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Immer wieder gibt es - wie hier in Peru - soziale Unruhen, weil Bergarbeiter schlecht bezahlt oder ansonsten sozial ausgebeutet werden.
© dpa

Rohstoffstrategie: Wenn das iPhone Kriege finanziert

Kein Windrad dreht sich, kein Smartphone funkt ohne Rohstoffe aus Entwicklungs- oder Schwellenländern. Für Unternehmen wird es immer wichtiger die eigenen Lieferketten zu überprüfen.

Ist die deutsche Rohstoffstrategie zeitgemäß? Nein, sagt Michael Reckordt vom AK Rohstoffe, einem Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen. Unterstützung bekommt er am Dienstagabend in der Katholischen Akademie in Berlin von Markus Vogt, Ethikprofessor an der Uni München. In der Tat sei die Rohstoffpolitik der Bundesregierung vor allem darauf ausgerichtet, die Versorgung der Wirtschaft mit Erzen, Metallen, Mineralien aus aller Welt zu sichern. Ethisches - etwa: wie steht es um die sozialen und Arbeitsbedingungen in den Abbaugebieten - sei da eher ein Randaspekt.

Auf einer Fachtagung in Berlin tauschen sich derzeit Sozialethiker über Ressourcenkonflikte aus, ein Thema, das in Zeiten hochtechnisierter Produkte und Produktionsprozesse auch für die Wirtschaft eine immer größere Bedeutung bekommt. Kies, Sand, Kalkstein oder Ton - daran herrscht hierzulande kein Mangel. Viele wichtige Industriemineralien hingegen, seltene Erden, Erze, fossile Rohstoffe müssen deutsche Unternehmen vollständig importieren.

Kritiker: Regierung muss sich stärker einmischen

Oft kommen diese Rohstoffe aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Afrika und Südamerika sind die Steinbrüche der Neuzeit. Oft sind die politischen Regime instabil, viele der Rohstoffe, ohne die kein Mobiltelefon funken und kein Windrad für die deutsche Energiewende sich drehen würde, kommen aus Bürgerkriegsgebieten, Diktaturen und Staaten, mit sozial tief gespaltenen Gesellschaften.

Kritiker wie Vogt und Reckordt fordern deshalb mehr Verantwortung von deutscher Seite. Die Regierung müsse die Rohstoffstrategie stärker als Querschnittaufgabe angehen, indem sie beispielsweise die Entwicklungspolitik mehr einbinde, fordert Vogt. Reckordt hält einen wachsenden politischen Druck auf die Unternehmen, die Rohstoffe aus Krisengebieten beziehen, für notwendig.

Der ist nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums aber nicht entscheidend. "Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit ist inzwischen so groß, dass große Unternehmen ihre Lieferketten prüfen und bis ins letzte transparent machen", sagt Thomas Gäckle, im Wirtschaftsministerium verantwortlich für das Rohstoffthema. Im Kopf hat er dabei allerdings aktuell nicht etwa VW, Siemens, BASF oder andere deutsche Großkonzerne - sondern Apple.

Apple und das böse Tantal

Der US-Technologiekonzern und iPhone-Hersteller hatte jüngst angekündigt möglichst komplett auf den Einsatz von Rohstoffen verzichten, die in Konfliktregionen gefördert werden. Das für die Produktion wichtige Mineral Tantal stamme inzwischen nachweisbar vollständig aus konfliktfreien Quellen, schreibt das Unternehmen in einem Mitte Februar veröffentlichten Bericht.

Tantal-Erze wie Tantalit und Coltan werden als sogenannte Konfliktmineralien eingestuft, da die Förderminen im Osten der Demokratischen Republik Kongo von Rebellen kontrolliert werden. Diese Betriebe stehen im Verdacht, Menschenrechtsverletzungen mitzufinanzieren.

"Menschenrechte sind nicht verhandelbar", betont dann auch Matthias Wachter, Rohstoffexperte des Spitzenverbands BDI und an diesem Abend die Stimme der Unternehmen. Kein Unternehmen könne es sich mehr leisten gewisse Standards nicht zu erfüllen, sagt er. Deutsche Firmen seien führend in sozialen und ethischen Fragen und übererfüllten in so manchem Land die nationalen Standards.

Industrie: Haben oft keinen Einfluss auf Produzenten

Dennoch sei die Einflussmöglichkeit begrenzt. So seien deutsche Unternehmen nicht mehr im Bergbau aktiv, wo Arbeiter oft besonders schlecht behandelt werden. Dadurch, dass man an Rohstoffbörsen einkaufe, habe man keinen Einfluss auf Minenbetreiber in Peru oder auf den Philippinen, von wo zuletzt immer wieder Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen kamen.

Die deutsche Industrie setzt nach eigenen Angaben auf freiwillige und europäisch koordinierte Lösungen, um die Ausbeutung von Menschen und Umwelt durch die Rohstoffgewinnung in Entwicklungsländern einzudämmen. Für Menschenrechtsorganisationen ist das jedoch nicht akzeptabel. Die Apple-Initiative zeige, dass es ohne staatlichen Druck - sprich: Gesetze - nicht gehe, sagt Reckordt. Der Konzern habe sich nämlich keineswegs freiwillig aus Teilen des Kongo zurückgezogen: Laut US-Gesetz, dem Dodd-Frank-Act, müssen Unternehmen nachweisen, dass sie nicht über Umwege Konflikte in der Republik Kongo oder angrenzenden Staaten finanzieren.

Simon Frost

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