Italienische Wirtschaft geschwächt: Wen zieht das Coronavirus mit in die Rezession?
Die Wahrscheinlichkeit für eine längere globale Wirtschaftskrise wächst. In Deutschland trifft das Virus eine ohnehin erlahmte Wirtschaft.
Am Dienstagmorgen sah es so aus, als sei der Corona-Crash vom Vortag doch nur eine kleine Delle gewesen. Hatte der Dax am Montag, dem ersten Handelstag nach dem Ausbruch in Italien, noch 4,01 Prozent verloren, ging es morgens wieder bergauf. Auch andere Indizes weltweit schienen sich zu erholen. Doch diese Hoffnung währte nur kurz. Schon ab dem Vormittag ging es wieder bergab und schon bald landete der Dax unter der psychologisch wichtigen Schwelle von 13.000 Punkten. Und mit jedem verlorenen Index-Punkt wuchs die Sorge, dass das Coronavirus die Konjunktur doch nachhaltig schwächen könnte.
Nachdem mit China bereits die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt unter dem Coronavirus leidet, droht mit Italien auch die achtgrößte Wirtschaftsnation lahmgelegt zu werden. Und auch Südkorea, immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens, meldet immer mehr Fälle. Das alles hat deutliche Folgen auch für die deutsche Industrie. Unter den deutschen Exporteuren verschlechterte sich die Stimmung denn auch merklich, wie das Münchener Ifo-Institut am Dienstag mitteilte.
Im Februar fielen die Exporterwartungen der Industrie demnach von plus 0,8 Punkten im Vormonat auf minus 0,7 Punkte. Die Entwicklungen rund um das Virus ließen „kurzfristig kaum auf Besserung hoffen“, erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Ohnehin trifft das Virus Deutschland in einer Schwächephase. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt gab, stagnierte die Wirtschaft im vierten Quartal 2019.
Wucherpreise für Masken und Desinfektion
Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sieht die Epidemie gar als „Game Changer“ für die Globalisierung. Der Ausbruch und seine Folgen hätten eine „unverantwortliche und unvernünftige“ Abhängigkeit von China offenbart. Neu gedacht werden müssten nun die globalen Lieferbeziehungen insbesondere in der Gesundheits- und Autoindustrie, sagte Le Maire bei einem Besuch in der griechischen Hauptstadt Athen. „Wir können nicht weiterhin bei pharmazeutischen Wirkstoffen zu 80 bis 85 Prozent von China abhängig sein“, fügte er hinzu.
Was Deutschland und Frankreich möglicherweise noch vor sich haben, kann man derzeit in Italien bereits beobachten. In Venetien und der Lombardei sind mehrere Kommunen abgeriegelt worden. Betriebe stehen still, am Wochenende gab es Hamsterkäufe. Vor Geschäften bilden sich lange Schlangen, die Post erklärte am Dienstag, die Region nicht mehr zu beliefern. Unternehmen wie Giorgio Armani schickten ihre Mitarbeiter in bezahlten Urlaub oder verordneten Homeoffice.
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Die Preise für Hygienemasken und Desinfektionsmittel stiegen wegen des Virus derart drastisch, dass die stellvertretende Mailänder Chefanklägerin Tiziana Siciliano eine Untersuchung ankündigte. „Der Preis für Atemschutzmasken im Internet ist von einem Cent auf zehn Euro gestiegen, und eine Ein-Liter-Flasche Desinfektionsmittel, die vorige Woche für sieben Euro im Handel war, kostete gestern bis zu 39 Euro“, sagte sie der Agentur Reuters.
Italien rutscht in die Rezession
Wie sehr sich der Stillstand im öffentlichen Leben auf die Wirtschaftsleistung auswirken könnte, zeigt ein Zitat der stellvertretenden italienischen Wirtschaftsministerin Laura Castelli. Sie appellierte an die EU, bei der Bewertung der Haushaltslage des Landes flexibel zu sein. Die Gemeinschaft müsse Italien bei den Etatzielen entgegenkommen, sagte sie dem Sender Rai Uno.
Das Virus trifft indes ausgerechnet die wirtschaftsstärkste Region Italiens. Die Lombardei und Venetien erwirtschaften rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung und die Hälfte der Exporteinnahmen des Landes. Italienische Ökonomen gehen bereits von einem Minus des Bruttoinlandsproduktes von bis zu einem Prozent aus. Da die Wirtschaft schon im vorherigen Quartal um 0,3 Prozent sank, dürfte Italien in eine Rezession rutschen.
Dass all das auch an der Börse noch Folgen haben wird, fasste am Dienstag Bernd Meyer, Chefstratege der Privatbank Berenberg, zusammen. „Die Wahrscheinlichkeit für länger anhaltende Belastungen des globalen Wachstums ist gestiegen“, meinte er. „Der Markt hatte dieses Risiko in den vergangenen Wochen unterschätzt.“