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Wo geht das noch hin? Ein Börsianer schaut sich am Montag frustriert den Kursverlauf an der Wall Street an.
© AFP

Einer der bittersten Tage der Börsengeschichte: Warum die Wirtschaft für das Coronavirus so anfällig ist

Der abstürzende Ölpreis und das Coronavirus schocken die Aktienmärkte. Doch das sind nicht die einzigen Hintergründe für die rasante Talfahrt.

Es gibt für die Börsen in aller Welt einen speziellen Index, der die Kursentwicklung rund um den Globus abbildet. Am Montagnachmittag fiel dieser Wert so stark wie zuletzt Ende 2008 während der Finanzkrise.

Noch beeindruckender und überaus schmerzhaft für Aktionäre: Der Kurswert der Aktien weltweit lag am Montagnachmittag um 2,5 Billionen Dollar unter dem Niveau von Freitagabend. Nachdem zum Handelsbeginn an der Wall Street am Montag die US-Börse kurzzeitig geschlossen worden war, um den Absturz zu bremsen, beruhigten sich die Märkte etwas. Auch hierzulande, wo der Dax mit einem Minus um 8,4 Prozent in den Tag gegangen war. Am Ende des Tages betrug das Minus 7,94 Prozent.

Als einer der bittersten Tage wird der 9. März 2020 in die Börsengeschichte eingehen. Und die Angst bleibt groß unter den Anlegern, wie an einem anderen Indikator abzulesen ist: Der Volatilitätsindex, der die Nervosität der Investoren misst, stieg am Montag um fast 57 Prozent auf den höchsten Stand seit Herbst 2008. Zwei Gründe gibt es für die Panik und die Flucht aus den Aktien. Coronavirus und Ölpreis.

Opec in der Krise

Das Opec-Ölkartell scheint auseinander zu brechen, Uneinigkeit herrscht über die Förderhöhe. Die Saudis wollen den Ölhahn aufdrehen – und haben damit den Preis in die Tiefe geschickt, was vor allem die USA belastet. Die US-Sorte WTI rutschte zeitweise um ein Drittel ab und damit so stark wie noch nie in den vergangenen 40 Jahren. Der schwache Ölpreis macht das Fracking unwirtschaftlich und gefährdet die hochverschuldete Gas- und Ölindustrie in den USA.

Gleichzeitig geraten die USA auch beim Virus immer stärker in den Fokus: Die lückenhafte Krankenversicherung sowie die fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall dürften zu einer hohen Dunkelziffer an Corona-Infizierten beitragen. Wegen des Virus hatte die US-Notenbank bereits vergangene Woche den Leitzins um 0,5 Prozent gesenkt, was die Märkte indes nur kurz beruhigen konnte. Ein weiterer Zinsschritt wird in der kommenden Woche erwartet.

Steuerstundung ist ein Thema

Wie die deutsche Wirtschaft Virus und Börsencrash verkraftet, ist offen. Die am Sonntagabend von der Koalition beschlossen Maßnahmen wurden positiv bewertet. Wichtig sei nun eine schnelle Umsetzung der Liquiditätshilfen, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien dem Tagesspiegel.

Auch eine Steuerstundung „kann man machen“, meinte der Ökonom, da sie Firmen entlaste und den Staat nichts koste: Ob die Steuern in diesem oder im nächsten Jahr gezahlt würden, sei in diesen Nullzins-Zeiten ohne Belang. Sektorspezifische Hilfen etwa für Messe- und Tourismuswirtschaft oder die Luftverkehrsbranche seien „schwierig“.

Gastgewerbe für geringere Mehrwertsteuer

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) meinte am Montag, die Regierung werde „auch über Steuerstundungen reden und entscheiden müssen in den nächsten Wochen“. Momentan hilft das Wirtschaftsministerium vor allem mit Kreditgarantien und Liquiditätsspritzen. Zudem wurde eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes von der Koalition beschlossen.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband begrüßte das Hilfspaket als „ersten Schritt in die richtige Richtung“ – und forderte mehr. So wäre die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Speisen im Gastgewerbe eine gute Maßnahme. „Wichtig ist anlässlich der sich zuspitzenden Gesamtlage aber auch, dass weitere Maßnahmen folgen“, hieß es beim Verband der Tourismuswirtschaft. Die Urlaubsbranche mit ihren drei Millionen Beschäftigten leide „unter den Auswirkungen des Coronavirus und der Höhepunkt der Krise ist voraussichtlich noch nicht erreicht“.

Nach Angaben der Messewirtschaft sind durch die bisherigen Absagen und Verschiebungen von Ausstellungen und Kongressen Einbußen für die Gesamtwirtschaft in Höhe von fast drei Milliarden Euro zu befürchten. Mehr als 24 000 Arbeitsplätze sind angeblich gefährdet und der Staat nimmt 470 Millionen Euro weniger Steuern ein, hat der Messeverband Auma berechnet.

Arbeitgeber sind zufrieden

„Die Koalition setzt auf Realitätsbezug und Handlungsfähigkeit und hat insgesamt ein ausgewogenes Gesamtpaket beschlossen“, lobte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Berliner Regierung. Die Übernahme der Sozialversicherungskosten im Falle von Kurzarbeit sei „das wirksamste Liquiditätspaket für die betroffenen Unternehmen“. Kramer meinte weiter, die Koalition habe „den Sirenenklängen widerstanden“ und bleibe mit beiden Füßen auf der Schuldenbremse.

Etwas anders klang der Industrieverband BDI, der zwar die zusätzlichen Investitionen lobte. Die 12,4 Milliarden Euro über drei Jahre könnten jedoch „nur der Beginn sein“. In der Steuerpolitik behalte die Koalition Maßnahmen in der Hinterhand. Die Idee einer Sonder-Afa für digitale Wirtschaftsgüter sei vernünftig. Auch die Regelungen zur besseren Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer und zur Veranlagungsoption für Personengesellschaften begrüßte der BDI.

Ökonomen im Widerspruch

Das Mannheimer Wirtschaftsinstitut ZEW meinte ebenfalls, die Höhe der Investitionen „können nicht überzeugen“. Die Regierung sollte zusätzlich Maßnahmen in Angriff nehmen, die sofort wirken und auch den privaten Konsum stabilisieren. Dazu empfiehlt das ZEW neben dem Vorziehen der weitgehenden Abschaffung des Solidaritätszuschlag auch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Dies würde dem jetzt besonders betroffenen Dienstleistungssektor rasch helfen können.

Davon hält wiederum das Kieler Institut für Weltwirtschaft nichts. Die Menschen konsumierten ja nicht weniger, weil ihnen Geld fehle, sondern „weil sie aus Angst vor Ansteckung nicht in Geschäfte gehen oder reisen“.

Deutsche Bank sagt Feier ab

VW teilte am Montag mit, die nächste Woche anstehende Betriebsversammlung in Wolfsburg mit mehr als 10.000 Teilnehmern werde wegen des Virus verschoben.

Und die Deutsche Bank sagte ihre Feier zum 150. Geburtstag am 21. März in Berlin ab. „Wir hätten sehr gerne mit unserem Bundespräsidenten, den Berliner Philharmonikern und unseren Gästen gefeiert“, heißt es in einem Schreiben der Bank-Spitze an die Mitarbeiter.

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