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Mauritius gilt als Steueroase - ähnlich wie die Kaimaninseln oder Panama.
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Exklusiv

KfW-Tochter DEG: Warum deutsche Entwicklungsgelder über Steueroasen fließen

Die KfW-Tochter DEG fördert Firmen in Entwicklungsländern. Das Geld fließt dabei jedoch oft über Steueroasen wie Mauritius. Dabei geht es inzwischen um fast eine Milliarde Euro.

Mit frittiertem Hähnchen ist Deji Akinyanju der Durchbruch gelungen. Heute hat seine Kette „Chicken Republic“ mehr als 65 Franchise-Restaurants in Nigeria und Ghana. Akinyanju gilt als Vorzeigeunternehmer, einer, der die Wirtschaft an der Westküste Afrikas voranbringt, der Jobs schafft. Auch dank deutscher Entwicklungsgelder. Es ist ein weiter Weg von Köln, wo die KfW-Tochter DEG ihren Sitz hat, bis nach Lagos, wo Chicken Republic gegründet worden ist. Und er führt über eine Insel, die als Steueroase bekannt ist: Mauritius.

Wer verstehen will, wie deutsche Entwicklungsgelder verteilt werden, muss sich durch eine Liste im Geschäftsbericht der DEG quälen. In kleiner Schrift sind dort Fonds aufgelistet, in die die DEG investiert. Diese Fonds wiederum stecken das Geld dann in Firmen wie Food Concepts, den Mutterkonzern von Chicken Republic. Hilfe zur Selbsthilfe ist das: Die Firmen in den Entwicklungsländern sollen dadurch mehr investieren können, Jobs schaffen, letztlich mehr Steuern zahlen. Doch schaut man sich die Liste an, stolpert man über die Länder, in denen die Fonds sitzen: Mauritius etwa, aber auch die Kaimaninseln, Guernsey, Jersey, Malta, Panama, Bermuda, St. Kitts und Nevis und die Jungferninseln.

Es geht um viel Geld: eine Milliarde Euro

Bevor deutsche Entwicklungsgelder dort landen, wo sie hinsollen, machen sie also einen Umweg über Steueroasen. Und das in einem enormen Umfang. Fast eine Milliarde Euro hat die DEG inzwischen in Fonds in Steueroasen investiert. Nahezu ein Drittel davon entfallen auf Mauritius und die Kaimaninseln. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Die zeigt auch, dass die DEG ihr Engagement in Steueroasen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut hat. Seit Ende 2008 hat sich der Anteil der Entwicklungsgelder, die über sogenannte Offshore-Finanzzentren geflossen sind, verachtfacht (siehe Grafik). Allein im vergangenen Jahr hat die DEG demnach mehr als 60 Millionen Euro neu in Fonds in Steueroasen angelegt – die Hälfte davon in acht Fonds mit Sitz auf den Kaimaninseln.

Kritiker sagen, die DEG unterstütze so Steueroasen

Politiker der Linken und der Grünen kritisieren das. „Die Entwicklungszusammenarbeit wird so zum Instrument der Förderung von Schattenfinanzplätzen“, sagt Fabio De Masi, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken. Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen, meint: „An Schattenfinanzzentren, die für weltweite Steuerhinterziehung und -vermeidung in Milliardenhöhe stehen, sollte sich eine staatliche Bank nicht engagieren.“ Die Bundesregierung hingegen verteidigt das Vorgehen der DEG. Die Offshore-Finanzzentren seien nur eine Zwischenstation: „Die von der DEG geleisteten Investitionen gelangen immer vollständig in ein DEG-Partnerland, unabhängig vom Sitz des Fonds. Das heißt die DEG investiert über Offshore-Finanzzentren in die Zielländer“, so steht es in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

Die KfW-Tochter DEG fördert Firmen in Entwicklungsländern, damit die investieren und Jobs schaffen können.
Die KfW-Tochter DEG fördert Firmen in Entwicklungsländern, damit die investieren und Jobs schaffen können.
© DEG

Warum aber ist dieser Umweg über Steueroasen nötig? Die Bundesregierung argumentiert, dass das anders kaum gehe. Erklärtes Ziel der DEG ist es, nicht nur Unternehmen in Entwicklungsländern finanziell zu unterstützen, sondern auch private Geldgeber zu mobilisieren. Deshalb steigt die DEG als „Signalinvestor“ bei Fonds ein, die Projekte in Entwicklungsländern finanzieren – in der Hoffnung, dass andere Geldgeber nachziehen. Die tun das aber nur, wenn der Fonds in einem Land sitzt, in dem es international akzeptiertes Recht und eine transparente Gesetzgebung gibt. In vielen Entwicklungsländern ist das nicht der Fall. Wären die Fonds dort angesiedelt, würden Investoren abwinken.

