Menü für Hamsterkäufer: Was sich aus den Zivilschutz-Vorräten kochen lässt
Im neuen Zivilschutzkonzept empfiehlt die Regierung eine Einkaufsliste für Vorräte. Tobias Janzen, Chefkoch des Kreuzberger "Jolesch", hat ein paar Menü-Vorschläge für Gourmets in Krisenzeiten.
Die Großeltern hatten das Wort Hamstern noch in ihrem aktiven Wortschatz. Und es kam vielen Menschen als erstes in den Sinn als sie vom neuen Zivilschutzkonzept hörten, das das Bundeskabinett am Mittwoch auf den parlamentarischen Weg gebracht hat. In dem Papier wird auch empfohlen, Lebensmittel zu horten.
Oma kannte noch Zeiten, in denen ein Ofen die Küche wärmte. Auf dem konnte man zur Not auch Kartoffeln oder Nudeln kochen. Was aber wenn ein Katastrophenfall alle Computer lahm legt. Stünde nicht zu befürchten, dass dann auch der Herd nichts mehr sagt? Natürlich könnte man die glücklichen Nachbarn besuchen, die einen Kamin besitzen und dort die Kartoffeln am Stecken braten.
Die Liste ist nicht nur eine Hamsteranleitung, sondern im Grunde eine neue Diät. Stellt man im Internet unter Ernährungsvorsorge die für zehn Tage benötigten Lebensmittel für einen Single ein, tauchen da allein acht Eier auf. Das bedeutet, dass man von nun an ständig Eier essen muss, weil die ja immer wieder erneuert werden müssen. Von der rohen Banane, die für den Notfall bereit zu halten ist, nicht zu reden.
Überhaupt wird dringend ein neuer Beauftragter zur Erweiterung der Mindesthaltbarkeitsdaten benötigt. Wer auch heute schon eine Schachtel Zwieback für den Fall einer akuten Magengrippe auf Vorrat hält, weiß, wie rasend schnell die Zeit vergeht. Schlägt die Grippe dann zu, ist die Schachtel in der Regel (dankenswerterweise) schon lange abgelaufen. Rotkohl im Glas hält sich immerhin zwei Jahre. Aber ab für den Rest des Lebens jetzt alle zwei Jahre Rotkohl aus dem Glas essen?
Eine typisch großstädtische Lösung bestünde vielleicht darin, die Vorräte einfach zu einem der örtlichen Küchenstars zu tragen und diesen zu bitten, gegebenenfalls gegen Honorar, daraus was Vernünftiges zu zaubern. Tobias Janzen ist Küchenchef im Kreuzberger Restaurant Jolesch. Normalerweise ist er bekannt für seine feine österreichische Küche. Er findet die Liste auch ziemlich altmodisch. „Daraus etwas Vernünftiges zu kochen ist gar nicht einfach“, sagt er. Die Vorschläge, die er anhand der Hamsterliste für den Tagesspiegel entwickelt hat, klingen trotzdem mundwässernd Auch im Katastrophenfall gibt es im zivilisierten Haushalt selbstredend Vorspeisen.
Praline von der Kalbsleber in Haferflocken paniert
An einem Tag wäre das Carpaccio vom Corned Beef, Sauerkrautgelee, dazu Pesto von Rosinen, Trockenpflaumen und Haselnüssen. An einem anderen Tag wäre es eine Praline von der Kalbsleber in Haferflocken paniert, Rotkohlsalat, geröstete Haselnüsse und Salat von Bohnen und Birne mit krossen Salami. Tobias Janzens Hauptgerichte klingen ebenfalls gut. Mal gibt es Kartoffel-Würstchen-Gulasch, mal Nudel-Erbsengratin, gebratenen Spargel und Heringsfilet oder Käsespätzle mit Zwiebelschmelze, wahlweise Röstkartoffeln mit Erbsenpüree und gegrillter Wiener oder pochiertes Ei mit roter Beete und Kartoffelstampf.
Gerade in nervenzehrenden Krisenzeiten darf ein Dessert nicht fehlen. Tobias Janzen würde Kaiserschmarrn mit Kaffeekirschen auf den Tisch bringen oder Milchnudeln mit Banane. Alles aus den Zutaten der Hamsterliste! Ein bisschen problematisch fände er es freilich schon, wenn die Katastrophe kommt, und dann alle mit ihren Dosen ankämen.
