Zwischen Wunschdenken und Wahlkampf: Warum Scholz bei der Bafin-Reform Tempo macht
Nach dem Wirecard-Skandal will Finanzminister Olaf Scholz die beste Aufsicht der Welt schaffen. Das ist Wunschdenken und Wahlkampf. Ein Kommentar
Mehr Biss soll die deutsche Finanzaufsicht bekommen. Mit den besten Aufsichtsbehörden der Welt soll sie mithalten, wenn nicht sogar die beste der Welt werden. Das fordert Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Starke Worte, die aber vor allem ausdrücken, was Deutschland bisher eben nicht hat: eine Finanzaufsicht, die frühzeitig erkannt hätte, was bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard tatsächlich passiert. Die einen der größten Bilanzskandale hätte aufdecken können. Und die Deutschland damit vor Hohn und Spott aus dem Ausland bewahrt hätte.
Jetzt immerhin reagiert Scholz. Noch-Bafin-Chef Felix Hufeld muss gehen, ebenso seine Stellvertreterin. Die Behörde will der Finanzminister reformieren. Mehr Spezialisten sollen eingestellt, die Kompetenzen der Aufseher ausgeweitet werden. Erste Vorschläge dafür hat Staatssekretär Jörg Kukies am Dienstag vorgestellt. Auf einmal, hat man den Eindruck, soll es schnell gehen. Noch vor der Bundestagswahl würden die Gesetzesänderungen angestoßen, kündigte Kukies an. Scholz macht also Druck. Oder aber er macht Wahlkampf.
Schließlich ist er nicht nur Finanzminister sondern auch Kanzlerkandidat der SPD. Und der Umgang mit dem Wirecard-Skandal kratzt an seinem Image. Warum zum Beispiel hat er so lange an Bafin-Chef Hufeld festgehalten? Und das, obwohl schnell klar war, welch große Versäumnisse es bei der Aufsicht des Wirecard-Konzerns gegeben hat? Manch ein Politiker, manch ein Konzernchef hätte nach Bekanntwerden eines solchen Skandals unter seiner Führung direkt den Hut nehmen müssen. Nur für die Finanzaufsicht und ihren Chef schien das lange nicht zu gelten.
Dabei waren Hufeld und seine Mitarbeiter viel zu lange viel zu gutgläubig. Zu abenteuerlich klang ihnen wohl, was da bei einem von Deutschlands Vorzeigeunternehmen passiert sein sollte – einem Konzern, der es bis in den Dax geschafft hat. So prägte die Unschuldsvermutung viel zu lange ihr Handeln. Statt den Berichten der „Financial Times“ zu Bilanzmanipulationen bei dem deutschen Finanzdienstleister nachzugehen, zeigte die Bafin die Journalisten an. Statt Hinweise von Investoren aufzugreifen, verhängte sie ein Leerverkaufsverbot für die Aktie und nahm Wirecard in Schutz.
Der Finanzminister hat sich zu lange vor Hufeld gestellt
Und Scholz selbst? Der wiederum stellte sich auch nach Bekanntwerden des Skandals bewusst vor Hufeld. So blieb der auch dann noch im Amt, als der frühere Wirecard-Chef längst in Untersuchungshaft saß. Erst nachdem die Bafin zuletzt auch noch einen eigenen Mitarbeiter wegen Insiderhandel mit Wirecard-Aktien anzeigen und freistellen musste, griff Scholz durch und trennte sich von Hufeld. Als späte Einsicht kann man das bezeichnen. Oder als Schadensbegrenzung.
Dass Scholz nun im Eilverfahren eine Reform der Bafin anstrebt, ehrt ihn. Doch noch ist eine deutsche Finanzaufsicht, die zu den besten der Welt gehört, reines Wunschdenken. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Denn eine Aufsichtsbehörde, die international ähnlich anerkannt ist wie die amerikanische SEC, erschafft man nicht über Nacht. Dafür braucht man mehr als ein Sieben-Punkte-Konzept, wie es Kukies am Dienstag präsentiert hat.
Dass daran Unternehmensberater mitgeschrieben haben, zeigt allein schon die Wortwahl: Von einer Taskforce ist da die Rede, von einem Aufseher-Cockpit, einer Data Intelligence Unit. Schlau klingende Jobbezeichnungen aber bringen wenig, wenn einem die richtigen Leute fehlen. Und dass es an denen bei der Aufsichtsbehörde mangelt, daraus macht man auch im Finanzministerium inzwischen keinen Hehl mehr.
Wie Scholz eine deutsche Behörde aber für internationale Talente interessant machen will, das bleibt unklar. Letztlich wird das wohl der Job der neuen Chefin, des neuen Chefs der Bafin werden. Auch sie oder ihn muss Scholz erst noch finden. Sein Staatssekretär Kukies jedenfalls hat schon mal abgewinkt.
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