Schufa und Co.: Was Auskunfteien über Verbraucher wissen
Der Einfluss von Auskunfteien wächst. Onlinehändler fragen immer öfter ab, wie kreditwürdig ihre Kunden sind. Doch welche Daten speichern die Schufa und andere Firmen?
Er ist Beamter im gehobenen Dienst, hat ein geregeltes Einkommen, keine offenen Rechnungen oder Kreditraten. Man könnte meinen, Philipp Hommelsheim sei ein Musterbürger. Und doch fällt der 27-Jährige bei der Bonitätsprüfung der Schufa durch. Die Auskunftei stuft ihn in eine Gruppe ein, „die häufig ein hohes Zahlungsausfallrisiko hat“. Anders ausgedrückt: Die Schufa hält es für wahrscheinlich, dass er seine Rechnungen nicht begleicht. Nur warum? Der Berliner sagt, er habe in der Vergangenheit stets pünktlich gezahlt.
Stutzig geworden ist Hommelsheim im vergangenen Sommer, als ein Carsharing-Dienst ihn nicht als Kunden aufnehmen wollte – mit der Begründung, seine Bonitätsnote sei zu schlecht. Hommelsheim beantragte daraufhin bei der Schufa, später auch bei vier weiteren Auskunfteien, eine Selbstauskunft. Und stellte fest: Innerhalb eines Jahres ist seine Bonitätsnote gefallen. Hatte sie im Vorjahr noch bei 93 gelegen, war sie in der Zwischenzeit auf 85 abgerutscht. Je geringer der Wert ausfällt, desto schlechter schätzt die Schufa die Zahlungsfähigkeit ein und teilt das Vertragspartnern mit: etwa dem Carsharing-Dienst, der Hommelsheim daraufhin seine Dienste verweigerte.
Ohne Schufa geht es nicht
Das Problem: Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher sind den Auskunfteien – allen voran der Schufa als größtem Anbieter – ausgeliefert. Sie verlassen sich gezwungenermaßen blind auf ihr Urteil. Zwar müssen die Auskunfteien Verbrauchern mitteilen, welche Daten sie über sie speichern – doch wie sie daraus eine Bonitätsnote errechnen und warum die so ausfällt, wie sie ausfällt, dürfen die Unternehmen für sich behalten.
Dabei wächst nach Angaben von Datenschützern die Bedeutung von Bonitätsprüfungen „für Kreditvergaben und geschäftliche Entscheidungen gegenüber Verbrauchern“. Ein Grund dafür ist, dass die Deutschen mehr im Internet einkaufen – oft auf Rechnung. Um sich abzusichern, fragen die Onlinehändler regelmäßig die Bonität ihrer Kunden bei Auskunfteien ab. Die Schufa argumentiert, dass das den Kunden letztlich zugutekommt: Ohne Bonitätsprüfung bekämen sie keinen Kredit, könnten im Netz nicht auf Rechnung einkaufen. Gleichzeitig wird es aber für Verbraucher umso wichtiger, sich mit der Arbeit von Auskunfteien auseinanderzusetzen.
Wie Auskunfteien Geld verdienen
Auskunfteien handeln mit Daten. Sie sammeln sie ein, errechnen daraus einen Score und verkaufen den weiter. Die Schufa arbeitet dafür nach eigenen Angaben mit gut 8000 Vertragspartnern zusammen. Das sind etwa Banken, Versicherungen, Versandhändler oder Stromanbieter – also Unternehmen, die verschiedenste, sensible Daten über ihre Kunden erheben. Einen Teil davon geben sie an die Schufa weiter.
Banken melden der Auskunftei zum Beispiel, wenn ein Kunde einen Kredit beantragt, ein Girokonto eröffnet oder eine Kreditkarte bekommt. Telekommunikationsfirmen teilen ihr mit, wenn jemand einen Handyvertrag abschließt. Händler informieren die Schufa, wenn ihre Kunden eine Ratenzahlung vereinbaren. Zusätzlich erfasst die Auskunftei personenbezogene Informationen wie aktuelle und frühere Anschriften, Geburtsdatum und -ort. All diese Daten speist die Schufa in ein „mathematisch-statistisches Verfahrens“ ein. Sie gewichtet und verrechnet die Daten so, dass am Ende eine einzelne Zahl herauskommt: der „Basisscore“. Er zeigt an, wie zahlungswürdig jemand nach Einschätzung der Auskunftei ist.
Welche Daten die Schufa weiterverkauft
Zusätzlich spuckt der Computer weitere Zahlen aus: die sogenannten „Branchenscores“. Das sind die Werte, die die Schufa an Unternehmen weiterverkauft. Zum Beispiel an eine Bank, die wissen will, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kunde einen Kredit zurückzahlt. Oder an einen Carsharing-Dienst, der darauf angewiesen ist, dass der Kunde seine Rechnungen bezahlt. Für jede Branche fallen diese gesondert ermittelten Werte etwas anders aus. So kann es sein, dass die Auskunftei die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers gegenüber einer Bank höher einschätzt als gegenüber einem Telekommunikationsunternehmen.
