Wohin entwickelt sich Netflix?: Alles im Stream
Netflix hat jetzt fast 140 Millionen Abonnenten weltweit, Disney und Warner werden neue Konkurrenten. Verträgt der deutsche Markt Preiserhöhungen?
Netflix, Amazon & Co. haben es geschafft. Es sind längst nicht mehr nur neue Serien und Filme, die die Abonnenten faszinieren. Es sind die Streamingdienste selbst, ihre Strategien bei Inhalten, Preispolitik und Praktiken im Kampf mit den Mitbewerbern.
Der Pionier Netflix steht dabei im Zentrum. Anders als Amazon Prime Video, das eben nur Teil des größten Versandhändlers der Welt ist, gibt das börsennotierte Unternehmen aus dem kalifornischen Los Gatos Zahlen, Daten und Fakten preis. Und die sind, siehe das Weihnachtsquartal 2018, beeindruckend. Weltweit wurden in den drei Monaten bis Ende Dezember unterm Strich 8,8 Millionen neue Bezahlabos verbucht. Im US-Heimatmarkt kamen 1,5 Millionen neue Kunden hinzu, international 7,3 Millionen. Insgesamt brachte es der Streaming-Riese zum Jahresende auf gut 139 Millionen bezahlte Mitgliedschaften.
Die Erlöse steigerte Netflix im Schlussquartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um mehr als ein Viertel auf 4,2 Milliarden Dollar, blieb damit aber leicht unter den Erwartungen der Wall Street. Der Gewinn sank zwar um 28 Prozent auf 134 Millionen Dollar (118 Millionen Euro), übertraf damit jedoch die Prognosen der Analysten.
Das alles klingt komfortabel, trotzdem sieht der Streamingdienst wie ein Getriebener aus. Netflix setzt auf Wachstum bei gleichzeitig weniger Gewinn, für seine globale Expansion und um die Rivalen im Heimatmarkt wie Amazon, Hulu, HBO („Game of Thrones“) und möglicherweise Apple auf Distanz zu halten, investiert das Unternehmen massiv in Inhalte.
Wie gewohnt bei Serien, zunehmend mit Filmen: „Roma“ ein internationaler Erfolg bei Festivals, Kritikern und Zuschauern – und „Bird Box“ mit Oscar-Preisträgerin Sandra Bullock. Laut eigenen Angaben wurde das Netflix Original seit dem Streaming-Start am 21. Dezember als weltweit verfügbarer Thriller von mehr als 80 Millionen Nutzerkonten aus aufgerufen.
Netflix kann die Konkurrenz von seiner Spitzenposition aus beobachten und darf dabei nicht übersehen, dass die Schar der Verfolger 2019 wachsen wird. Disney und Warner wollen noch in diesem Jahr eigene Streaming-Services starten, das sind vom Start weg ernstzunehmende Mitbewerber. Disney verfügt über ein riesiges Reservoir an Trickfilmen und -serien, darunter die Marvel-Superhelden und das komplette Star-Wars-Universum. Im Warner-Portfolio befinden sich die Filmreihen „Harry Potter“, „Herr der Ringe“ und „Hobbit“, Serien wie „Friends“. Manches davon läuft bei Netflix, es wird erwartet, dass Disney und Warner die entsprechenden Lizenzen auslaufen lassen, um die attraktive Ware ins eigene Angebotssortiment einsortieren zu können.
Demonstration der Stärke
Zur Demonstration eigener Stärke und dem Schultern der massiven Inhalte-Investitionen – laut Schätzungen zwölf Milliarden Dollar für Eigenproduktionen und Lizenzen – hebt Netflix seine Preise auf dem US-Heimatmarkt deutlich an. Die Kosten für die verschiedenen Abomodelle stiegen zwischen 13 und 18 Prozent, teilte das Unternehmen mit. Damit sind für das Premium-Abo, mit dem auf vier Geräten gleichzeitig die Serien und Filme geschaut werden können, im Monat 15,99 Dollar fällig. In Deutschland sind es 13,99 Euro. Der Preis für das populärste Abo – zwei Nutzer können gleichzeitig in HD-Qualität streamen – steigt von elf auf 13 Dollar. Das Standard-Abo in Deutschland für zwei Geräte mit HD kostet für Neukunden im Monat derzeit 12,99 Euro. Für Premium werden monatlich 16,99 Euro fällig. Allerdings testet Netflix Preiserhöhungen: beim Basismodell von 8,99 Euro rauf auf 9,99 Euro, beim Standardmodell werden statt 12,99 Euro 13,99 Euro aufgerufen.
Noch ist nicht klar, ob diese Preiserhöhungen tatsächlich kommen, Test-Kunden müssen die höheren Preise nicht bezahlen. Netflix will nur herausfinden, ob sie mehr bezahlen würden. Der Test sieht sich kurios-vorsichtig an. Amazon Prime Video schlägt bei monatlicher Zahlung mit 8,99 Euro zu Buche, ist also günstiger als Netflix. Für beide Anbieter, die bis auf den heutigen Tag keine Nutzungszahlen veröffentlichen, stellt sich die Frage, ab welcher Marktstärke Preiserhöhungen ohne Verluste bei den Abonnentenzahlen drin sind. Kurz: Wann sind Netflix und Amazon Must-Haves, ohne die ein audiovisuelles Leben möglich, aber sinnlos ist?
In Deutschland teilen sich die Unternehmen den Markt ungefähr auf, die Analystentruppe von Goldmedia sieht Prime allerdings vorne, wobei Netflix (in den USA die klare Nummer eins) stark aufholt. Als Nummer drei in Deutschland wird Sky gesehen, neben einigen Nischenanbietern wirbt das ProSiebenSat1-Angebot Maxdome um Kunden, und alle müssen sich gegen die Anstrengungen der Free-TV-Sender behaupten. Beim Sport – Champions League und Bundesliga – sind DAZN und der Eurosport-Player online unterwegs. Auch in Deutschland haben Medienmacher erkannt, welch großen Zulauf die flexiblen und jederzeit kündbaren Streamingdienste haben, die weniger kosten als der Rundfunkbeitrag mit monatlich 17,50 Euro. Der Kampf um den zahlenden Zuschauer hat erst begonnen.