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Von TISCH zu TISCH: Jolesch

Makrele mit grünem Erbspüree

Kann es eine bessere Namenspatin für ein Restaurant geben als Friedrich Torbergs Tante Jolesch? Nie, ihr ganzes Leben lang, verriet sie das Geheimrezept für ihre berühmten Schinkenfleckerln. Erst auf dem Totenbett, von der Familie bestürmt, gab sie es preis: „Ich habe nie genug davon gemacht.“

So einfach ist das manchmal mit dem guten Essen. Das Kreuzberger Restaurant „Jolesch“ beruft sich schon seit 18 Jahren auf die schlaue Tante, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Seit einigen Monaten ist es personell neu aufgestellt, denn die Gründerin Edith Berlinger hat den Betrieb verkauft, um sich ganz um „Horvath“ und „Rio Grande“ zu kümmern; es sind neue Leute gekommen, die zum Teil im „Berlin-St. Moritz“ recht erfolgreich waren.

Am Restaurant selbst hat das wenig verändert. Der grüne Gastraum ist immer noch sehr hallig, also nichts für schwerhörige oder besonders geräuschempfindliche Gäste. Und die Küche versucht auch unter dem neuen Küchenchef Tobias Janzen immer noch den Spagat zwischen österreichischen Klassikern und einer nur schlecht lokalisierbaren Moderne. Dass dies alles zu äußerst günstigen Preisen geschieht, sei gleich vornweg gesagt; es limitiert aber die Möglichkeiten der Küche doch merklich.

Ich gestehe, dass ich bei diesem Besuch noch unter dem Eindruck der brillanten neuösterreichischen Küche von Mario Lohninger in Frankfurt stand (http://feinkost.tagesspiegel.de) – er schafft es zu freilich bedeutend höheren Preisen, die Tradition mit der Moderne zu versöhnen. Im „Jolesch“ sind sie längst nicht so weit. Die gebeizte Makrele auf Toast mit grünem Erbspüree und Kalbszunge erwies sich als gelungene, wegen des guten Fischs auch aromatisch ausdrucksstarke Komposition, während die Kaninchenterrine mit Rhabarber und Rettich mangels entschlossener Würzung fad blieb.

Ausgesprochen kräftig und würzig kam dagegen wieder der „Cappuccino“ von der Blutwurst auf den Tisch, ein profunder Fleischjus mit Kartoffelschaum und Blutwurststücken im Glas – so sollte wohl die typische Jolesch-Küche funktionieren. Die Sinnhaftigkeit der beiden Riesengarnelen blieb mir dann allerdings wieder verborgen. Sie waren zwar von guter Qualität und richtig gegart, standen aber neutral zwischen blassen Beilagen.

Als einziger Fisch-Hauptgang fand sich an diesem Abend ein Butterfisch – den ich nicht so mag – mit Pastinaken und Cidre auf der Karte. Also kann ich nur über zwei Fleischgänge berichten. Beide waren im Prinzip recht gelungen: Ein Kotelett vom Apfelschwein mit Portulak und Käferbohnen sowie ein ausgezeichnet gebratenes Entrecote mit Zuckerschoten. Allerdings habe ich nicht verstanden, warum es mit aller Gewalt auf „getrüffelt“ getrimmt werden musste, denn die hellen Trüffelscheiben obendrauf schmeckten nach nichts und der gebackene „Trüffel“ aus Kartoffelpüree dazu vor allem nach dem leidigen Trüffelöl. Anständige Desserts: Marillenknödel mit Preiselbeerschaum und Vanilleeis, Apfeleis mit Petersilie, weißer Schokolade und Erdnüssen. (Vier Gänge 32 Euro, Hauptgänge um 18 Euro.)

Das stärkste Argument für einen Besuch ist sicher die Weinkarte, die nur Österreicher enthält, aber das in einem für Berlin rekordverdächtigen Umfang und zu mehr als kommoden Preisen. Seitenweise Veltliner und Riesling und Morillon und Zweigelt und Blaufränkisch von bekannten und weniger bekannten Winzern zwischen 20 und 50 Euro, dazu viele gute offene, die auf Wunsch als gut abgestimmte Weinbegleitung (vier Glas 20 Euro) angeboten werden – das ist absolut beispielhaft und zur Nachahmung sehr empfohlen.

Weshalb wir mit dem Service nicht warm wurden, weiß ich nicht. Obwohl (oder weil?) wenig los war, leistete er sich Flüchtigkeitsfehler, blieb unkonzentriert, den ganzen Abend auf Distanz. Vermutlich eine atmosphärische Störung, die nicht typisch für das Restaurant sein dürfte. Doch bis zur meisterlichen Beschränkung der Tante Jolesch ist es noch ein ganzes Stück.

Bernd Matthies

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