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Die Reisebranche leidet schon jetzt unter den Folgen des Coronavirus'.
© REUTERS
Update

Webasto-Mitarbeiter infiziert: Wie deutsche Firmen ihre Mitarbeiter vor dem Coronavirus schützen

Dutzende Unternehmen aus der Bundesrepublik sind in der Krisenregion ansässig. Darunter SAP, die Telekom oder Siemens. Wie reagieren sie?

Jens Hildebrandt schickt erstmal eine Warnung voraus, als er am Montag an sein Handy geht. „Vielleicht versteht man mich nicht so gut; erstens sitze ich gerade im Zug nach Peking und zweitens trage wir alle hier einen Mundschutz“, sagt das Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China.

Doch das Mobilfunknetz in der Volksrepublik hält und auch durch den Mundschutz hört man, dass in den deutschen Unternehmen vor Ort zwar Sorge über die Ausbreitung des Coronavirus’ herrscht. Für Panik, so betont Hildebrandt, ist es aber zu früh.

„Die deutschen Unternehmen in China stellen derzeit Pläne auf, wie mit der aktuellen Situation umzugehen ist“, erklärt er. Noch befänden sich fast alle Mitarbeiter wegen des Frühlingsfests im Urlaub. „Daher haben die Unternehmen noch ein paar Tage Zeit, zu planen wie man gegebenenfalls mit einer reduzierten Mannschaft produzieren könnte oder was für Schutzmaßnahmen getroffen werden.“

Webasto hängt am chinesischen Markt

Zumindest bei Webasto ist es mit der Ruhe allerdings vorbei. Der bayerische Autozulieferer bestätigte am Montag, dass der erste Corona-Fall in Deutschland einer ihrer Mitarbeiter ist. Wie die Behörden mitteilten hat sich der 33-Jährige in Deutschland bei einer chinesischen Kollegin angesteckt, die in der Bundesrepublik zu Besuch gewesen sei.

Für Webasto etwa ist China sogar der wichtigste Markt. Das bayerische Unternehmen entwickelt und produziert dort Batterie- und Ladesysteme für die Elektromobilität. 600.000 Ladestationen sollen allein in Wuhan pro Jahr gebaut werden.

Am Montag hatte das Unternehmen noch mitgeteilt, das Werk in Wuhan bleibe wegen des Virus’ um drei Tage länger geschlossen als die staatlichen Feiertage es vorsehen. Heute teilte Webasto zudem mit, dass alle Reisen nach und von China für mindestens die kommenden zwei Wochen abgesagt seien. Den Mitarbeitern am Standort Stockdorf hat das Management außerdem freigestellt, diese Woche im Homeoffice zu arbeiten.

Ähnlich hatte auch der Autozulieferer Schaeffler vorsorglich reagiert. Hier steht die Produktion in den betreffenden Gebieten in China bis zum 10. Februar still. Zudem wurden Mitarbeitern Flüge in die Volksrepublik strikt untersagt. „Wir nutzen diese Zeit, um die Shuttle Busse und Arbeitsplätze zu desinfizieren“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Auch die Autozulieferer Bosch, Brose, Mahle und Magna unterhalten Werke in Wuhan.

50 Deutsche Firmen in Wuhan

In China sind rund 5000 Firmen aus Deutschland ansässig, der Großteil davon an der Küste. In der Region um Wuhan gibt es knapp 50 deutsche Unternehmen. Darunter sind bekannte Namen wie SAP, Telekom, Fresenius oder Siemens.

Inwieweit deren Produktion von einer möglichen Evakuierung deutscher Staatsbürger durch das Auswärtige Amt betroffen wäre, kann die Handelskammer nicht einschätzen. „Der Großteil der Beschäftigten in den deutschen Unternehmen vor Ort sind aber lokale Mitarbeiter“, sagt Hildebrandt. Die Informationen der Behörden zu verfolgen, sei derzeit das Wichtigste. „Denn die Lage kann sich stündlich ändern.“

Ein Mundschutz ist derzeit in der Region um Wuhan der mindeste Schutz. Viele Unternehmen desinfizieren ihre Räumlichkeiten nun auch deutlich häufiger.
Ein Mundschutz ist derzeit in der Region um Wuhan der mindeste Schutz. Viele Unternehmen desinfizieren ihre Räumlichkeiten nun auch deutlich häufiger.
© AFP

Die in Wuhan ansässigen Firmen greifen zu unterschiedlichen Maßnahmen. Der Handelskonzern Metro beispielsweise ist dort mit vier Standorten vertreten und hat in jedem der vier Märkte Körpertemperatur-Kontrollpunkte für Mitarbeiter und Kunden als Vorsichtsmaßnahme eingerichtet.

