Wettbewerb am Streaming-Markt: Warum "Friends" und "Big Bang Theory" bald nicht mehr bei Netflix laufen
Der Abo-Zuwachs bei Netflix enttäuscht, die Aktie stürzt daraufhin ab. Grund ist vor allem die Angst vor neuen Konkurrenten wie HBO Max, Apple+, Disney+.
Die Börse an der New Yorker Wall Street hatte schon geschlossen, da sorgte Netflix auf dem Parkett für Entsetzen. Grund waren die Abonnenten–Zahlen des zweiten Quartals. Denn statt der erwarteten fünf Millionen hat der Streaming-Anbieter nur 2,7 Millionen neue Kunden für sich gewinnen können. In den USA ging die Zahl der Abonnenten sogar erstmals seit vier Jahren zurück. Da half es auch nicht, dass die Umsätze mit 4,9 Milliarden Dollar und einem Plus von 26 Prozent auf Jahressicht den Prognosen entsprachen; die Aktie fiel nachbörslich um fast 11 Prozent.
Die nun 151,6 Millionen zahlenden Kunden sind zwar eine gute Basis, doch es ist abzusehen, dass der Wettbewerb härter wird. Denn obwohl Netflix und Amazon seit Jahren den Streaming-Markt dominieren, sind in den kommenden Monaten neue Plattformen angekündigt, die den beiden Platzhirschen Nutzer streitig machen dürften. Die erste davon ist Disney+, ein in doppelter Hinsicht gefährlicher Wettbewerber, der im Herbst an den Start gehen will und günstiger sein wird als Netflix.
Doppelt gefährlich, weil der Disney-Konzern nicht nur auf einen großen Fundus populärer Filme und Serien zurückgreifen kann. Zusätzlich gehören ihm viele Inhalte, die derzeit noch gegen eine Lizenzgebühr bei Netflix laufen. Ist Disney+ erstmal am Markt, dürfte damit Schluss sein. Zudem hat der Konzern die Rechte an rund 6000 „Marvel“-Comichelden (etwa Spiderman oder die Avengers) sowie an den Inhalten des US-Fernsehsenders Fox, dazu gehören zum Beispiel „Die Simpsons“.
Netflix: HBO Max und Fortnite als Konkurrenten
Ebenfalls im Herbst will Apple einen neuen Streaming-Service namens Apple+ launchen, für den der US-Konzern eigene Inhalte produzieren will. Und 2020 steigt noch eine weitere doppelte Bedrohung in den Streaming-Ring. Der US-Fernsehsender HBO, der zu dem Entertainment-Konzern WarnerMedia gehört, hat eine Plattform angekündigt, die ebenfalls Inhalte von Netflix abziehen dürfte. Beliebte Serien wie „Friends“, „The Big Bang Theory“ oder „Der Prinz von Bel Air“ würden dann von Netflix verschwinden und stattdessen bei HBO Max laufen, wie das neue Angebot heißen soll.
Darüber hinaus kann der Dienst mit anderen eigenen Produktionen wie „Sex and the City“ oder „Game of Thrones“ punkten, die eine große Anhängerschaft haben und weder bei Netflix noch bei Amazon im Abo inbegriffen sind. Und was „Marvel“ für Disney+ ist, ist „DC“ für HBO Max. Die ersten Spin-Offs des beliebten Comic-Universums (Batman, Superman, Wonderwoman) sind bereits angekündigt.
Auch wenn diese Entwicklung für viele Experten auf eine Konsolidierung des Streaming-Marktes hindeutet, gehen Prognosen von einem weiteren Wachstum des Entertainment-Sektors aus. Die Beratungsgesellschaft PwC sagt der Branche ein stetiges Wachstum von 2,1 Billionen Dollar im Jahr 2018 auf 2,7 Billionen 2023 voraus. Doch in dieser gewaltigen Summe finden sich schließlich nicht nur Musik- und Video-Anbieter, sondern auch noch jüngere Konkurrenten.
Dass Netflix im Januar dieses Jahres an seine Aktionäre schrieb, das Online-Computerspiel Fortnite sei eine größere Konkurrenz als Fernsehsender, zeigt, wie groß der Wettbewerbs-Druck im Entertainment-Bereich ist. Die einfache Rechnung hinter dem Netflix-Brief: Je mehr Zeit die Kunden für das boomende Fortnite verwenden, desto weniger können sie Netflix gucken.
TV-Mediatheken in Deutschland beliebt
Derweil scheinen deutsche Zuschauer allerdings auch im Internet an den klassischen Fernsehsendern zu hängen. Laut einer gestern veröffentlichen Umfrage des Digitalverbands Bitkom schauen fast zwei Drittel der Befragten zumindest hin und wieder Fernsehsendungen, die bereits im TV liefen, in der jeweiligen Mediathek. On-Demand-Portalen wie Netflix nutzen demnach nur 42 Prozent. Auch Youtube liegt mit einem Wert von zwei Dritteln noch höher im Kurs.
Insgesamt nutzt mit 79 Prozent inzwischen eine breite Mehrheit Streaming-Angebote. Dabei sind der Fernseher und das Smartphone die beliebtesten Abspielgeräte. Allerdings sagen 23 Prozent auch, sie würden nie über einen Fernseher streamen. Illegale Plattformen sind jedenfalls laut dieser Umfrage nur für fünf Prozent interessant.
Netflix will von all diesen Problemen in seinem Quartalsbericht nicht viel wissen. An der sich anbahnenden Konkurrenz hätten die enttäuschenden Zahlen nicht gelegen, heißt es dort. Außerdem seien im ersten Quartal so viele Neukunden hinzugekommen wie noch nie.
Auch den baldigen Verlust populärer Serien an die Konkurrenz weiß das Management in eine Chance umzudeuten: Durch den Wegfall der Lizenzgebühren werde mehr Geld für Eigenproduktionen frei. Zudem machten auch die beliebtesten Inhalte jeweils nur einen niedrigen einstelligen Anteil an den Zuschauerquoten aus.