Kaum Autos mit E-Motor erhältlich: Warum es bei Elektroautos zu Lieferengpässen kommt
Kunden müssen in manchen Fällen bis zu einem Jahr auf ihren elektrischen Neuwagen warten. Der Grund: Autohersteller, Tüv und Dekra kommen mit der Umstellung auf neue Abgastests nicht nach.
Einige deutsche Autohersteller haben wegen der Umstellung auf neue Abgastests massive Probleme, Elektro- und Hybridmodelle zu liefern. Volkswagen nimmt für Autos mit Hybridantrieb (Elektro- plus Verbrennungsmotor) derzeit gar keine Bestellungen mehr an, auch Erdgasmodelle des Herstellers sind nicht bestellbar. Auf ein Elektroauto warten Kunden teilweise länger als ein Jahr. In einer aktuellen ADAC-Übersicht mit Modellen in- und ausländischer Hersteller, die nach der jüngsten Abgasnorm zertifiziert wurden und also verfügbar sind, finden sich unter mehr als 700 Modellvarianten nur zwei mit reinem E-Motor und 25 mit Hybridantrieb.
Hintergrund der Lieferengpässe sind Probleme der Autohersteller, alle Fahrzeuge nach dem neuen Abgastest WLTP („Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure“) bis zum 1.September zertifizieren zu lassen. Weil wegen des Dieselskandals parallel tausende Software-Updates genehmigt und aufgespielt werden müssen, sind die verfügbaren Prüfstände bei Tüv und Dekra ausgebucht. Außerdem schreibt die EU künftig Realtests verbindlich vor, bei denen Abgase im Fahrbetrieb auf der Straße gemessen werden (RDE für „Real Driving Emissions“). Bei vielen Benzinern sind zusätzlich Partikelfilter und eine neue Motorsteuerung notwendig, damit die neueste Abgasnorm Euro6dTemp erreicht wird.
Autoverband kritisiert Politik
Die Engpässe bei der Zulassung von Verbrennungsmotoren führen gleichzeitig dazu, dass gegenwärtig nur gut ein Drittel der 86 in Deutschland angebotenen Elektro- und Hybridmodelle auch tatsächlich bestellbar sind. Neben Volkswagen können auch Mercedes und BMW einige elektrische oder teil-elektrische Modelle derzeit nicht liefern. Mercedes hat aber immerhin acht Hybride im Angebot, BMW kommt auf fünf plus zwei Elektrovarianten. Der Münchener Konzern war in der Dieselaffäre zuletzt entlastet worden, Lieferengpässe bei Benzinern und Dieselwagen wegen der WLTP-Umstellung hat BMW – anders als die Konkurrenz – derzeit nicht zu beklagen.
Der Autoverband VDA wirft der Politik vor, die Industrie mit überstürzten und vorgezogenen Änderungen bei der Abgasregulierung unter Druck gesetzt zu haben. Im Juni standen laut VDA wegen der Engpässe noch 500 Typgenehmigungen aus. „Das ist nur die halbe Wahrheit“, sagte dazu Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg. „Die ganze Wahrheit lautet: Dieselgate hat die deutschen Hersteller voll erwischt.“ Volkswagen sei gezwungen, zunächst Altlasten des Skandals zu beseitigen (Updates), parallel dazu stark nachgefragte Modelle zu zertifizieren – und schließlich Elektroautos.
Kaufprämie wird kaum genutzt
Diese sollen nach dem Willen der Politik aber häufiger verkauft werden, um die Stickoxid- und CO2-Emissionen zu reduzieren. Kürzlich waren Steuererleichterungen für Elektrodienstwagen verabschiedet worden, seit 2016 fördern Staat und Industrie die Anschaffung von Elektroautos mit einer Kaufprämie. Dafür stehen 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung, von denen aber bislang nur ein Bruchteil abgerufen wurde.
Das Bundesverkehrsministerium wies den Vorwurf, die Politik überfordere die Industrie, zurück. „Wie ein Hersteller seine Zertifizierungsprozesse plant, wann er zum Beispiel welche Modelle einführen will und entsprechende Genehmigungen beantragt, liegt in seiner Verantwortung“, teilte das Ministerium am Montag auf Anfrage mit. Das verbindliche Einführungsdatum des weltweit harmonisierten WLTP sowie die meisten Prüfprozeduren, seien „seit Jahren bekannt“ – formell spätestens seit Veröffentlichung im EU-Amtsblatt im Juni 2017.
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