Aber natürlich gibt es auch für Ungeübte viele Möglichkeiten, in der heimischen Küche selbst kreativ zu werden, auch wenn das nicht ganz so lecker klingt wie beim Profi. Frühstück und Abendbrot funktionieren schon mal unkompliziert und sind sogar recht abwechslungsreich zu gestalten.
Jeden zweiten Tag gibt's Zwieback, an den anderen Tagen abwechselnd Vollkornbrot mit Margarine und Salami oder Knäckebrot mit Hartkäse und Butter. Dazu trinkt man wahlweise Pulverkaffee mit H-Milch 3,5 Prozent oder schwarzen Tee. Als Ergänzung könnte man am ersten Tag noch zum rohen Apfel greifen oder zur rohen Orange, die laut Liste im Haus sein müssen. Mittags wird es dann schon schwieriger. Wird der Notstrom von 12 bis 13 Uhr angestellt, gäbe es abwechselnd rohe Nudeln, rohen Reis oder rohe Kartoffeln, jeweils gut durchgekocht.
Leider sieht die Liste nicht mal unter "Sonstige Lebensmittel" eine Dose Tomaten vor, mit der man die Nudeln verzehrbarer machen könnte. Aber etwas Maiskeimöl und ein paar Pilze, dazu vielleicht einige Salamiwürfel könnten schon eine Mahlzeit draus machen. Und zum Nachtisch gibt es Kirschen aus dem Glas. Den Saft der Kirschen heben wir auf als Frühstückstrunk am nächsten Tag. Zum Abendbrot kommt Vollkornbrot mit Heringsfilet in Sauce aus der Konserve auf den Tisch. Die Sauce spart zudem das Streichfett. Sehr praktisch. Ein Glas Marmelade zum Frühstück wäre ebenfalls nützlich, steht aber nicht auf der Pflichtliste, sondern nur unter "Sonstige Lebensmittel". Dorthin hat man auch die „Schokolade“ verbannt.
Den "Spargel in Gläsern" am besten für Sonntag aufheben
Für die Generation iPhone würde ein zehntägiger Internet-Entzug aber ganz sicher einige Gläser Nutella als Nervennahrung überlebensnotwendig machen. Vom oft sehr gut haltbaren Rotwein nicht zu reden. Unter "Sonstige Lebensmittel" finden sich hingegen auch die Fertiggerichte, die im Falle eines Stromausfalls aber unbedingt zum Pflichtprogramm gehören müssten. Denn wenn die rohen Spaghetti hart bleiben, könnte man immer noch Ravioli aus der Dose verspeisen. Doch, es gibt Leute, die sie auch kalt verzehren und dafür nicht mal eine Katastrophe brauchen.
Den "Spargel in Gläsern" hebt man sich am besten für den Sonntag auf. An einem der Tage könnte man den Mais mit Sonnenblumenöl erwärmen oder eben auch kalt lassen und dazu den Thunfisch aus der Dose kombinieren. Und abends darf wieder geschlemmt werden. Da gibt es Vollkornbrot mit Kalbsleberwurst aus der Dose. Mehl steht leider nicht auf der Liste, sonst könnte man ja aus einem Teil der Eier und der H-Milch mal Eierkuchen backen und diese mit Rosinen bestreuen. Dazu gäbe es als erfrischende Beilage die Mandarinen aus der Dose.
Für Geschmacksästheten sollte man vielleicht besser noch einen Camping-Kocher auf die Liste setzen. Oder einen von diesen kleinen Picknick-Grills. Damit ließen sich auch deftige Dosen- Eintöpfe wie Linsensuppe mit Würstchen genießbar machen. Küchenprofi Tobias Janzen kann sich freilich auch vorstellen, dass die Leute ihre Sachen am Lagerfeuer in einer Pfanne zu bereiten. "Man könnte sich natürlich auch einen Ofen bauen", schlägt er vor. "Einfach Steine aufeinander schichten, Holz rein und fertig."
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Elisabeth Binder
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