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Ein Security-Mitarbeiter hütet das wegen des Virus’ geschlossene Geschäft in Peking.
© Reuters

Coronavirus: Wenn Home Office zur Pflicht wird

Wegen des Coronavirus' arbeiten viele Chinesen von zu Hause. Für Arbeiter geht das nicht – sie müssen um ihre Existenz fürchten.

Seit Montag ist der Urlaub zum Chinesischen Neujahr eigentlich vorbei, doch noch bis mindestens Anfang nächster Woche sollen Chinas Angestellte, Fabrikarbeiter, Studenten und Schüler zu Hause bleiben. Womöglich müssen sie damit rechnen, dass die von der Regierung verordneten Zwangsferien immer wieder verlängert werden, denn die Zahl der Todesopfer verursacht durch den neuartigen Coronavirus, steigt weiter rasant.

Seitdem die ersten Erkrankungen durch das Virus bekannt wurden, das nach bisherigen Erkenntnissen seinen Ursprung auf einem Wildtiermarkt in Wuhan fand, arbeiten in der Region um die Metropole Wuhan, immer mehr Büroangestellte im Home Office.

Videochat statt Kaffeetrinken

Statt sich persönlich zum Essen zu treffen, werden Kundentermine und Arbeitstreffen verstärkt über die Videochat- Apps etwa von WeChat Work organisiert. Auch der von Bytedance angebotene Slack ähnliche Messenger Lark kommt verstärkt zwischen Kollegen zum Einsatz, die normalerweise in einem Büro sitzen würden.

Während das Home Office durch den Ausbruch des Coronavirus mehr Akzeptanz in der chinesischen Arbeitswelt bekommt, steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Online-Bildungsplattformen.

Schulen bieten Onlinekurse an

Das Bildungsministerium in Peking hat für Mitte Februar angekündigt, dass Onlinekurse für die Studenten und Schüler angeboten werden, die weiterhin zu Hause bleiben müssen. Laut dem Beratungsunternehmen iResearch ist der Online-Bildungsmarkt im Jahr 2018 um 25,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 251, 7 Milliarden Yuan (35,9 Milliarden Dollar) gestiegen. Bisher ist die Prognose eines jährlichen Wachstums von 16 bis 24 Prozent in den folgenden drei bis fünf Jahren.

Für manche Branche ist die Situation derzeit ein doppelter Rückschlag. Frau Jin, die davon lebt, teuren Schmuck, Uhren und Lifestyle anzubieten, ist es nicht gewohnt so viel Zeit zu Hause zu verbringen. An einem klassischen Arbeitstag trifft sie ihr zehnköpfiges Team, dann meist noch ein oder zwei Markenchefs, oder Vertreter zum Mittagessen und abends gibt es oft noch Treffen mit Anzeigenkunden oder geschäftliche Einladungen zum Abendessen.

Konsum bricht ein

Hinzu kommt, dass sie mindestens einmal im Monat innerhalb Chinas und alle sechs Wochen ins Ausland reist. Wenn sie nicht reist, ist sie lange Stunden im Büro. Sie ist Chefin eines Luxusmagazins. „Jetzt sind trotz der von den Schulen angekündigten Onlinekurse beide Kinder mindestens noch zwei Wochen zu Hause“, klagt sie.

All das lässt sich aber online nicht wirklich kompensieren weil gleichzeitig der Konsum der Chinesen einbricht, gaben Anfang der Woche Titel von Luxusmarken wie Burberry oder LVMH an der Börse je um vier Prozent nach.

Arbeiter fürchten um ihre Existenz

Während Büroangestellte ihre Arbeit zumindest teilweise von zu Hause ausüben können, Fabrikarbeiter, Ayis – Frauen, die in der Kinderbetreuung oder im Haushalt helfen –, Wanderarbeiter oder andere Menschen in der Dienstleistungsbranche, können ihrer Arbeit gar nicht mehr nachkommen. Sie lässt sich weder online noch zu Hause erledigen. Diese Menschen haben derzeit keine Einkünfte mehr und können, soweit vorhanden, nur auf Ersparnisse zurückgreifen. Für sie bedeutet jeder Tag, den sie nicht arbeiten, dass sie nicht wissen wovon sie Miete und Lebensmittel bezahlen sollen.

Es ist nicht absehbar, wie lange das Land in Teilen noch unter Quarantäne stehen wird. In der Provinz Hubei um Wuhan, oder in der Provinz Zhejiang, nahe Schanghai, ist es den Menschen nur noch an bestimmten Tagen erlaubt außer Haus zu gehen und Einkäufe zu erledigen.

Pass notwendig, um Wohnung zu verlassen

In den Städten Wenzhou, Hangzhou, Ningbo und Taizhou mit zusammen mehr als 30 Millionen Einwohnern soll nun jedem Haushalt ein Pass ausgestellt werden. Nur eine Person pro Haushalt darf mit diesem Pass alle zwei Tage die Wohnung verlassen. Diese Regeln wurden in den staatlichen Medien und den Social-Media- Kanälen der Regierungen bekannt gegeben.

Home-Office und Onlinekurse sind also keine Dauerlösung. Chinas Wirtschaft hat gerade in den vergangenen Jahren den Ausbau des Dienstleistungssektors stark vorangetrieben, um das Wirtschaftswachstum am Laufen zu halten. Und Dienstleistungen sind an menschliche Begegnungen geknüpft.

Fatale Prognose für die Wirtschaft

Die Ratingagentur Standard und Poor’s rechnet damit, dass es in der Coronavirus-Krise im April zu einer Stabilisierung der Situation kommen wird: „Unsere schlimmsten Prognosen gehen davon aus, dass sich das Virus Ende Mai und optimistisch im März nicht mehr ausbreitet. Dies deutet darauf hin, dass die größten Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit im asiatisch-pazifischen Raum im ersten und zweiten Quartal zu erwarten sind. Später im Jahr 2020 sollte sich das Wachstum stabilisieren und sich bis Anfang 2021 erholen, da die vorübergehenden Auswirkungen auf die Aktivität nachlassen.“

Für die vielen unbeschäftigten und damit unbezahlten Arbeiter – aber auch für die wirtschaftlichen Ziele Pekings – ist diese Prognose fatal.

Ning Wang

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