Neues Datenleck zu Offshore-Geschäften: Licht ins Dunkel der Steueroasen
Ein neues, riesiges Datenleck zeigt die Steuertricks der Superreichen auf. Was verraten die "Paradise Papers"?
Eineinhalb Jahre nach den „Panama Papers“ sind neue Hinweise auf riesige Geldtransfers von Konzernen und reichen Privatleuten in Steueroasen enthüllt worden, die ihre Heimatländer um Milliarden bringen. Die „Paradise Papers“ erzeugen nach Ansicht von Experten Druck auf die Länder, die sich bisher dem Kampf um Steuerbetrug und Steuervermeidung nicht angeschlossen hätten. Die EU-Finanzminister wollen sich dem Thema auf ihrer Sitzung an diesem Dienstag widmen.
Warum sind die Paradise Papers brisant?
Die Dokumente zeigen, wie geschickt Politiker, Prominente und Konzerne Briefkastenfirmen und Konten in Steueroasen nutzen. Unter ihnen ist Sänger Bono ebenso wie ein Vertrauter des kanadischen Premiers Justin Trudeau, aber auch US-Handelsminister Wilbur Ross, Großinvestor George Soros und Altkanzler Gerhard Schröder. Die Menge der ausgewerteten Daten ist beeindruckend: 13,4 Millionen Dokumente stecken dahinter, in denen allein 120 Politiker aus 50 Ländern aufgeführt werden.
Sind die Steuerkonstrukte illegal?
Eine Briefkastenfirma in einer Steueroase zu eröffnen, ist an sich legal. Nicht erlaubt ist es aber, wenn man sie nutzt, um Steuern zu hinterziehen oder Gelder zu waschen. Das ist zwar oft, aber eben längst nicht immer der Fall. So gibt es auch legitime Gründe für Briefkastenfirmen. Sammler, die sehr wertvolle Kunstwerke besitzen, verschleiern über Offshore-Firmen zum Beispiel ihre Identität. Konzerne planen darüber die feindliche Übernahme eines Konkurrenten.
Welche der neuen Enthüllungen ist besonders brisant?
In den USA interessieren sich die Medien vor allem für Wirtschaftsminister Wilbur Ross und seine Russlandgeschäfte. Auch Präsident Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und „mehrere hohe Regierungsmitglieder“, die aber nicht namentlich genannt werden, sollen in den „Paradise Papers“ auftauchen. Ross halte einen millionenschweren Anteil an der Schifffahrtsgesellschaft „Navigator Holdings“, die wiederum Millionengewinne mit dem Transport russischen Gases für den russischen Energiekonzern Sibur mache. Ross wird bisher keine Steuerhinterziehung vorgeworfen, sondern fragwürdiges Verhalten. Die Frage ist: Warum verdient er trotz der Russland-Sanktionen an solchen Geschäften und warum hat er die Firmenanteile nicht verkauft, als er Regierungsmitglied wurde?
Welche Konzerne tauchen in den jetzt veröffentlichten Dokumenten auf?
Anders als bei den „Panama Papers“ stehen diesmal auch Konzerne mit ihren Steuersparmodellen im Fokus. Der Sportartikelhersteller Nike soll mit Hilfe der Anwaltskanzlei Appleby zum Beispiel seine Steuerquote auf 13,2 Prozent reduziert haben. Apple soll in E-Mails darum gebeten haben, einen Geschäftssitz zu finden, an dem sich Steuern vermeiden lassen. Auch Uber und Facebook tauchen in den Berichten auf. Aus Deutschland sollen der Autovermieter Sixt, die Deutsche Post, die Hotelkette Meininger, Siemens, Bayer und die Deutsche Bank unter den Offshore-Nutzern sein.
In den Fokus gerät auch Großbritannien mit seinen Überseegebieten. Wie funktioniert das britische Modell?
