Kolumne: Das Öl der Ära nach dem Öl
Seltene Erden sind für die Energiewende so wichtig wie das Öl für das Zeitalter des Verbrennungsmotors. Deshalb müssen wird von China unabhängig werden.
Was haben Solarzellen, Windräder, verbrauchsarme Elektrogeräte, Stromsparlampen und Elektroautos gemeinsam? All diese Dinge werden für die Energiewende dringend gebraucht. Aber es gibt noch eine zweite, weniger offensichtliche Gemeinsamkeit: Die ökologisch korrekten Hightech-Geräte enthalten Seltene Erden und mit ihnen verwandte chemische Elemente, die zu 95 Prozent in China produziert werden – und zwar unter Bedingungen, die ökologisch ganz und gar nicht korrekt sind.
Seit dem vergangenen Jahr dreht Peking an der Preisschraube, indem es die Ausfuhr der begehrten Rohstoffe drosselt. Die EU, die USA und Japan sind außer sich; im März verklagten sie den Monopolisten bei der Welthandelsorganisation. China konterte jetzt mit der Gründung eines „Industrieverbandes für Seltene Erden“. Der Verband soll sicherstellen, dass die Preise hoch und das Monopol gesichert bleiben. Die Strategie dahinter ist kein Geheimnis: China will Technologieführer in den Sektoren Elektronik, Transport und Energie werden. Hightech-Firmen aus den Industrieländern sollen ihre Produktion an die Quelle der Rohstoffe verlegen, damit das Know-how ins Reich der Mitte fließt.
Die Seltenen Erden sind 17 Metalle, deren Erze nur selten in Reinform zu finden sind. Die chemischen Elemente stehen im mittleren und unteren Bereich des Periodensystems – dem Teil, der in den Schultafeln meist zugeklappt ist, weil diese Elemente sowieso nicht abgefragt werden. Die Position im Periodensystem hängt damit zusammen, dass diese Metalle besondere Eigenschaften haben: Ihre äußere Elektronenhülle kann Strom in Licht oder chemische Energie umwandeln und umgebende Atome nach deren magnetischer Orientierung ausrichten. Deshalb werden sie in Lasern und Leuchtstofflampen, für LCD- und Plasmabildschirme, in Batterien und Katalysatoren verwendet. Als Beimischung zu Eisen und anderen magnetischen Elementen sorgen Seltene Erden dafür, dass sich deren Atome in einer Richtung ausrichten. Dadurch entstehen extrem starke Dauermagnete, die für leichte Generatoren und Elektromotoren gebraucht werden.
Aus den Industriestaaten hört man nun den trotzigen Hinweis, dass die Seltenen Erden gar nicht so selten seien. Man könne auch Lager außerhalb Chinas erschließen. Einfach wird das jedoch nicht, denn das chinesische Monopol beruht auf politischen Fehlern und einem geologischen Vorteil. Nur, wenn aufsteigendes Magma in der Erdkruste sehr langsam abkühlt, trennen sich die Seltenen Erden vom umgebenden Gestein, so dass sie wirtschaftlich rentabel abgebaut werden können. Der Grund dafür ist die ungewöhnliche Elektronenhülle der Seltenen Erden. Geeignete Vorkommen gibt es nicht nur in Zentralasien, sondern auch in Afrika, Skandinavien und Nordamerika. Doch das Schürfen nach den schmalen und verzweigten Erzadern zerstört die Landschaft. Um die Seltenen Erden herauszulösen, muss das Gestein aufwendig gemahlen und mit umweltschädlichen Säuren behandelt werden. Die USA, die bis 1984 Weltmarktführer bei der Gewinnung Seltener Erden waren, haben ebenso wie andere Industrieländer ihre Minen geschlossen, weil der Import aus China billiger ist. Dass dort die Umwelt zerstört wird und die Welt von einem undemokratischen Regime abhängig wird, nahm die Politik bedenkenlos in Kauf.
Doch China hat auch einen geologischen Vorteil, der den Wettbewerb erschwert. Im Süden der Volksrepublik, an der Außenkante der Eurasischen Kontinentalplatte, stiegen einst große Mengen Magma auf und verwitterten dann über Jahrmillionen zu einem ionenadsorbierenden Ton, der große Mengen Seltener Erden enthält. Aus dieser gigantischen Lagerstätte können die kostbaren Metalle einfach ausgewaschen werden – zu einem Bruchteil der Kosten des Erzaufschlusses.
Die Seltenen Erden (und einige ähnliche Metalle) sind für die Energiewende so wichtig wie das Öl für die Zeit davor. Die Industrieländer müssen dringend neue Vorkommen erschließen, um die Zerstörung der Umwelt zu bremsen und neue Abhängigkeiten von undemokratischen Regimen zu verhindern. Dafür ist kein Preis zu hoch.
Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.