Zudem werden den Angestellten Informations- und Schutzmaterialien zur Verfügung gestellt. Infektionen wurden bislang nicht festgestellt, so eine Sprecherin. Metro rät zudem allen Mitarbeitern von Reisen nach Wuhan ab, andere Firmen haben eine entsprechende Warnung sogar für alle Flüge nach China ausgesprochen.

Home-Office oder längerer Urlaub

Während Produktionsausfälle in Wuhan für deutsche Autohersteller wohl zu verkraften wären, könnte Frankreichs Autoindustrie eine längere Abschottung der Region stärker treffen. Renault-Nissan sowie die Opel-Mutter PSA mit ihren Kernmarken Citroën und Peugeot haben dort größere Werke zusammen mit ihrem chinesischen Jointventure-Partner Dongfeng. PSA plant bereits, französische Mitarbeiter und ihre Familien abzuziehen, melden Nachrichtenagenturen. Das PSA-Werk in Wuhang ist auch für Opel wichtig.

Die IT-Unternehmen SAP und T-Systems, ein Tochterunternehmen der Telekom, fürchten hingegen keine großen Umsatzeinbußen. Beide sind in Wuhan vertreten und haben ihre Mitarbeiter angehalten, von zuhause aus zu arbeiten. Der Düsseldorfer Konzern Henkel – er unterhält in der betroffenen Region zwei Standorte mit insgesamt 60 Mitarbeitern – hat den Urlaub ebenfalls um drei Tage verlängert.

Zudem geben alle Firmen an, ihre Räumlichkeiten häufiger zu desinfizieren und Mundschutz-Masken bereitzustellen. Auch Firmen wie BASF, die nicht in Wuhan und Umgebung ansässig sind, haben ihre Mitarbeiter in China über Schutzmaßnahmen informiert.

Studiosus sagt alle China-Reisen ab

Während sich die Produktionsausfälle bislang also noch in Grenzen halten, spüren vor allem Verkehrsunternehmen bereits die wirtschaftlichen Folgen durch die unsichere Lage auf dem Riesenmarkt. Die Aktien amerikanischer Fluglinien wie United oder American Airlines stürzten am Montag ab – teils um mehr als 16Prozent. Die Lufthansa verlor zwischenzeitlich sechs Prozent. Auch die weltgrößten Kreuzfahrt-Konzerne Carnival, Norwegian Cruise Line und Royal Caribbean verloren am Montag deutlich an Wert.

Der Reiseveranstalter Studiosus hat am Montag alle Reisen nach China bis Mitte April abgesagt. Chinagäste mit Abreise bis zum 31. Mai können kostenlos umbuchen oder stornieren. Insgesamt reisen jährlich rund etwa 600.000 bis 650.000 Menschen aus Deutschland nach China; rund zwei Drittel davon sind Geschäftsreisende.

Die Angst vor dem Sars-Effekt

Man verzeichne eine „leicht zurückhaltende Buchungslage für Flüge von und nach China“, sagte ein Lufthansa-Sprecher dem Tagesspiegel. Er weist darauf hin, dass das Risiko sehr gering sei, sich auf einem Flug mit dem Coronavirus anzustecken. „Unsere Flugzeuge sind mit Filtern ausgestattet, die die Kabinenluft reinigen“, teilt der Konzern mit.

„Die gesamte Rezirkulationsluft wird gefiltert und von Verunreinigungen wie Staub, Bakterien und Viren aus der Kabinenluft gesäubert.“ Das mache rund 40 Prozent der Luft aus – der Rest komme als Frischluft von außen hinzu. Damit sei die Luft im Flugzeug sauberer als auf der Erde.

Angesichts der internationalen Handelsstreitigkeiten und einer schwächer wachsenden chinesischen Wirtschaft wächst weltweit die Sorge, der negative Effekt könne deutlich stärker ausfallen als bei der Sars-Epidemie 2002. Damals wurde das globale Wachstum um ein Prozent verlangsamt. Zudem gab es harsche Kritik an der Informationspolitik der chinesischen Regierung. Zumindest das läuft dieses Mal wohl besser. „Das Krisenmanagement der Regierung ist sehr koordiniert und sie informiert schnell und gut“, meint Jens Hildebrandt.

Auch wenn deutsche Unternehmen in Wuhan und Umgebung bislang keine dramatischen Folgen sehen, rechnen Experten damit, dass das Coronavirus die Wirtschaft weltweit bremsen wird. Das spiegelte sich am Montag an den Börsen wieder: Von den USA über den Dax bis nach Japan gaben die Märkte nach. Vermeintlich sichere Anlagen wie Gold oder der Schweizer Franken gewannen an Wert.

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