Urteile im Schlecker-Prozess: Wenn Recht nicht billig ist
Anton Schlecker hat gewirtschaftet, als gäbe es keine Grenzen für ihn. Er ist nicht der Einzige - Middelhoff, Hunold, Kaeser. Am Ende haftet die Gesellschaft. Ein Kommentar.
Für die Schlecker-Frauen ist das Urteil der zweite Schlag ins Gesicht. Oder besser gesagt der dritte. Erst kam die Pleite, dann die Demütigung durch den damaligen Wirtschaftsminister Philipp Rösler, man möge sich bitte schön selbst um eine Anschlussverwendung bemühen, und jetzt das: Anders als seine Kinder kommt Anton Schlecker auf freien Fuß, seine Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Dabei hätten viele der 27.000 meist weiblichen Arbeitnehmer den einstigen Firmenchef gern hinter Gittern gesehen. Als späte Rache dafür, bespitzelt und tyrannisiert worden zu sein. Nicht als Menschen, sondern als Ware behandelt zu werden. So wie Schlecker sein Unternehmen geführt hatte: Hauptsache billig.
Doch der Strafprozess gegen Schlecker ist nicht das Tribunal, das sich viele als Genugtuung gewünscht hätten. Die Frage, die das Gericht beantworten musste, war nicht: War Schlecker ein mieser Chef? Sondern: Hat er verbotenerweise Geld beiseitegeschafft? Nicht die Pleite, nicht der Umgang mit den Beschäftigten, auch nicht die gravierenden Managementfehler waren Gegenstand des monatelangen Prozesses. Und doch spielten all diese Fragen im Hintergrund mit. Für Schlecker senior, 73 Jahre alt, war es dann doch ein Tribunal.
Karriere aus dem Nichts
Anton Schlecker, Metzgerssohn aus dem Schwäbischen, hat eine einmalige Unternehmerkarriere gemacht. Er hat aus dem Nichts eine riesige Drogeriekette aufgebaut. Das ist eine Leistung. Doch Schlecker hat auch da noch fieberhaft neue Filialen eröffnet, als die Zahlen längst rot waren. Betriebs- und Privatvermögen waren eins. Schlecker hat gewirtschaftet, als gäbe es keine Grenzen für ihn. Als die Insolvenz drohte, schob er seinen Kinder und Enkeln noch Millionen zu.
Doch Schlecker ist nicht der Einzige, der sich überschätzt hat. Thomas Middelhoff, bei Bertelsmann lange als Manager-Guru gefeiert, steuerte die Karstadt-Mutter Arcandor in die Insolvenz. Für die Höhenflüge des Jetsetters, Villen- und Jachtbesitzers, der sich im Hubschrauber zur Arbeit fliegen ließ, um dem Stau am Kamener Kreuz zu entgehen, haben viele Verkäuferinnen und Verkäufer in den Karstadt-Filialen mit ihren Jobs, andere mit Lohnkürzungen bezahlt. Oder Joachim Hunold, Gründervater von Air Berlin. Immer größer, immer toller baute er seine Fluggesellschaft aus, bis die Arline unter seinen Nachfolgern krachend zu Boden ging. Tausende Airberliner gehen jetzt stempeln.
Managementfehler, Hochmut und Gier rächen sich. Sie bestätigen die wohlfeilen Vorurteile, dass Unternehmer egozentrisch und verantwortungslos sind. Was in dieser Allgemeinheit natürlich Blödsinn ist. Aber in einer auf Konsens angelegten sozialen Marktwirtschaft, die Wert auf Gerechtigkeit legt und nicht nur auf Profit, sind solche Tendenzen Gift für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Deshalb richtet auch Siemens-Chef Joe Kaeser so großen Schaden an, wenn er trotz eines Rekordgewinns Tausende Arbeitsplätze abbauen will. Unternehmer haben Verantwortung. Für ihre Firma, für die Mitarbeiter und manchmal – wie bei Siemens – auch für ihr Land.
Ob Familienbetrieb oder Dax-Konzern, wer ein Unternehmen leitet, muss die Konsequenzen seines Handelns bedenken. Wer Fehler macht, gefährdet Arbeitsplätze. Am Ende haftet die Gesellschaft. Verantwortungsvoll ist das nicht.
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