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Immer teurer? Die Inflationsrate kannte zuletzt nur eine Richtung: nach oben.
© Jens Kalaene/zb/dpa

Sieben Prozent Inflation in den USA: Was hilft gegen immer schnellere Preissteigerungen?

Der neue Bundesbank-Chef warnt vor länger anhaltender Inflation, in den USA ist das bereits Realität. Der Kampf dagegen bleibt eine Gratwanderung.

Es besteht die Gefahr, „dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet“. Das hatte der neue Bundesbank-Präsident Joachim Nagel am Dienstag bei seiner Amtseinführung gesagt. Vielleicht hatte er dabei nicht nur die Entwicklung in Deutschland im Hinterkopf, sondern auch die in den USA. Denn dort zeigt sich seit Monaten, wie real diese Gefahr ist.

Im Dezember hatte die Inflationsrate zwischen Los Angeles und Washington nun erstmals seit 1982 wieder eine sieben vor dem Komma. Lag die Preissteigerung im November noch bei 6,8 Prozent waren es in der Vorweihnachtszeit 7,0 Prozent, wie das Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Die Zahlen übertreffen sogar noch die Erwartungen von Experten.

Auch der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, hatte bereits vor Wochen zugegeben, dass sein Institut die Inflation unterschätzt hat. Wie kann man jetzt gegensteuern?

Powell auf dem Prüfstand

„Die aktuell hohe Inflationsrate ist Wasser auf die Mühlen für diejenigen US-Notenbanker, die einen beschleunigten Ausstieg aus dem geldpolitischen Krisenmodus sehen möchten“, sagt etwa der Ökonom Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Powell scheint diesem Wunsch langsam nachzugeben. Man werde „alle Instrumente nutzen, um die Wirtschaft und einen starken Arbeitsmarkt zu stützen und um zu verhindern, dass sich die Inflation festsetzt“, sagte er bei einer Senatsanhörung am Dienstag.

Tatsächlich befindet sich Powell derzeit auf dem Prüfstand. Denn US-Präsident Biden hat ihn zwar bereits für eine zweite Amtszeit nominiert, der Senat muss diesem Schritt jedoch noch zustimmen. Daher muss Powell die Senatoren von seiner neuen Strategie, dem Weg hin zu einer schnelleren Zinswende, überzeugen.

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In der Senatsanhörung versuchte er es mit Erläuterungen, wie es zu bisherigen Fehleinschätzungen der Lage kommen konnte. Er habe „wie viele andere Ökonomen geglaubt, dass sich die Probleme bei den Lieferketten inzwischen gelöst hätten“, erklärte Powell. Nun sei aber klar, dass dies nicht der Fall sei. Die neue und hochansteckende Omikron-Variante habe gezeigt, dass es noch monatelang zu Verzögerungen kommen könnte. Das werde weiterhin Druck auf die Preise ausüben. „Wir gehen davon aus, dass die hohe Inflation noch bis zur Jahresmitte anhalten wird“, so Powell.

Analysten erwarten schwächere Inflation

Viele Analysten sehen das ähnlich. „Die Inflationsrate dürfte immer noch nicht am Gipfel angelangt sein“, meint etwa Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. „Wir erwarten allerdings in den nächsten Monaten nur noch geringfügig höhere Raten, da der Schub von den Energiepreisen nachlässt.“ Er glaubt, dass die Inflationsrate ab dem Frühjahr wieder sinken könnte, weil die preistreibenden Lieferengpässe aus seiner Sicht tendenziell nachlassen dürften.

Außerdem gebe es Anzeichen, dass die Mieten, die immerhin ein Drittel des Warenkorbs ausmachen, nach einem zwischenzeitlichen kräftigen Schub nicht mehr ganz so stark zulegen. „Wegen der stark steigenden Lohnkosten sollte der Preisdruck aber höher bleiben als vor der Pandemie.“

Auf dem Prüfstand: Fed-Chef Jerome Powell bei der Senatsanhörung.
Auf dem Prüfstand: Fed-Chef Jerome Powell bei der Senatsanhörung.
© Brendan Smialowski/Pool via REUTERS

Auch Thomas Gitzel von der VP Bank meint: „In den kommenden Monaten wird die US-Inflationsrate in den Rückwärtsgang gehen, auch ohne Zutun der US-Notenbank.“ Alleine der kleiner werdende Basiseffekt bei den Energiepreisen sorge dafür. „Es ist also nicht die Frage, ob die Inflationsraten fallen, sondern auf welchen Niveaus sie sich einpendeln werden.“

Was macht die EZB?

