Meinungswandel einer Headhunterin: Warum wir eine Frauenquote auch für Vorstände brauchen
Frauenquote? Funktioniert einfach nicht, dachte unsere Autorin. Doch sie hat sich getäuscht. Und plädiert jetzt für Normalität in Unternehmensvorständen. Ein Gastkommentar.
Zur Frauenquote hatte ich stets eine klare Position – ich war vehement dagegen. Als Headhunterin für Führungspositionen war ich immer der Überzeugung, dass sich Politik möglichst wenig in Wirtschaft einmischen sollte. Schon das Gesetz, mit dem die Bundesregierung börsennotierte Unternehmen verpflichtet hatte, im Aufsichtsrat mindestens 30 Prozent der Posten mit Frauen zu besetzen, ging mir zu weit. Meine Glaubenssätze waren: Der Markt reguliert sich selbst, gesellschaftliches Umdenken lässt sich nicht verordnen und die Gefahr, durch Druck und Eile die Falschen zu besetzen und dem Anliegen damit endgültig zu schaden, ist zu groß.
Die Quote? Funktionierte für mich einfach nicht.
Aber der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. Zwei Jahre später sehe ich: Die Quote funktioniert eben doch. Seit Einführung 2016 stieg die Frauenquote in Aufsichtsräten von rund 100 börsennotierten Unternehmen bis Ende 2017 auf knapp 30 Prozent. Es geht also doch. Aber eben nur durch Verordnung.
Heute wird die Quote auch für Vorstandsgremien diskutiert, und diesmal bin ich dafür. Wie schon vor Einführung der Quote für die Aufsichtsräte, wiederholt sich ein vielsagendes Ritual: Die Wirtschaft ist in heller Aufruhr. Die Argumente sind meinen alten nicht unähnlich: Man fände nicht die relevanten Frauen für Vorstandspositionen, die kritische Masse in den MINT-Fächern sei schlicht nicht hochgezogen worden. Die Politik müsse eher dort ansetzen, um Frauen in den nächsten Jahren eine Chance zu geben, in die Führungsebene vorzustoßen. Das alles sind gute und richtige Ansätze. Falsch ist aber, dass es nicht jetzt schon hervorragend qualifizierte Frauen für Vorstandsmandate gäbe. Die gibt es sehr wohl; als Headhunterin schlage ich sie schließlich vor.
Es muss normal sein, dass Frauen Umsatzverantwortung tragen
Deshalb glaube ich: Wir brauchen keine andauernde Diskussion ohne Konsequenzen. Es muss gehandelt und Fakten geschaffen werden.
Umdenken passiert durch Sichtbarkeit und Beispiel. Wir müssen hin zu einer Normalität, die eine Wirklichkeit abbildet, in der die Hälfte der Gesellschaft weiblich ist und die Business-Welt mitgestaltet. Deshalb sollten wir übrigens auch nicht von 30 Prozent Frauen in Vorstandsgremien sprechen, sondern von einem Ziel, das unsere Gesellschaft tatsächlich widerspiegelt. Das freilich scheint ein unvorstellbarer Sprung zu sein, wenn man sich die traurigen 6,7 Prozent der weiblichen Vorstände in unseren börsennotierten Unternehmen ansieht. Wenn sich die Entwicklung des Frauenanteils in Vorständen so weiter fortsetzt wie bisher, würde es laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung in der Gruppe der Top-200-Unternehmen mehr als 60 Jahre dauern, bis in den Vorständen gleich viele Männer und Frauen sitzen.
Aus meiner Arbeit als Headhunterin weiß ich: Erfolgreiche, moderne, global agierende Unternehmen sind diejenigen, die die Diversität ihrer Kunden in der Unternehmensführung abbilden. Das betrifft die Gender-Frage ebenso wie die des kulturellen Backgrounds oder das Thema Alter. Aber diejenigen, die über Spitzenpositionen entscheiden, sind heute eben zum Großteil Männer im höheren Alter. Sie haben bislang nicht mit Frauen auf Augenhöhe gearbeitet und fördern, was sie kennen: andere Männer. Das ist nur menschlich und verständlich. Aber es wird sich nur ändern, wenn wir eine kritische Masse an Frauen aufbauen können. Wir müssen führungsfähige, operativ agierende Frauen suchen, finden und besetzen. Es muss normal sein, dass diese Frauen Umsatzverantwortung tragen und damit genauso reüssieren oder genauso daran scheitern können wie ihre männlichen Kollegen, deren Tätigkeit (und deren Scheitern!) nicht derart öffentlich stattfindet wie das bei Frauen.
Wir haben längst eindrucksvolle Beispiele
Wenn Frauen aber mitbestimmen wollen, müssen sie entschiedener nach der Macht greifen. Und ihren Männern begreiflich machen, dass sie zuhause echte Partnerschaft erwarten.
Meine Tochter ist heute neun Jahre alt. Sie wächst in einer Welt auf, in der es eine deutsche Bundeskanzlerin gibt, eine englische Premierministerin, eine französische IWF-Chefin. In der Politik finden wir heute bereits eindrucksvolle Beispiele von Frauen in mächtigen Positionen.
Auch Hollywood hat erkannt, dass es eine neue Form weiblicher Vorbilder braucht. Mit „Wonder Woman“ wurde letztes Jahr der erste Superheldinnen-Film im großen Stil auf die Leinwand gebracht. Unsere Töchter brauchen solche Vorbilder. Und unsere Söhne müssen eine neue Wirklichkeit erleben, in der Frauen ebenso einflussreich, erfolgreich und mächtig sind wie Männer.
Christina Virzí ist Gründerin und Geschäftsführerin der Christina Virzí GmbH, die auf die Vermittlung von Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten spezialisiert ist. Das Unternehmen arbeitet sowohl für international agierende Gesellschaften als auch für Familienunternehmen mit Sitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2012 startete sie als Mitgründerin The Female Factor, eine Personalberatung für weibliche Management-Talente.
Christina Virzí
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