Urteil im Schlecker-Prozess: Anton Schlecker bleibt auf freiem Fuß - Kinder müssen in Haft
Drogeriekönig kommt mit Bewährungsstrafe davon. Gegen seine Kinder verhängt das Gericht eine Haftstrafe - unter dem Beifall der Schlecker-Frauen.
Der einstige Drogeriekönig Anton Schlecker bleibt auf freiem Fuß. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den 73-Jährigen am Montag wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Dagegen schickte der Vorsitzende Richter Roderich Martis Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) ins Gefängnis. Lars Schlecker erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, seine Schwester Meike von zwei Jahren und acht Monaten. Den Kindern gehörte die Logistikfirma LDG, die die Schlecker-Filialen belieferte. Die LDG hatte weit überhöhte Stundenlöhne angesetzt. Das Gericht verurteilte die Schlecker-Kinder wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Bankrotts.
Punktlandung für Anton Schlecker
„Das Gericht wollte Schlecker nicht ins Gefängnis schicken“, sagte Rechtsanwalt Florian Donath von der Kanzlei Rödl&Partner dem Tagesspiegel. Nach dem Gesetz ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren das Maximum, bei dem eine Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft gefordert. Die schärferen Urteile gegen Lars und Meike Schlecker erklärt der Wirtschaftsstrafrechtler mit der Vielzahl der Delikte, die ihnen vorgeworfen wurden. Dazu zählen auch vermeintlich unberechtigte Gewinnausschüttungen in Millionenhöhe, die sich die beiden noch kurz vor der Insolvenz ihres Vaters im Januar 2012 haben auszahlen lassen. Ab einem Schaden von mehr als einer Million Euro sei „eine Freiheitsstrafe angemessen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann“, sagte Donath, der damit rechnet, dass die Verurteilten Revision gegen das Urteil einlegen werden.
Empörung im Gerichtssaal
Im Stuttgarter Landgericht, wo seit März dieses Jahres gegen Anton Schlecker und seine Familie verhandelt worden ist, ist die Stimmung angespannt. Viele der früheren Schlecker-Frauen warten auf das Urteil. Dass der einstige Firmenchef Anton Schlecker auf freiem Fuß bleiben soll, empört sie. Dass die Kinder Lars und Meike ins Gefängnis sollen, finden sie dagegen richtig.
Verdi geht hart mit Schlecker ins Gericht
Die Gewerkschaft Verdi nutzt den Tag der Urteilsverkündung zu einer Generalabrechnung mit den Schleckers. Der Bankrott habe die Existenzgrundlage vieler Frauen vernichtet, die teilweise noch heute arbeitslos sind und von Hartz IV leben müssen, sagt Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. „Schlecker war ein Familienunternehmen, das sich nur um die eigene Familie, aber nie um die Familien der Beschäftigten gekümmert hat“, ärgert sich die Gewerkschafterin. Die Wut und die Verbitterung der 27.000 Frauen, die von heute auf morgen auf die Straße gesetzt worden seien, habe die Verurteilten nie interessiert. Das Urteil sei die „Antwort des Rechtsstaats auf diese Form der Wirtschaftskriminalität und fehlende Unternehmerverantwortung“, meint Nutzenberger.
Millionen Euro beiseite geschafft
In dem Prozess ging es um Millionen, die Anton Schlecker zugunsten seiner Familie beiseite geschafft hatte. Geldgeschenke an Kinder und Enkel, vorgezogene Gewinnausschüttungen, übertragene Grundstücke. Geld, das den Gläubigern fehlte – darunter die Arbeitnehmer und die Bundesagentur für Arbeit. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass vor dem Antrag auf Insolvenz rund 16 Millionen Euro den Gläubigern entzogen wurden.
Insolvenzverwalter hat rund zehn Millionen Euro zurück geholt
Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hatte sich mit der Familie allerdings bereits 2013 auf eine Rückzahlung von 10,1 Millionen Euro verständigt, darunter auch 2,5 Millionen Euro für die Privatvilla, die Anton Schlecker seiner Frau Christa übertragen hatte. Anfang November überwies die Familie überraschend weitere vier Millionen Euro als „Wiedergutmachung“, um das Gericht milde zu stimmen. Anton Schlecker, der einst ein Imperium mit Milliardenumsätzen geführt hatte, gilt heute als mittellos. Er musste sich zwei Millionen Euro von seiner Frau leihen. Ursprünglich hatte auch Christa Schlecker vor Gericht gestanden. Das Verfahren gegen sie war aber gegen Zahlung von 60.000 Euro im Mai eingestellt worden.
Wann wusste Anton Schlecker Bescheid?
Die Kernfrage in dem Prozess war, wann Anton Schlecker die Pleite kommen sah. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Unternehmer keine Geldgeschenke mehr machen dürfen. Denn Privat- und Betriebsvermögen waren bei Schlecker, der seine Geschäfte als eingetragener Kaufmann führte, nicht getrennt. Spätestens 2010 hätte Schlecker als erfahrener Kaufmann und quasi allein herrschender Firmenchef Bescheid gewusst, meint die Staatsanwaltschaft. In dem Unternehmen sei es ab 2009 nur noch darum gegangen, „Löcher zu stopfen und sich von einer Liquiditätslücke zur nächsten zu hangeln“. Schon damals, also drei Jahre vor der Pleite, habe es „massive Liquiditätslücken“ gegeben. Anton Schlecker weist das zurück. Er habe die Insolvenz nicht kommen sehen, erklärte der Firmengründer zum Prozessauftakt. Obwohl sein Unternehmen seit 2004 mit einer einzigen Ausnahme nur noch rote Zahlen schrieb.
Richter: Schlecker hoffte weiter
Anfang 2011 hatte Schlecker nur noch sieben Millionen Euro liquide Mittel, betonte der Vorsitzende Richter Roderich Martis am Montag. „Er wusste, dass die Firma am Ende war – und hoffte dennoch weiter.“ Angemeldet wurde die Insolvenz allerdings erst ein knappes Jahr später, im Januar 2012.
Wird Revision eingelegt?
Die Verteidiger von Anton Schlecker wollen das Urteil gegen ihren Mandanten genau analysieren und erst danach über einen möglichen Revisionsantrag entscheiden. Es sei ein sehr komplexes Verfahren gewesen, in dem sich keiner der Beteiligten leichtgetan habe, sagte Rechtsanwalt Norbert Scharf am Montag im Landgericht Stuttgart. „In einem Punkt gibt es natürlich einen Dissens, der zieht sich durch die gesamte Hauptverhandlung“, betonte er aber. „Das ist die Frage, wann die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Milliardenkonzerns bestand und wann das bemerkbar war.“ Sollte die Verteidigung der Schlecker-Kinder Revision zum Bundesgerichtshof einlegen, kommen auch Lars und Meike vorerst um den Gang ins Gefängnis herum. Da sich beide nicht in Untersuchungshaft befänden, werde bei Einlegung des Rechtsmittels die Haftstrafe nicht vollstreckt, meint der Wirtschaftsstrafrechtsanwalt Florian Donath.
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