Coronavirus-Risiken: Warum die US-Notenbank Fed jetzt die Zinsen senkt
Die US-Notenbank Fed hat die Leitzinsen so stark gesenkt wie zuletzt bei der Finanzkrise 2008. Die EZB hingegen wartet ab. Ihr Spielraum ist begrenzt.
Der Ausbruch des Corona-Virus zwingt nun auch die Zentralbanken zum Kriseneinsatz. Die US-Notenbank Fed hat am Dienstag die Leitzinsen gesenkt - und zwar so stark wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Sie korrigierte den Leitzins im Rahmen einer Notfallmaßnahme um einen halben Prozentpunkt nach unten auf einen Korridor von 1 bis 1,25 Prozent. Die Epidemie lasse "Risiken für die wirtschaftliche Aktivität" entstehen, heißt es in der Mitteilung der Fed. Die Zentralbank verfolge die "Entwicklungen und deren Folgen für den Wirtschaftsausblick genau". Denkbar wären Experten zufolge noch zwei weitere Zinsschritte nach unten.
Die Fed hatte bereits Ende vergangener Woche erklärt, dass sie die Auswirkungen der Epidemie des neuen Coronavirus aufmerksam verfolge und notfalls zu handeln bereit sei. US-Präsident Donald Trump forderte die – von der Regierung unabhängige – Notenbank wegen der Auswirkungen des Coronavirus wiederholt zu Zinssenkungen auf. Er fürchtet – wohl auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im November – infolge der Epidemie eine Wachstumsdelle. Allein die USA haben bereits rund 100 Ansteckungen und sechs Todesfälle gemeldet.
Auch asiatische Zentralbanken haben bereits reagiert. Japans Notenbank zum Beispiel kauft übergangsweise den Banken des Landes Staatsanleihen im Wert von 500 Milliarden Yen (etwa 4,2 Milliarden Euro) ab. Die Geldinstitute erhalten auf diese Weise mehr Spielraum, um Unternehmen Kredite zu gewähren. Auch die Notenbanken von Indonesien, Malaysia und Australien haben mit Zinssenkungen reagiert. Chinas Zentralbank hat sowohl die Zinsen gesenkt als auch hohe Summen ins Finanzsystem gepumpt.
Die EZB beobachtet die Lage
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich mit einer solchen Notfallmaßnahme bislang zurück. Präsidentin Christine Lagarde versicherte aber, die Entwicklungen und Auswirkungen auf die Wirtschaft zu beobachten. "Die durch den Ausbruch des Coronavirus geschaffene Lage ändert sich rasch", sagte sie. "Die EZB ist bereit, geeignete und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, soweit dies notwendig und den zugrunde liegenden Risiken angemessen ist." Peter Kazimir, Chef der slowakischen Notenbank und Mitglied im EZB-Rat, warnte derweil vor Panik wegen der sich ausbreitenden Coronavirus-Epidemie. "Panik und Überreaktion könnten uns teuer zu stehen kommen", schrieb er am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Es sei wichtig für die EZB wachsam zu sein und die Lage zu beobachten. Es gebe aber keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Ohnehin ist nicht klar, ob eine Zinssenkung in der Eurozone derzeit überhaupt etwas bringen würde. Anders als in den USA sind im Euroraum die Zinsen schon jetzt auf einem historischen Tiefpunkt. Der Leitzins liegt bei minus 0,5 Prozent. Denkbar wäre zwar eine Senkung auf Minus 0,6 oder 0,7 Prozent. Doch das dürfte kaum dazu führen, dass Unternehmen mehr Kredite aufnehmen oder Konsumenten mehr Geld ausgeben und so die Wirtschaft stützen. „Ob Sie jetzt öfters ins Restaurant gehen, wenn die Zinsen etwas niedriger sind? Das würde ich bezweifeln“, sagte jüngst Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
Auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher hält die Einflussmöglichkeiten der Geldpolitik für begrenzt: „Anders als in der globalen Finanzkrise werden die Zentralbanken bei der Bekämpfung des wirtschaftlichen Schadens durch das Coronavirus nur wenig helfen können. Denn das größte wirtschaftliche Problem ist ein Zusammenbrechen der globalen Wertschöpfungsketten und das fehlende Vertrauen von Konsumenten.“
Das einzige Argument für eine Zinssenkung wäre eine beruhigende Wirkung auf die Märkte: Zentralbanken demonstrieren damit, dass sie handlungsfähig sind und den Folgen des Coronavirus auf die Wirtschaft etwas entgegensetzen.
Experten warnen vor einem Rückgang des Wirtschaftswachstums
Die OECD hält aufgrund von Corona eine Halbierung des Wachstums der Weltwirtschaft für möglich. Japan oder die Eurozone können demnach gar in die Rezession fallen. Die Aktienmärkte hatten deshalb in der vergangenen Woche kräftig nachgegeben. Zuletzt ging es aber wieder aufwärts - auch weil Großinvestoren bereits auf ein Eingreifen der Zentralbanken spekuliert haben.
Zudem haben nur wenige Stunden vor der Erklärung der Fed die führenden westlichen Industrieländer (G7) ihren Willen bekundet, gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krise vorzugehen. Die Verbreitung des neuartigen Coronavirus und die Auswirkungen auf Finanzmärkte und Wirtschaft würden genau beobachtet, hieß es in einer Erklärung der Finanzminister und Notenbankchefs der G7.
„Angesichts der möglichen Auswirkungen von Covid-19 auf das globale Wachstum bekräftigen wir unsere Verpflichtung, alle geeigneten politischen Instrumente einzusetzen, um ein starkes und nachhaltiges Wachstum zu erreichen und gegen Abwärtsrisiken zu sichern“, hieß es. Die Finanzminister seien bereit, auch fiskalische Maßnahmen – also beispielsweise höhere Staatsausgaben – zu ergreifen, soweit dies notwendig sei. Zur Gruppe der G7-Staaten gehören die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien. (mit dpa/AFP)