Sozialismus-Debatte: Wem gehört eigentlich was in Deutschland?
Kevin Kühnert stören die „kapitalistischen Eigentümer“. Doch wen meint er damit? Und wer besitzt hierzulande was? Eine Einordnung.
Geht es nach Kevin Kühnert, müssen wir den Kapitalismus überwinden. Der Juso-Chef wünscht sich die Kollektivierung von Unternehmen. Er stellt die Frage, warum sich Mitarbeiter mit einem Lohn abfinden, wo ihnen die Firma doch gehören sollte. Es sind Prinzipien des Sozialismus, die der Juso-Chef sich da zurückwünscht, und für die er viel Kritik einstecken muss. Doch: Wem gehört eigentlich was in Deutschland? Und ist das überhaupt ein Problem?
Wem Unternehmen gehören
„Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden“, fordert Kühnert. Gedacht hat er dabei wohl vor allem an Großkonzerne wie BMW oder die Deutsche Bank. Unternehmen wie sie stehen allein schon aufgrund ihrer Größe exemplarisch für die deutsche Wirtschaft. Dabei machen sie rein zahlenmäßig unser Land gar nicht aus. 3,5 Millionen Unternehmen und damit 99,5 Prozent aller deutschen Firmen sind Mittelständler. Geführt werden sie häufig noch immer von den Gründerfamilien.
Insgesamt sind neun von zehn deutschen Unternehmen in Familienbesitz. Da ist der mittelständische Schraubenhersteller dabei, der in seiner Nische Weltmarktführer ist, aber auch der Kiosk um die Ecke, der Bäcker und die inhabergeführte Kfz-Werkstatt. So hat Deutschland vergleichsweise viele Familienbetriebe und wenige Börsenkonzerne. Gerade einmal 450 Unternehmen sind hierzulande börsennotiert – Großbritannien zum Beispiel kommt auf viermal mehr Aktienkonzerne.
Trotzdem konzentrieren sich auch in Deutschland die Gewinne bei einigen wenigen Unternehmen. So haben Firmen wie BMW, Continental, Aldi oder Bertelsmann Familien wie Quandt, Schaeffler, Schwarz und Mohn reich gemacht. Deshalb aber die Kollektivierung zu fordern, davon hält man in der Wirtschaft nichts. „Unternehmer gehen für den Wohlstand vieler ein persönliches Risiko ein“, sagt Sarna Rösner, Bundesvorsitzende des Verbands Junge Unternehmer. „Wenn sie dabei erfolgreich sind, hat das nichts mit Habgier zu tun.“
Recht haben könnte Juso-Chef Kühnert allerdings, wenn er indirekt fordert, mehr Arbeitnehmer am Erfolg zu beteiligen. Lediglich 39 Prozent der deutschen Aktienkonzerne bieten den Mitarbeitern Anteilsscheine an. Im europäischen Vergleich ist das wenig, EU-weit haben 53 Prozent der Aktienkonzerne Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter. Auch ist die Summe, mit der sich deutsche Mitarbeiter, wenn überhaupt, an ihrem Konzern beteiligen (17000 Euro), geringer als im EU-Durchschnitt (23000 Euro).
Wem Aktien gehören
Spricht Kühnert von „kapitalistischen Eigentümern“, trifft das am ehesten noch auf die großen Aktienkonzerne zu. Denn 65 Prozent der Anteilsscheine, die DaxUnternehmen ausgeben, sind in der Hand von Fondsgesellschaften, Versicherungen und Banken. Weitere 20 Prozent besitzen Staatsfonds und andere Unternehmen. Während Kleinaktionäre und damit Kleinsparer direkt gerade einmal 13 Prozent der deutschen Aktien halten. Der Rest entfällt auf Broker und Depotbanken.
Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der deutschen Aktien an Investoren aus dem Ausland geht. Bei Konzernen wie Adidas, Bayer und Linde kommen sogar mehr als 70 Prozent der Aktionäre nicht aus Deutschland. Entsprechend wenig profitieren Bundesbürger vom Erfolg ihrer Konzerne. Allerdings ist das eine Entscheidung des Einzelnen: Die Deutschen sind schlicht risikoavers und kaufen deshalb wenig Aktien. Wenn sie wollten, könnten sie sich stärker beteiligen. Gleichzeitig hat ihre Weigerung, Aktien zu kaufen, aber auch Auswirkungen auf die Verteilung der Vermögen.
Wem das Vermögen gehört
Erst Anfang April schrieb die Bundesbank wieder: Deutschland bleibt ein Land, „in dem die privaten Vermögen ungleich verteilt sind“. Besonders deutlich wird das, wenn man sich anschaut, wem das Nettovermögen gehört: Gemeint sind sämtliche Vermögen wie Geld, Aktien, Immobilien, Autos und Schmuck abzüglich der Schulden, die ein Haushalt hat. Den jüngsten Zahlen zufolge vereinen die reichsten zehn Prozent hierzulande inzwischen 55 Prozent des gesamten Nettovermögens auf sich. 1998 gehörte ihnen noch ein deutlich kleinerer Anteil, nämlich 45,1 Prozent.
Auch im Vergleich zu anderen EU-Ländern fällt Deutschland negativ auf. In Frankreich und Spanien etwa besitzen die Superreichen einen kleineren Anteil des Vermögens. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es große Unterschiede: So kommt der Medianhaushalt im Osten auf ein Vermögen von 23400 Euro, während es im Westen fast vier Mal mehr ist (92500 Euro). Die Bundesbanker erklären das unter anderem damit, dass im Osten der Anteil der Wohneigentümer geringer ist als im Westen.
Wem Immobilien gehören
Kühnert hält es für anrüchig, „mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten“. Damit richtet er sich gegen alle, die Wohnungen vermieten – allen voran die großen Konzerne. Richtig ist allerdings: Deutschlandweit gehören nur 34 Prozent der Mietwohnungen professionellen Eigentümern. Der Rest und damit die große Mehrheit ist in der Hand von Privatpersonen oder von Gemeinschaften von Wohnungseigentümern. Nur in Berlin, wo gerade über die Enteignung der Deutsche Wohnen diskutiert wird, ist das Verhältnis umgekehrt – 60 Prozent der Berliner Mietwohnungen gehören professionellen Eigentümern. Kühnert hat darauf eine so einfache wie provokante Antwort: „Jeder sollte maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.“
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