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Im Bundestag wird in einem Untersuchungsausschuss die Wirecard-Affäre aufgerollt.
© REUTERS

Wirecard-Untersuchungsausschuss: Der befremdliche Aktienkauf eines Aufsichtsbeamten

Ein dem Wirtschaftsminister unterstellter Behördenchef kauft mitten im Wirbel um Wirecard Aktien der Firma. Abgeordnete fordern Konsequenzen.

Neues Kuriosum im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags: Der Leiter einer dem Bundeswirtschaftsministerium unterstehenden Kontrollbehörde für Bilanzprüfer hat noch Ende April 2020 Aktien des damals schon unter Betrugsverdacht stehenden Dax-Unternehmens gekauft. Vier Wochen später hat er die Papiere wieder verkauft – während seine eigene Behörde Vorermittlungen gegen die Firma EY führte, die bei Wirecard jahrelang die Bilanzen testiert hat, von den mittlerweile anzunehmen ist, dass sie vorsätzlich gefälscht worden waren. Im November hatte Wirecard-Chef Markus Braun im Ausschuss die Aussage verweigert.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will nun prüfen lassen, ob der Chef der Behörde Apas, Ralf Bose, Regeln missachtet hat. "Das hat mich befremdet. Wir werden mit den Beteiligten sprechen", sagte Altmaier, nachdem er Kenntnis über die Aussage Boses im Ausschuss in der Nacht zu Freitag erlangt hatte. Im Ausschuss selbst stieß die Aussage des Beamten auf breites Befremden.

Grüner Politiker erstattet Anzeige

Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz hat sogar eine Anzeige bei der Finanzmarktaufsicht Bafin eingereicht. Nach seinem Verständnis legen die Aussagen Boses den Verdacht von Insiderhandel nahe. „Wenn sich der Verdacht bestätigt, muss die Bafin unverzüglich Strafanzeige gegen Herr Bose stellen“, sagte Bayaz. Unabhängig davon zeigten die Aussagen des Apas-Chefs „eine erschreckende Ignoranz gegenüber einem Interessenskonflikt, wie er offensichtlicher kaum sein könnte“. Altmaier müsse daher umgehend die Compliance-Regeln in seiner Behörde verschärfen und für einen personellen Neuanfang an der Spitze der Apas sorgen, um den Schaden zu begrenzen und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. „Altmaier sollte klüger sein als sein Kabinettskollege Olaf Scholz, der bislang eisern zur seiner Finanzaufsicht steht und Fehler im Zuge des Wirecard-Skandals von sich und der BaFin weist“, sagte Bayaz.

 "Unfassbar, ungeheuerlich"

Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi zeigte sich ebenfalls verwundert und nannte das Verhalten Boses „unfassbar“. Er wies darauf hin, dass Boses Aktienkauf an dem Tag erfolgte, als der von Wirecard selbst in Auftrag gegeben, dann aber für das Unternehmen fatale Sonderbericht der Prüfungsgesellschaft KPMG veröffentlicht wurde. Verkauft habe er seine Papiere an einem Tag, an dem er telefonischen Kontakt mit der Bafin zu Wirecard gehabt habe. Zur Rechtslage sagte De Masi: „Dem Chef der Apas müssen Interessenkonflikte angezeigt werden. Aber für ihn selbst existiert keine solche eindeutige Regel. Dieser ungeheuerliche Vorgang erfordert die Entlassung des Chefs der Apas und klare Regeln gegen Insiderhandel in Aufsichtsbehörden sowie auch den Ministerien selbst."

"Starker Tobak"

Auch aus der Union kam scharfe Kritik. Matthias Hauer, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungsausschuss, sagte: „Dass Apas-Chef Bose während eines laufenden berufsrechtlichen Verfahrens gegen EY-Prüfer mit Wirecard-Aktien gehandelt hat, ist starker Tobak. Ein solches Verhalten kann nicht ohne Konsequenzen für ihn persönlich bleiben.“ Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar bezeichnete Boses Verhalten als unfassbar und anrüchig. Offenbar begründete der Apas-Leiter seinen Aktienhandel damit, dass er an das Unternehmen Wirecard und dessen Geschäftsmodell geglaubt und das bald darauf publik gewordene Maß an Betrug nicht für möglich gehalten habe.

Ein Geschäft hat Bose nicht gemacht: Der Kaufkurs Ende April lag bei etwa 100 Euro je Wirecard-Aktie, am Verkaufstag war er auf 86 Euro gefallen.

Albert Funk

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