imker dabei unterstützen, ihre Bienen vor dem Tod zu bewahren. Die Neonicotinoide, darüber sind sich die Bienenfreunde dann doch einig, sind nicht der Bienenkiller Nummer eins. Es sind natürliche Feinde, die Varroamilben, die für die meisten Bienentode verantwortlich sind. Der aus Südostasien eingeschleppte Parasit legt seine Eier in die Bienenkörper und zerfrisst sie von innen.
Laut Otten starben im vergangenen Winter deutschlandweit rund 22 Prozent der Bienen, viele von ihnen in Bayern (26 Prozent des Bestandes), weniger in Brandenburg (16 Prozent). Dass fast ein Viertel der deutschen Völker in nur einem Winter sterben mussten, klingt erst mal erschreckend. Bei der Bewertung dieser Zahlen aber mahnen Experten auch zur Vorsicht, denn die Sterberate bei Bienen schwankt von Jahr zu Jahr stark. Generell werden im Winter weniger Pestizide eingesetzt und Bienen kommen mit Substanzen wie Thiacloprid kaum in Berührung.
Mohamed Amjahid
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