Wie die Auskunfteien die gespeicherten Daten verwerten, ist ihr Geschäftsgeheimnis. Offenlegen müssen sie es nicht – das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Die Schufa betont, ihre Methoden seien „streng wissenschaftlich“ und „von unabhängigen Dritten bestätigt“. Auch die Aufsichtsbehörden hätten sie geprüft. Dass die Firma ihre Methoden für sich behalte, sei nur sinnvoll. „Das schützt vor Missbrauch zum Beispiel durch Manipulation“, sagt ein Sprecher.
Welche Rolle der Wohnort spielt
Gleichzeitig bleiben aber viele offene Fragen. So lässt sich nicht abschließend klären, warum der Berliner Hommelsheim heruntergestuft wurde. Seine Daten hat die Schufa noch einmal geprüft und für korrekt befunden. Liegt die Herabstufung daran, dass er häufiger umgezogen ist? Oder daran, dass er mehrere Konten besitzt und nicht nur für sich, sondern auch für seine minderjährige Schwester einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat? Zumindest sein derzeitiger Wohnort dürfte nicht der Grund für die schlechte Bonitätsnote sein: In 99,7 Prozent der Fälle verwende sie kein Geoscoring, heißt es bei der Schufa.
Allerdings gilt das nicht für alle Auskunfteien. Andere Anbieter berücksichtigen durchaus, ob in einer Umgebung besonders viele Menschen ihre Rechnungen nicht zahlen. So stuft der Anbieter Boniversum Hommelsheims Adressdaten in Kreuzberg zum Beispiel als „unterdurchschnittlich“ ein. Als der Berliner nachfragt, was das heiße, schreibt ihm der Kundenservice zurück: „Eine unterdurchschnittliche Bewertung indiziert, dass in diesem Wohnumfeld überdurchschnittlich hohe Rückzahlungsausfälle festgehalten werden.“ Eine Sprecherin von Boniversum bestätigt auf Anfrage, dass die Auskunftei die Adresse natürlich erfasst – bei der Bonitätsprüfung würde sie aber „keine übergeordnete Rolle“ spielen. Rechtlich ist es Auskunfteien durchaus erlaubt, Adressdaten für die Berechnung des Scores heranzuziehen.
Wo es Musterschreiben gibt
Wer wissen will, welche Daten eine Auskunftei über ihn gespeichert hat und welche Bewertungen sie daraus ableitet, kann das abfragen – und zwar einmal im Jahr kostenlos. Dafür schreibt man einfach einen Brief an die jeweilige Auskunftei mit Verweis auf Paragraph 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Musterschreiben gibt es auf der Internetseite des Bundesbeauftragten für Datenschutz.
Sich diese Schreiben herunterzuladen und auszufüllen, ist der leichteste Weg zur Selbstauskunft. So laufen Verbraucher auch nicht Gefahr, versehentlich eine kostenpflichtige Auskunft zu bestellen. So wirbt etwa die Schufa auf ihrer Internetseite für ihre Online-Auskunft, die monatlich zwischen vier bis sieben Euro kostet und deren Vertrag sich automatisch verlängert.
In jedem Fall macht es Sinn, die gespeicherten Daten regelmäßig abzufragen. „Es kommt immer mal wieder vor, dass es zu Namensverwechselungen kommt und Negativeinträge deshalb falsch zugeordnet werden“, sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wer entdeckt, dass die gespeicherten Daten nicht korrekt sind, kann das korrigieren lassen. Gibt es dann immer noch Streit mit der Auskunftei, sollten Verbraucher sich an den Datenschutzbeauftragten wenden. Wichtig zu wissen ist aber: Zuständig ist nicht der Landesdatenschutzbeauftragte am Wohnort – sondern derjenige des Bundeslandes, in dem die jeweilige Auskunftei ihren Sitz hat.
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Die Schufa („Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“) mit Sitz in Wiesbaden ist Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei. Sie verfügt über Daten von 66 Millionen Verbrauchern, über die sie mehr als 680 Millionen Informationen gespeichert hat. Eine Anfrage für die kostenlose Bonitätsauskunft nach §34 Bundesdatenschutzgesetz bekommen Verbraucher auf schriftliche Nachfrage:
Schufa Holding AG
Postfach 102566
44725 Bochum
Konkurrenz macht der Schufa etwa Arvato Infoscore: Bei der Auskunftei aus Baden-Baden fragen zum Beispiel Mobilfunkanbieter besonders häufig für ihre Kunden nach einer Bonitätsauskunft. Arvato Infoscore besitzt etwa 40 Millionen Informationen über 7,8 Millionen Deutsche. Die Bonitätsanfrage stellen Kunden an:
infoscore Consumer Data GmbH
Abteilung Datenschutz
Rheinstraße 99
76532 Baden-Baden
Ebenfalls auf dem Markt aktiv ist Boniversum, eine Tochter von Creditreform. Das Unternehmen mit Sitz in Neuss hat 108 Millionen Daten über deutsche Verbraucher gespeichert.
Creditreform Boniversum GmbH
Hellersbergstr. 11
41460 Neuss
Weitere Anbieter sind die Wirtschaftsauskunftei Bürgel mit Sitz in Hamburg oder Delta Vista aus Karlsruhe.
Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG
Abt. Datenschutz
Gasstraße 18
22761 Hamburg
bzw.
Deltavista GmbH
Datenschutz
Kaiserstraße 217
76133 Karlsruhe
Verbraucherschützer raten, am besten gleich bei mehreren Anbietern eine Selbstauskunft einzuholen. Musterschreiben gibt es hier.
Carla Neuhaus
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