Die Queen ist auch dabei. Sie müsste ihr Vermögen eigentlich gar nicht versteuern, tut es aber seit 2013 freiwillig. Die Verwalter ihres riesigen Vermögens nutzen offenbar einen Fonds, der in der Steueroase Cayman Islands registriert ist. Zwar versichern ihre Verwalter, es gebe keine Steuervergünstigungen – aber warum, so die Frage, legt man das Geld dann offshore an? Eine Frage, die sich auch der schillernde Lord Ashcroft gefallen lassen muss, ein Großspender der britischen Konservativen und führender Brexit-Befürworter. Die „Paradise Papers“ zeigen, dass die Offshore-Investments des Milliardärs größer sind als bisher bekannt und dass die in einem Trust Begünstigten – seine Frau und Kinder – davon möglicherweise gar nichts wussten. Ein Sprecher stritt ab, dass Ashcroft mit Steuervermeidung zu tun habe. Solche Trusts – sie sind ähnlich wie Stiftungen – werden von britischen Reichen (und nicht nur ihnen) gern zur Vermögensverwaltung und Vermögenssicherung genutzt. Das ist legal und muss auch nicht unbedingt steuerliche Gründe haben. Solche Vehikel sind rechtlich und finanziell attraktiv, weil die Gesetze und die geringen Unternehmenssteuersätze in den Steueroasen günstig für Vermögende sind. Großbritannien hat eine ganze Reihe von solchen Finanzplätzen: die autonomen Übersee-Territorien wie die Cayman Islands, die Jungferninseln oder Bermuda sowie die Kronländer Jersey, Guernsey und Isle of Man. Diese bieten britische Rechtssicherheit, unterliegen aber nicht der Aufsicht britischer Steuerbehörden. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold fordert daher, dieses System in die Brexit-Verhandlungen anzugehen. „Die Londoner City und die angeschlossenen Steueroasen dürfen nur Zugang zum EU-Binnenmarkt bekommen, wenn sie die Steuervermeidungsgeschäfte beenden.“
Welche Deutschen sind involviert?
Unter den Kunden der Kanzlei Appleby ist auch die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn. Sie musste in der Vergangenheit bereits Steuern in Höhe von 145 Millionen Euro nachzahlen. Laut Süddeutscher Zeitung wussten die Steuerbehörden dabei aber noch nichts von einigen der dutzenden Trusts, die der Familie Engelhorn zuzurechnen seien. Neben ihr rückt auch Altkanzler Gerhard Schröder in den Fokus. 2009 hatte er eine Leitungsposition bei dem russisch-britischen Energieunternehmen TNK-BP mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. In dieser Funktion haben er und zwei weitere Aufsichtsräte Rat bei der Kanzlei Appleby geholt – wegen „Firmenangelegenheiten unter dem Recht der Britischen Jungerninseln“, wie die Süddeutsche Zeitung aus einer E-Mail zitiert.
Welche Spuren führen nach Berlin?
In den Leaks ist von der Firma „Phönix Spree Property Fund Ltd. &Co KG“ die Rede, die in Berlin in Mietshäusern investiert. Die Firma war bis vor wenigen Jahren eine gewöhnliche Gesellschaft mit begrenzter Haftung (GmbH) und unterlag damit deutschem Handelsrecht und Besteuerung. Doch bereits in der Bilanz für das Jahr 2015, taucht die Firma als „Limited“ auf. Das ist die beliebteste englische Rechtsform, weil die Haftung auf das Gründungskapital begrenzt ist, das häufig nur ein Pfund beträgt. Als Limited sind auch die meisten Briefkastenfirmen in Steueroasen verfasst. Und weil es dort keine öffentlich zugängliche Handelsregister gibt, bleiben – wenn keine „leaks“ sie enthüllen – die Hintermänner und Gesellschafter solcher Firmen geheim. Die Phönix Spree Property hatte dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss von 2015 zufolge ein Vermögen von rund 60 Millionen Euro, wie der in London ansässige Geschäftsführer berichtet. Bei der Steuervermeidung kommt der Phönix außerdem die deutsche Gesetzgebung entgegen: Wer hierzulande Immobilien in einer Firma hält und deren Anteile (maximal 94,9 Prozent) verkauft, bezahlt keine Grunderwerbsteuer. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen zufolge gehen dem Land Berlin durch solche „Umgehungsmanöver“ schätzungsweise hundert Millionen Euro im Jahr.
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