Darauf kann man auch in der Euro-Zone hoffen. Doch anders als in den USA hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) bislang nicht zu einer klaren Kehrtwende in der Geldpolitik bekannt. Zinserhöhungen sind noch nicht in Aussicht gestellt; lediglich das Ende des Anleihekaufprogramms PEPP ist angekündigt worden. Bundesbank-Chef Nagel sieht in seiner Sorge um die Preisstabilität hier den größten Hebel. „Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen“, sagte er in seiner Rede zur Amtseinführung.

Ebenfalls ein Falke: Joachim Nagel, neuer Präsident der Deutschen Bundesbank, bei seiner Amtseinführung am Dienstag.
Ebenfalls ein Falke: Joachim Nagel, neuer Präsident der Deutschen Bundesbank, bei seiner Amtseinführung am Dienstag.
© Nils Thies/Deutsche Bundesbank/dpa

In Deutschland lagen die Verbraucherpreise im Dezember um 5,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Damit erreichte die Teuerungsrate in Europas größter Volkswirtschaft den höchsten Stand seit Juni 1992. Im Euroraum insgesamt erreichte die Inflation mit 5 Prozent das höchste Niveau seit der Euro-Einführung. „Die Menschen in Deutschland erwarten auch zu Recht, dass die Bundesbank eine hörbare Stimme der Stabilitätskultur ist“, sagte Nagel weiter. „Ich kann ihnen versichern: Das wird sie auch bleiben.“

Vorgänger Weidmann hatte sich immer wieder kritisch zur ultralockeren Geldpolitik geäußert. Vor allem die Anleihenkäufe sah Weidmann mit Skepsis und warnte, die EZB dürfe die Regierungen nicht vom billigen Geld abhängig machen. Am Dienstag bilanzierte er, die Geldpolitik sei nie ganz aus dem Krisenmodus herausgekommen: „Der permanente Ausnahmezustand hat Spuren hinterlassen. Das Koordinatensystem hat sich verschoben.“

Die Risiken einer baldigen Zinswende

EZB-Präsidentin Christine Lagarde versicherte bei der Amtswechselfeier: „Uns ist bewusst, dass steigende Preise vielen Menschen Sorge bereiten, und wir nehmen diese Sorge sehr ernst. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir unerschütterlich an unserem Preisstabilitätsziel festhalten.“ Der EZB-Rat stehe geschlossen hinter diesem Ziel.

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Eine baldige Wende hin zu höheren Zinsen können Deutschlands Sparer aber auch nach diesen Worten nicht erwarten. Nagel hat im EZB-Rat wie die Vertreter der anderen 18 Euroländer nur eine Stimme. Und die lockere Geldpolitik hat im obersten Entscheidungsgremium der Zentralbank viele Befürworter. Vor allem hochverschuldete Staaten wie Italien profitieren von den niedrigen Zinsen, würden sie bei höheren Verpflichtungen doch sofort wieder vor der Pleite stehen.

Auch wenn die Fed bereits drei Zinserhöhungen für das laufende Jahr in Aussicht gestellt hat, ist auch Powell noch nicht ganz festgelegt, welche Schritte angeraten sind. „Wenn sich dieses hohe Inflationsniveau in der Wirtschaft und in den Köpfen der Menschen festsetzt, dann wird das unausweichlich zu einer viel strafferen Geldpolitik von uns führen, was zu einer Rezession führen könnte“, warnte er im Senat. „Das wäre schlecht für Arbeitnehmer.“ Immer höhere Preise sind das allerdings auch. Es bleibt eine Gratwanderung auf der sich die Notenbanker bewegen. (mit Reuters und dpa)

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