Die DEG argumentiert, sie halte sich an alle Gesetze

Bleibt aber die Frage, warum die Wahl auf Steueroasen fällt statt auf Deutschland, wo es ebenso viel Rechtssicherheit und politische Stabilität gibt wie auf Mauritius oder den Kaimaninseln. Zumal diese Standorte immer wieder in der Kritik stehen. „Staaten wie Mauritius und die Kaimaninseln spielen eine Schlüsselrolle bei der internationalen Steuerhinterziehung, was Entwicklungsländer große Summen kostet, die sie dringend bräuchten“, sagt Maria José Romero vom Europäische Netzwerk zu Schulden und Entwicklung (Eurodad).

Die DEG weist dagegen darauf hin, dass sie sich „an alle Gesetze und die geltenden Regeln des Bundes“ halte. Auch das Bundesentwicklungsministerium sieht in der Nutzung von Steueroasen durch die DEG kein Problem. Die Ansiedlung der Fonds in Offshore-Finanzzentren diene schließlich „nicht dem Ziel, Steuern zu vermeiden oder zu optimieren“. Stattdessen spreche eine „gute Finanzinfrastruktur sowie Rechtssicherheit“ für die Standorte.

In Deutschland sind Fonds-Gründungen zu teuer

Und warum dann keinen Fonds in Deutschland gründen? Die DEG argumentiert, dass sie die Fonds nicht selbst auflege, sondern in bestehende Finanzinstrumente investiere. Außerdem sei es teuer, solche Fonds in Deutschland zu gründen. Durch diese höheren Kosten sei „ein effizienter Mitteleinsatz nicht möglich“. Würden die Fonds in Deutschland angesiedelt, könne das „zu einem Rückgang der Investitionen in Entwicklungsländern führen“, schreibt die DEG. Mit anderen Worten: Entweder man nutzt Steueroasen oder man nimmt in Kauf, dass Entwicklungsländer weniger finanzielle Unterstützung erfahren. Im Bundesentwicklungsministerium heißt es, Fonds der DEG in Offshore-Zentren seien „ein unverzichtbares Instrument“.

Nigeria ist eines der Länder, in dem die DEG Firmen unterstützt - auch über Fonds.
Nigeria ist eines der Länder, in dem die DEG Firmen unterstützt - auch über Fonds.
© dpa

Bei Eurodad, sieht man das anders. Das Netzwerk kritisiert schon lange, dass Entwicklungsbanken durch diese Praxis Steueroasen legitimieren. „Entwicklungsbanken sind staatliche Institutionen“, sagt Romero. „Sie sollten alles tun, um direkt in Entwicklungsländern zu investieren und die Firmen vor Ort zu unterstützen, statt über Offshore-Finanzzentren zu gehen.“ Die DEG wählt einen anderen Weg und setzt sogar noch stärker auf Fonds. Damit erklärt das Institut auch den Anstieg der Gelder in Steueroasen: Machten Beteiligungen an Fonds 2008 nur 18 Prozent ihres Portfolios aus, sind es inzwischen 30 Prozent. Die DEG könne auf diese Weise vor Ort „Finanzierungslücken schließen“. Außerdem habe das Institut über die Fondsstrukturen mehr Einfluss, könne über Mitspracherechte „gezielt zur nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen beitragen“, sagt eine Sprecherin der DEG.

Fehlt es an Informationen?

Durch den Umweg über Fonds und Steueroasen wird es für Außenstehende allerdings schwieriger, die Geldflüsse nachzuvollziehen. Zwar veröffentlicht die DEG seit 2015 auf ihrer Internetseite, in welche Fonds sie investiert und was für eine Ausrichtung sie haben. Man erfährt dabei aber zum Beispiel nicht, welche Firmen konkret unterstützt werden oder in welche Länder ein Fonds zu welchen Teilen investiert. Auf die Kleine Anfrage hin antwortet die Bundesregierung, darüber keine Kenntnis zu haben. Linken-Politikerin Eva-Maria Schreiber sagt deshalb: „Die DEG gleicht einer Black Box, die der Öffentlichkeit nur wenige ausgewählte Ergebnisse zukommen lässt.“ Die Entwicklungsgesellschaft weist das zurück, sie informiere „umfassend und transparent über ihre Arbeit und ihre Finanzierungen“.

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