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Zwangstrennung. Ab Donnerstag dürfen Händler nur noch Restbestände der 60-Watt-Glühlampe verkaufen. Kunden müssen künftig Energiesparlampen kaufen.
© dapd

Es werde Licht: Warum Verbraucher manchmal nicht mitspielen

Die Verbraucher boykottieren Energiesparlampen und Biosprit, und trotzdem setzt der Staat auf Zwang. Warum das nicht funktionieren kann. Eine Polemik.

Vom 1. September an dürfen im gesamten EU-Gebiet keine Glühlampen mit mehr als 40 Watt hergestellt oder verkauft werden. Nur noch Restbestände. Baumärkte berichten von Hamsterkäufen. Dahinter stecken keine renitenten Umwelthasser, sondern schlicht Menschen, die einfach nicht akzeptieren wollen, dass ihr frisch zubereitetes Hühnerbrustfilet auf dem Esstisch unter der alternativen Energiesparlampe aussieht wie graues Gammelfleisch. Selbst der Mann, der vor 25 Jahren die erste Energiesparlampe der Weltöffentlichkeit auf der Hannover Messe präsentierte, sagte einmal: „Im Treppenhaus gern, bei Tisch bitte nicht.“

Tatort Tankstelle: Dort setzt die Bundesregierung mit Hilfe der Mineralölwirtschaft eine EU-Richtlinie durch, die das Ziel verfolgt, den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids im Straßenverkehr bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Den Hintergrund haben die meisten Autofahrer schon vergessen in ihrem Ärger über das Instrument, mit dem es durchgesetzt werden soll: In den Tank soll Superbenzin mit einem höheren Anteil pflanzlich erzeugten Ethanols (E10) fließen. Neun von zehn Kunden tun das nicht. Daher kassieren Tankstellen bei ihnen seit Monaten Extra-Geld, um davon später mögliche Strafzahlungen zu begleichen.

In beiden Fällen spielt aus Verbrauchersicht sicher eine Rolle, dass Umweltverbände und andere Experten vielfältige Zweifel an dem ökologischen Nutzen der Maßnahmen geäußert haben. Und die Unternehmen, die die Maßnahmen umsetzen sollen, haben ihre Kunden getäuscht und sich zumindest in moralisch fragwürdiger Weise an ihnen bereichert.

So hat es die Leuchtmittelindustrie bis heute nicht geschafft, ein flächendeckendes Rücknahmesystem für ihre quecksilberhaltigen Energiesparlampen aufzubauen. Lieber bezahlt sie Demoskopen Geld, um Umfragen mit dem gewünschten Ergebnis zu präsentieren. Gerade veröffentlichte die Branche wieder eine. Die soll doch tatsächlich ergeben haben, dass die Lichteigenschaft der Lampe bei Kunden nur eine „untergeordnete Rolle“ spielt.

Lesen Sie auf Seite 2, warum der Staat Anreize setzen muss, nicht Zwänge.

Seriösere Erhebungen haben mehrfach belegt, dass Verbraucher, Bürger, Kunden durchaus bereit sind, mehr Geld für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bezahlen, sofern sie von dem höheren Nutzen überzeugt sind. Der kann auch durchaus in einem übergeordneten Ziel liegen – zum Beispiel dem Umwelt- oder Klimaschutz. Das zeigte zum Beispiel der massenhafte Kundenwechsel zu Ökostromanbietern nach Fukushima. Auch steigt – wenn auch nur langsam – die Bereitschaft von Immobilienbesitzern, ihr Haus energetisch sanieren zu lassen. Hier werden beide Bedürfnisse befriedigt: Kosteneinsparungen nach einem gewissen Zeitraum und Klimaschutz. Das gelingt, sobald der Staat die richtigen Anreize setzt. Reize – nicht Zwänge.

Der (private) Mensch ist dem Menschen also kein Wolf. Juristische Personen aber – also etwa Unternehmen, die im Wettbewerb stehen – müssen auf ihren Vorteil bedacht sein. So kann man Siemens’ Lichttochter Osram, die sich auf einen Börsengang vorbereitet, nicht wirklich vorwerfen, dass sie mit windigen Umfragen den Absatz der technisch bereits veralteten Energiesparlampe nach Kräften unterstützt, während sie schon an der ökologisch sinnvolleren OLED-Technik feilt (siehe Kasten). Auch muss sich niemand wundern, dass Ölunternehmen – darunter die größten Konzerne der Welt überhaupt – es nicht nötig haben, auf Befindlichkeiten ein paar Millionen deutscher Autofahrer Rücksicht zu nehmen.

Der Fehler der Bürokraten zwischen Berlin und Brüssel ist es, ausgerechnet jeweils parteiische Industriebranchen mit der Umsetzung gutgemeinter Umweltziele zu beauftragen. Warum macht man Böcke zu Gärtnern? Böcke gehören angepflockt! Nicht an zu kurzer Leine, kein Unternehmen soll abgewürgt werden. Doch wenn sie klare Rahmenbedingungen in Umweltfragen erhalten, kann Fortschritt entstehen. Das sollten Behörden überwachen – und ansonsten dafür sorgen, dass Verbraucher nicht mit zweifelhaften Produkten behelligt werden.

Kevin P. Hoffmann

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